Ein Vollblutunternehmer
16.01.2014 Aargau, Unteres Fricktal, Gewerbe, Brennpunkt, Wirtschaft, Gesundheit, PersönlichEr geht seinen eigenen Weg, zielstrebig, aber nicht verbissen. Deswegen ist ihm vielleicht so viel Erfolg beschieden. «Ich habe Freude daran, etwas zu unternehmen und Arbeitsplätze zu schaffen», erklärt Jürg Eichenberger. Er sitzt in einem Ledersessel; draussen vor den Fenstern der Rheinfelder Klinik «Alta Aesthetica» fliesst der Rhein vorbei. 73 Jahre alt ist der Unternehmer. Man würde es ihm nicht geben; spitzbübisch strahlt sein Lächeln, seine Körperhaltung wirkt dynamisch. Jeden Morgen um 5 Uhr steht Jürg Eichenberger auf und setzt sich auf den Hometrainer. «Ich habe eine gute Selbstdisziplin.»
Es ist eine verblüffende Karriere, auf die Jürg Eichenberger zurückblicken kann, auch wenn er das nie so nennen würde. «Eigentlich wollte ich als junger Mann Agronomie studieren. Ich habe mir vorgenommen, mit 50 Jahren einen Bauernhof mit Pferden in Frankreich zu besitzen.» Das Agronomie-Studium hat er abgebrochen, den Lebenstraum aber verwirklicht. «Im Alter von 49 Jahren und elf Monaten habe ich den Bauernhof in Frankreich bezogen», erzählt er mit einem Lachen. Heute besitzt er ein Gestüt mit 75 Springpferden.
«Ich habe viele Entscheidungen in meinem Leben aufgrund meines Bauchgefühls gefällt», erklärt der Unternehmer, der die Leute mit seiner freundlichen Art für sich einnehmen kann. Aufgewachsen ist er in Basel. Er absolvierte eine Drogistenlehre und profitierte von einem ausgezeichneten Lehrmeister: «Er hat mich sehr gefördert». Schon bald konnte er das Geschäft übernehmen und weitere Drogerien und Apotheken aufbauen. Doch das war nur die erste Station. Später führte er die Baufirma Wenk, an der er sich auch beteiligte. «Ich bin angefragt worden. Ich habe klar gesagt, dass ich vom Bau nicht viel verstehe. Sie wollten mich trotzdem. Wir hatten eine sehr erfolgreiche Zeit.»
Rund 30 Firmen in den verschiedensten Branchen hat er über die Jahre gegründet oder sich an ihnen beteiligt. So zum Beispiel die «Research & Consulting Group», die Auftragsforschung betrieb. «Ich war nie ein stiller Aktionär. Ich habe mich immer engagiert.» Er war bereit, persönliches Risiko einzugehen. Das Geld ist ihm Mittel zum Zweck. Zu den Banken hat er ein zwiespältiges Verhältnis: «Heute bekommen junge Unternehmer kaum mehr einen Kredit. Das ist eine gefährliche Entwicklung. Die Förderung der KMU ist mir ein wichtiges Anliegen.»
Eichenberger, der heute in Frenkendorf lebt, wagte in den 1970er Jahren einen Abstecher in die Politik. Für die LDP war er mit erst 30 im Gemeinderat Riehen und im Grossen Rat in Basel. «Doch die Politik ist nichts für mich. Ich muss handeln können.» Nach ein paar Jahren verzichtete er auf eine weitere politische Karriere.
1993 beteiligte er sich an der Firma «Straumann Medizinaltechnik» und wurde in den Verwaltungsrat gewählt. Das Unternehmen entwickelte sich prächtig. 1999 verkaufte er seinen Anteil und machte etwas Aussergewöhnliches: nämlich gar nichts. «Davon träumen doch alle. Ich habe es mit 59 Jahren getan. Alle haben gedacht, ich sei nach zwei Monaten wieder zurück. Stattdessen war ich viereinhalb Jahre weg. Ich bin um die Welt gesegelt, habe viel gelesen und nicht gearbeitet.»
Zurück in der Schweiz blieb er nicht lange ruhig. Er hat zusammen mit Partnern die Camlog-Gruppe aufgebaut, die im Bereich Medizintechnik, insbesondere dentale Implantologie, tätig ist. Das Unternehmen zählt mittlerweile 370 Mitarbeiter in Deutschland und der Schweiz. Der Jahresumsatz beträgt rund 150 Millionen Franken. «In Deutschland sind wir Marktführer», freut sich Eichenberger.
Zahlreiche andere Firmen gehören ihm heute noch oder er ist daran beteiligt. So auch die Klinik «Alta Aesthetica» in Rheinfelden, die er gegründet und 2012 im ehemaligen Hôtel des Salines eingerichtet hat. Die Idee dazu kam ihm auf einer Japanreise im Gespräch mit einem befreundeten Medizinprofessor. «Wir sind noch in der Anfangsphase und schreiben noch keine schwarzen Zahlen. Das braucht noch zwei bis drei Jahre», sagt er gelassen.
Seit jungen Jahren interessiert sich Eichenberger für Kunst. «Mit 18 war ich an der Weltausstellung in Brüssel. Dort gab es einen russischen Pavillon, wo Werke von Künstlern gezeigt wurden, die man bisher im Westen noch nicht gesehen hatte. Die Bilder haben mich beeindruckt.» So wurde er zum Sammler. «Die Kultur bedeutet mir viel.» Eichenberger engagiert sich auch sozial. In Tansania finanziert er zusammen mit anderen die Sanierung eines Kinderspitals. «Ich hatte so viel Glück in meinem Leben. Ich möchte etwas zurückgeben.» Was ist sein grösster Erfolg? «Meine Kinder», sagt er ohne zu zögern. «Die Familie und die Freunde sind mir sehr wichtig. Ich nehme mir viel Zeit dafür und pflege die Freundschaften.» Sein jüngster Sohn aus zweiter Ehe ist 14 Jahre alt. «Er hält mich jung und fordert mich.»
Auch wenn sich Eichenberger langsam aus dem Geschäftsleben zurückzieht, denkt er noch lange nicht an Ruhestand. «Ich habe noch viele Ideen, die sich gar nicht alle in einem Leben verwirklichen lassen.» Es ist zu vermuten, dass er seine letzte Firma noch nicht gegründet hat.