«Auch nach 30 Jahren habe ich nicht ausgelernt»

  30.09.2016 Möhlin, Rheinfelden, Persönlich, Sport, Porträt, Unteres Fricktal

Von Simone Rufli

«Die Vorbereitungen sind bisher sehr gut gelaufen. Ich bin sehr motiviert», sagt der Bodybuilder, der in T-Shirt und Trainingshose so gar nicht übertrieben muskulös erscheint. Giovanni Petosa nippt an seinem Espresso und erzählt. Gesundheit, Wohlbefinden und Lebensfreude – das sind Werte, die für den 49-Jährigen ganz wichtig sind; auch oder gerade wenn er so intensiv trainiert wie jetzt, als Vorbereitung auf die Schweizer Meisterschaft vom 22. Oktober in Unterägeri. Medaillen hat er in über 30 Jahren schon viele gewonnen. «Besonders schön war es vor zwei Jahren, als ich zusammen mit meinem Sohn Raffaele an die Schweizermeisterschaft gehen konnte.» Er selber in der Kategorie Master, der Sohn – als Teenager ein Karateka, bis zum braunen Gurt – bei den Junioren. Fünf Trainings absolviert Petosa pro Woche im Kraft- und Ausdauerbereich. Zweimal macht er Intervalltraining. Er führt ein Schlafprotokoll und hält sich seit Jahresbeginn an einen Ernährungsplan. Er ist Fitnessinstruktor und klassischer Masseur, hat diverse Ernährungskurse besucht und kürzlich die Prüfung zum Personal Trainer bestanden. «Auch nach über 30 Jahren in diesem Sport habe ich noch nicht ausgelernt. Der Körper verändert sich. Die Ernährung muss angepasst werden und das Körpergefühl entwickelt sich mit den Jahren.»

 

Natürlichkeit ist ihm wichtig

1985 hat er mit Bodybuilding angefangen, 1989 den ersten Wettkampf bestritten. Seither misst er sich im Durchschnitt alle zwei Jahre mit der nationalen Spitze. Petosa ist Mitglied in der Swiss Natural Bodybuilding and Fitness Federation (SNBF), dem einzigen Bodybuilding-Verband mit Dopingkontrollen. «Wird einer beim Dopen erwischt, wird er für sieben Jahre gesperrt», erzählt Petosa. Urinproben und Lügendetektor-Tests gehören zu den Kontrollinstrumenten des Verbandes. Sichtbar wird die Verbandszugehörigkeit am Körper: «Wir Natural-Bodybuilder sind nicht so muskulös, weil der Muskel-Aufbau ausschliesslich auf natürlicher Basis passiert», erklärt Petosa. «Natürlichkeit ist mir enorm wichtig. Ich will meinen Jungen im Studio zeigen, dass es auch ohne verbotene Substanzen geht. Wenn ich durch meine Vorbildfunktion nur fünf von zehn Jugendlichen in die Richtung des Natural-Trainings bringen kann, ist das ein Erfolg.»

Die jüngsten seiner Kunden sind gerademal 16 Jahre alt, die ältesten um die 80. Je älter die Kunden seien, umso mehr ziele das Training darauf ab, den natürlichen Alterungsprozess aufzuhalten, den Gleichgewichtssinn zu trainieren und damit auch Sturzprophylaxe zu betreiben.

Wie wichtig seine Vorbildfunktion ist, zeigt sich daran, dass Krafttraining und Bodybuilding derzeit bei den Jungen extrem angesagt sind.

 

Möchte gutes Vorbild sein

Giovanni Petosa ist locker, wirkt entspannt und voller Vorfreude. «Jetzt ist der Stress vorbei», sagt er und die Erleichterung ist spürbar. Die Prüfung zum eidgenössisch diplomierten Personal Trainer hat er erfolgreich abgeschlossen. «Es war ein hartes Stück Arbeit und ich stand mehr als einmal kurz davor, die Ausbildung abzubrechen», gibt er zu. Montag und Dienstag die Schichtarbeit in der Novartis, Donnerstag, Freitag und Samstag den ganzen Tag in Zürich in der Schule und daneben das Training im eigenen Studio athletik2000 in Möhlin, das er seit 15 Jahren betreibt. «Ich kam während dieses Lehrjahres an meine Grenzen. Meine Frau hat mich aber daran erinnert, dass ich von unserem Sohn auch verlangte, dass er die Lehre abschliesst.» Als konsequenter Vater und gutes Vorbild, das er seinem inzwischen 22-jährigen Sohn noch immer sein möchte, blieb ihm keine Wahl, als die eigene Ausbildung zu Ende zu bringen. «Heute sind wir beide stolz, dass wir durchgehalten haben», betont Petosa.

 

Ist in einfachen Verhältnissen aufgewachsen

Disziplin und Durchhaltewillen – sie sind typisch für den gebürtigen Italiener. Giovanni kam als 17-Jähriger in die Schweiz. «Ich konnte kein Wort Deutsch, das war kein einfacher Start.» Ohne auch nur ein Jahr in der Schweiz zur Schule gegangen zu sein, allein mit dem Willen, sich schnell zu integrieren, eignete er sich die Sprache innert kürzester Zeit an. Giovannis Eltern lebten und arbeiteten zu diesem Zeitpunkt bereits viele Jahre in der Schweiz, die Mutter bei Cardinal, der Vater bei Feldschlösschen. «Mein Bruder und ich sind bei Tante und Onkel in Italien in sehr einfachen Verhältnissen aufgewachsen.»

Um gesunde Ernährung machte er sich als Teenager keine Gedanken. «Wir waren einfach dankbar, dass es genug zu essen gab. In Rheinfelden habe ich dann angefangen Bier zu trinken und viel zu viel Süsses gegessen.» Übergewicht war denn auch der Grund dafür, dass Petosa sich in einem Rheinfelder Fitnessstudio einschrieb. «Nie hätte ich damals geglaubt, dass ich einmal selber ein Studio betreiben würde», Petosa schüttelt den Kopf und ruft Bruce zu sich. Der Bolonka-Zwergspitz-Mischling kommt angetrabt, lässt sich streicheln und kehrt zufrieden zurück zu seinem Schlafplatz. «Ich habe heute alles, was ich brauche, um glücklich zu sein. Ich hänge nicht an materiellen Dingen. Wichtig sind mir meine Familie, unser Hund, meine Freunde im Studio und in der Novartis. Ohne die Unterstützung dieser Menschen, die mich immer wieder auch an Wettkämpfe begleiten, wäre ich nie soweit gekommen.» Petosa ist dankbar.

 

Drei Wochen nach der Schweizer Meisterschaft geht in Los Angeles die Weltmeisterschaft über die Bühne. Sollte Petosa die SM gewinnen, ist er in L.A. dabei. Sollte es nicht klappen, bricht für den bodenständigen Mann keine Welt zusammen. «Ich freue mich auf meine Arbeit als Personal Trainer.»


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