«Kunststoff ist ein faszinierendes Material»

  30.05.2013 Aargau, Wissenschaft, Unteres Fricktal, Porträt, Nordwestschweiz, Rheinfelden, Persönlich

Heute ist fast alles aus Plastik: Das Telefon, der Computer, das halbe Auto. «Kunststoff ist ein faszinierendes Material, das vielseitig verwendet werden kann», erklärt Bruno Plüss, «wir haben schon vor 40 Jahren gemerkt, dass in diesem Bereich die Post abgeht. Dass aber eine solche Entwicklung stattfinden würde, hätte ich nicht gedacht. Heute verfügt sogar das Dreamliner-Flugzeug von Boeing über Kunststoff-Flügel», sagt der 59-Jährige begeistert.

 

«Der kleine Werkzeugmacher»

Sein Vater gründete 1953 in Rheinfelden eine mechanische Werkstätte. «Ich musste zuhause mithelfen. Das gehörte in der Jugend dazu», erinnert sich Bruno Plüss, der als Kind «kleiner Werkzeugmacher» genannt wurde. Diesen Beruf hat er schliesslich auch gelernt. «Das hat meinem Interesse entsprochen.» Nach der Lehre bei der BBC in Baden ging er nach Wien und liess sich zum Dipl-Ing. Kunststofftechnik ausbilden. Es zeichnete sich ab, dass dies der Werkstoff der Zukunft sein würde.

Aus Österreich brachte er nicht nur viel Fachwissen mit, sondern auch seine zukünftige Ehefrau. «In Wien hatte ich eine tolle Zeit, auch wenn besonders das erste Jahr schulisch sehr hart war», so Plüss. Nach einem Sprachaufenthalt in England und zwei Jahren in einem Betrieb in Luzern stieg er 1979 ins Familienunternehmen ein. Dort musste er 1980, im Alter von erst 26 Jahren, die volle Verantwortung übernehmen, denn sein Vater konnte nach einem Schlaganfall nicht mehr arbeiten.

 

Der starke Franken schafft Probleme

1985 und 1995 wurde die Firma erweitert. Mit 15 Mitarbeitern werden heute Spritzformen für kunststoffverarbeitende Betriebe hergestellt und auf eigenen Spritzgiessmaschinen getestet. Die Produkte der H. Plüss AG gehen unter anderem in die Automobil-Industrie, die Elektro- und Kommunikationsbranche und die Medizinaltechnik. «Wir bauen auch Formen für die Uhrenindustrie. Derzeit ist die Swatch-Group unser grösster Kunde», erklärt Bruno Plüss. Der Exportanteil in den EU-Raum liegt bei zirka 50 Prozent. Vor allem nach Deutschland wird geliefert. Kürzlich konnte seine Firma zwei Spritzformen für die asiatische Automobilindustrie herstellen. Damit werden Millionen von Kabelbindern gefertigt. Daneben werden auch Präzisionsarbeiten für regionale Kunden durchgeführt. «Der starke Franken macht uns derzeit zu schaffen. Es ist heute schwieriger, Aufträge zu erhalten. Der Preis wird immer wichtiger», so Plüss. Die Grenznähe von Rheinfelden wertet er aber als grossen Vorteil für sein Geschäft.

Die H. Plüss AG ist ein typisches Familienunternehmen, neben Bruno Plüss arbeiten auch seine Frau und die Tochter im Unternehmen mit. Denkbar wäre, dass der Sohn, der ebenfalls in dieser Branche tätig ist, die Firma übernehmen wird. Der Entscheid soll in den nächsten drei Jahren fallen.

 

«Das exakte Arbeiten liegt uns»

Seit 2008 ist Bruno Plüss Präsident des Kunststoff-Ausbildungs- und Technologiezentrums (KATZ) in Aarau. «Der Aargau ist der Kunststoff-Kanton in der Schweiz. Hier gibt es in einem Umkreis von 40 Kilometern eine Vielzahl von Firmen und Instituten, die sich mit Kunststoff beschäftigen. Die Bevölkerung ist sich dessen gar nicht bewusst», sagt er. Das KATZ ist die Kunststoff-Technologie-Plattform der Schweiz sowie Aus- und Weiterbildungsstätte.

Plüss ist zuversichtlich, dass die Schweiz im Formenbau auch in Zukunft konkurrenzfähig bleiben wird. «Das exakte Arbeiten liegt uns. Wichtig ist, dass wir die duale Berufsausbildung pflegen.» Von der Politik wünscht er sich, dass die Bürokratie nicht weiter ausgebaut wird. «Wir wollen Spritzformen bauen und nicht immer mehr Formulare ausfüllen», erklärt Plüss, der von 1997 bis 2001 als FDP-Grossrat dem Kantonsparlament angehörte. Nach vier Jahren hat er nicht mehr kandidiert. «Vor allem im Bewusstsein meines vollen Schreibtisches in der Firma hatte ich genug von den endlosen Wortmeldungen obwohl die Meinungen schon längst gemacht waren. Die Reduktion des Parlaments hat diesbezüglich sicher eine Verbesserung gebracht.»

Das Engagement für die Allgemeinheit war und ist ihm aber wichtig: So war er unter anderem Mitglied der Nationalsynode der christkatholischen Kirche, Präsident des Turnvereins Rheinfelden, OK-Präsident des Altstadtfestes Rheinfelden und während vieler Jahre Prüfungsexperte bei den Werkzeugmachern. «Die Schweiz lebt davon, dass sich jeder neben dem Beruf auch für die Allgemeinheit engagiert.» In der Freizeit fährt er Motorrad, geht fischen und treibt regelmässig Sport. Auch geniesst er das Zusammensein mit seinen beiden Enkelkindern und die wöchentlichen Treffen im Rotary-Club Rheinfelden-Fricktal.

Beim Rundgang durch die Firma spürt der Besucher, dass Bruno Plüss auch nach Jahrzehnten in dieser Branche immer noch hellbegeistert von den Möglichkeiten des Kunststoffs ist. Mit Enthusiasmus zeigt er, welche Formen entwickelt werden und was daraus entstehen wird. Seine Begeisterung scheint so unvergänglich wie Plastik. Grosse Sorgen bereiten ihm aber die riesigen Kunststoffinseln, welche auf den Ozeanen treiben. «Das zeigt, welche Verantwortung der Mensch gegenüber Natur und Umwelt hat. Kein Gramm Plastik müsste einfach fortgeschmissen werden! Es gibt kaum ein anderer Werkstoff, welcher sich so gut recyceln lässt oder sich besser als Energieträger eignet.»


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