Das Wohl seiner Schülerinnen und Schüler lag ihm am Herzen

  09.10.2021 Möhlin, Rheinfelden, Persönlich

Während 40 Jahren war Stefan Müller Lehrer an der Realschule

Die Begleitung seiner Schüler und Schülerinnen auf ihrem Weg war dem Realschullehrer Stefan Müller sehr wichtig. So hat ihn sein Beruf weit über den Stundenplan hinaus beschäftigt.

Janine Tschopp

«Ich habe viel von den Jugendlichen gelernt, und es war toll, sie in Richtung Lehrvertrag zu begleiten», sagt Stefan Müller. Stolz ist er besonders, wenn er im Restaurant von einem ehemaligen Schüler bekocht wird, oder wenn eine ehemalige Schülerin, die heute Malerin ist, seine Hausfassade streicht.

Sein Berufswunsch im Kindergarten ging in eine andere Richtung. Ursprünglich wollte Stefan Müller Bauer werden. Während eines halbjährigen Aufenthalts bei seinem Onkel im Seeland realisierte er, dass man als Landwirt mit Tieren sehr stark zu Hause angebunden ist, und es kaum möglich ist, als ganze Familie in die Ferien zu fahren. Die Teilnahme am kulturellen Leben wäre ebenfalls stark eingeschränkt. So ist dieser Berufswunsch wieder in den Hintergrund gerückt. Auch als Hochbauzeichner hätte sich Stefan Müller gesehen. Ihm wurde bereits ein Lehrvertrag versprochen, als sein zukünftiger Chef völlig unterwartet verstarb. Es war ein Schicksalsschlag, der dazu führte, dass Stefan Müllers beruflicher Weg in eine andere Richtung gehen sollte.

Ausschlaggebend für die Ausbildung zum Lehrer war vermutlich, dass er in jungen Jahren eine Primarschulklasse ins Skilager begleitete. Im April 1975 jedenfalls, er war damals 17-jährig, begann er die Lehrerausbildung am Seminar Wettingen mit diversen Praktika. Seine erste Realschulklasse übernahm er 1980 in Oftringen. «Mit dieser Klasse habe ich heute noch Kontakt. Ich werde alle fünf Jahre zur Klassenzusammenkunft eingeladen», erzählt Stefan Müller mit einem Strahlen.

Lehrer mit Leib und Seele
Später unterrichtete er in Wettingen, bevor er 1992 mit seiner Familie nach Rheinfelden zog und dort auch unterrichtete. Im Engerfeld-Schulhaus war er nicht nur als Realschullehrer, sondern auch im Rektorat tätig. «Unstimmigkeiten zwischen der Schulpflege und mir in Zusammenhang mit der KUF- Gründung führten dazu, dass ich gekündigt hatte», erklärt Stefan Müller. Er war der Meinung, dass die Kreisschule zu wenig stark auf die Bedürfnisse der Realschülerinnen und Realschüler ausgerichtet war. Als er später in Eiken unterrichtete und dieser und weitere Standorte in Zusammenhang mit der damaligen Kleeblatt-Initiative zu Gunsten einer Grossschule geschlossen werden sollten, setzte er sich wiederum stark für die Realschule ein. «In Grossschulen gehen Realschüler unter», ist Müllers Meinung.

Die letzten 14 Jahre unterrichtete Stefan Müller in Möhlin und ging diesen Sommer, zwei Jahre vor der offiziellen Pension, in Rente. Dass der Mann, der seinen Beruf leidenschaftlich gerne ausübte, vorzeitig in den Ruhestand ging, habe mehrere Gründe. «Mein Lehrer-Idealbild deckt sich nicht mit dem Lehrplan 21», nennt er einen Hauptgrund. Es sei eine neue Form des Unterrichtens, wo das Zwischenmenschliche aus seiner Sicht zu kurz käme. Da die klassische Klassenlehrer-Funktion wegfalle, bleibe mit dem Lehrplan 21 weniger Zeit für persönliche und individuelle Themen mit den Schülerinnen und Schülern.

40 schöne Berufsjahre
Stefan Müller schaut auf 40 schöne Berufsjahre mit vielen berührenden Momenten zurück. Er schätzte es sehr, dass er beim Lehrersein immer viel mit Menschen zu tun hatte. Sein Beruf war für ihn Berufung und beschäftigte ihn weit über den Stundenplan hinaus. Gerne «opferte» er auch einmal einen freien Mittwochnachmittag, wenn er wusste, dass diese Arreststunden für die Entwicklung der Schülerin oder des Schülers gerade hilfreich waren. So hat sein Lehrerberuf auch das Familienleben und die Freizeitgestaltung geprägt. «Ich habe es nie geschafft, die Schulthemen in der Schule zu lassen. Ein richtig unbeschwertes Wochenende gab es in dem Sinn nie.» Einmal nutzte er eine Weiterbildungsmöglichkeit des Kantons dafür, um während zehn Wochen die Herkunftsländer seiner Schülerinnen und Schüler zu bereisen. Die Tour durch Albanien, Kosovo, Mazedonien, Griechenland und Türkei absolvierte er mit dem Motorrad und nahm viele Eindrücke, auch in Bezug auf die Berufsmöglichkeiten für seine Schülerinnen und Schüler, mit nach Hause. «Das war eine wertvolle Zeit.»

In den 40 Jahren des Unterrichtens hat sich vieles verändert. So ist einerseits der administrative Aufwand im Laufe der Zeit immer grösser geworden. «Schülerinnen und Schüler sind heute stärker auf die eigene Person bezogen und können oder wollen weniger ‹durchbeissen› im Vergleich zu früher», sagt der langjährige Lehrer. In Bezug auf die Eltern meint er: «Früher haben sie uns öfters mal um Rat gefragt. Dies kommt nun seltener vor. Es gibt heute eher eine Tendenz, dass vereinzelte Eltern die Haltung haben, dass sie die Regeln der Schule festlegen», beschreibt Stefan Müller eine weitere Veränderung.

Dass in seiner letzten Klasse, die er in Möhlin unterrichtete, bei Schulabschluss alle einen Lehrvertrag haben, macht ihn sehr glücklich.

Der wohlverdiente Ruhestand
«Wunderbar» lautet die klare Antwort auf die Frage, wie sich Stefan Müller im Ruhestand fühlt. Er geniesst es, morgens in Ruhe die Zeitung zu lesen und die freigewordene Zeit nach Lust und Laune einzuteilen. Interessen hat er sehr viele. Eine seiner grösseren Leidenschaft sind Ausf lüge mit dem Motorrad. Gerne ist er aber auch mit dem Fahrrad oder joggend unterwegs. Auch auf dem Motorboot fühlt er sich wohl. «Als Bub habe ich gerne gefischt. Nun möchte ich die neuen Regeln kennenlernen und die SaNa-Prüfung machen.» Auch beim «Pilzeln» möchte er sein Wissen vertiefen.

Und dann geniessen er und seine Frau mindestens einmal pro Woche einen ganzen Tag mit ihrem Enkelkind. So sind es heute nicht mehr seine Schülerinnen und Schüler, sondern seine eigenen Nachkommen, die Stefan Müller in die Zukunft begleiten darf.


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