Ein Pfarrer-Ehepaar, das die Grenzen überwindet
07.04.2017 Brennpunkt, Unteres Fricktal, Porträt, Rheinfelden, PersönlichVon Valentin Zumsteg
Es war in Jerusalem, 1991. Dort begann ihre Liebe. «Unsere Plätze in der Bibliothek lagen nebeneinander. So haben wir uns kennengelernt», erzählt Christine Ruszkowski. «Es war vorbestimmt», sagt Leszek Ruszkowski mit einem Lachen. Beide besuchten die «école biblique et archéologique française», er als Doktorand und katholischer Priester aus Polen, sie als Theologiestudentin aus der Schweiz.
«Die Liebe öffnet die Augen»
«Die Liebe macht nicht nur blind. Sie öffnet auch die Augen für das Wesentliche», sagt Leszek Ruszkowski rückblickend. Das Ehepaar sitzt an einem Holztisch im Pfarrhaus der reformierten Kirchgemeinde an der Roberstenstrasse in Rheinfelden. Hier wohnen die Ruszkowskis mit ihren drei Söhnen. Sie teilen sich eine Pfarrstelle.
Der Weg dahin war weit. «Als wir uns entschieden haben, die Zukunft zusammen zu gestalten, löste das bei mir eine intensive Auseinandersetzung mit der Kirche aus», schildert er. «Es war auch ein schmerzhafter Prozess», ergänzt sie. Denn für einen katholischen Priester gilt das Zölibat, die Liebe zu einer Frau und eine eigene Familie sind nicht vorgesehen. Leszek Ruszkowski hat sich dazu entschieden, die Konfession zu wechseln: «Das war aber kein Entscheid gegen die katholische Kirche. Meine vier Geschwister haben gestaunt. Meine Mutter brauchte etwas Zeit, um meinen Entscheid zu verdauen. Inzwischen merkt auch sie, dass mir der reformierte Glaube sehr entspricht.»
Leszek Ruszkowski (56) ist im kommunistischen Polen aufgewachsen. Eigentlich wollte er Arzt werden. Die katholische Jugendarbeit und eine Reise nach Taizé haben ihn aber schliesslich dazu gebracht, Theologie zu studieren. Christine Ruszkowski (49), geborene Hauri, stammt aus einer Lehrerfamilie in Reinach (AG). «Ich bin die erste Pfarrerin in der Dynastie», sagt sie schmunzelnd. «Die kirchliche Jugendarbeit hat mir gefallen. Dort fand ich einen Weg, wie Leben und Glauben zusammenfinden.»
«Eine lebendige Kirchgemeinde»
1994 haben die beiden geheiratet – und aus dem katholischen Priester ist ein reformierter Pfarrer geworden. Eine erste Stelle teilten sie sich in den Gemeinden Ziefen, Lupsingen und Arboldswil. Seit 2008 sind sie in Rheinfelden tätig, wo sie zusammen ein 100-Prozent-Pensum ausfüllen. Jeder hat sein Gebiet. Sie ist eher für die Kinder und Jugendlichen in der Pfarrgemeinde zuständig, er für die Konfirmanden und die Erwachsenen-Arbeit.
«Eine lebendige Kirchgemeinde ist uns eine Herzensangelegenheit. Wir wollen, dass die Menschen sich beteiligen können. Als Pfarrperson und Kirchgemeinde-Mitglieder sind wir gemeinsam unterwegs», erklären die beiden. Ein grosses Anliegen ist ihnen die Ökumene. «Die Religion soll etwas Verbindendes sein, über die Konfessions- und Religionsgrenzen hinweg. Leider wird heute häufig das Trennende betont. Wer sich seines Glaubens und seiner Spiritualität sicher ist, hat keine Angst vor dem Anderen. Das Infrage-Stellen von Grenzen habe ich mit auf den Lebensweg bekommen. Nationalstolz ist mir suspekt, egal um welche Nationalität es geht», sagt Leszek Ruszkowski.
Leben und Glauben in Einklang zu bringen – das steht für die beiden im Zentrum. Im Herbst hat Christine Ruszkowski eine dreimonatige Weiterbildung mit dem Schwerpunkt «Spirituelles Gemeindemanagement». Sie will sich intensiv mit der Frage auseinandersetzen, wie lebendige Kirche in Zukunft gestaltet werden kann. Anschliessend möchte sie drei Wochen in einem Flüchtlingslager in Beirut mitarbeiten.
Leszek Ruszkowski hat im vergangenen Jahr ebenfalls eine Auszeit genommen, um einen Film über das Zusammenleben von Christen und Muslimen in Senegal zu realisieren. Beide fühlen eine starke Verbundenheit mit der Welt und den Unterprivilegierten. Deswegen gehören sie zu den treibenden Kräften der Spendenaktion «Kirchgemeinden für Afrika», die derzeit läuft. «In Afrika spielt sich eine Tragödie von unvorstellbarem Ausmass ab. Da müssen wir alle etwas tun.»
Infobox
«Kirchgemeinden für Afrika»
Fricktal/Rheinfelden. In Afrika herrscht die grösste Hungersnot seit dem Zweiten Weltkrieg. Mit einer ökumenischen Kampagne appellieren die evangelisch-reformierte, die römisch-katholische und die christkatholische Kirchgemeinden von Rheinfelden, Magden, Olsberg und Kaiseraugst an die Bevölkerung, den nationalen Sammeltag der Glückskette vom 11. April zu unterstützen. Am kommenden Dienstag sammeln die Kirchgemeinden von 11 bis 16 Uhr auch vor der Post und vor dem Rathaus in Rheinfelden. (nfz)
Glückskette, Postkonto 10-15000-6, Vermerk «Kirchgemeinden für Afrika».