«Der Druck auf das Gesundheitssystem ist gross»

  17.03.2020 Fricktal, Rheinfelden, Gesundheit

Michael Kübler ist Hausarzt mit Schwerpunkt Komplementärmedizin. Er praktiziert seit fünf Jahren in Rheinfelden, zuvor war er acht Jahre in Frick tätig. Wie beurteilt er die aktuelle Corona-Krise?

Valentin Zumsteg

NFZ: Herr Kübler, was läuft derzeit in Ihrer Praxis wegen des Coronavirus?
Michael Kübler:
Die Leute sind stark verunsichert. Das betrifft nicht nur die Patienten, auch wir Ärzte müssen uns mit fast täglich neuen Bulletins des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) an die veränderten Vorgaben adaptieren. Die Einschätzung der Virologen, also der Fachleute auf diesem Gebiet, sind auch nicht einheitlich. Die Situation ist hochdynamisch. Bei uns hat die Anzahl der Patienten mit Erkältungserkrankungen nicht merklich zugenommen. Wir hatten weder einen Verdachtsfall noch einen bestätigten Corona-Kranken.

Verfügen Sie noch über genügend Schutzmasken in der Praxis?
Ja, selbstverständlich. Die sind bei uns nicht knapp geworden.

Haben Sie eine solche Situation schon einmal erlebt?
Seit ich praktiziere, habe ich so etwas noch nie erlebt. Die Eingriffe in die Freiheitsrechte und in das Wirtschaftsleben sind immens. Der Druck auf die politischen Entscheidungsträger und auf das Gesundheitssystem ist hoch. Ich kann mich nicht erinnern, dass es bei uns schon jemals so etwas gegeben hätte. Man versucht jetzt, die Ansteckungskurve abzuflachen, um das Gesundheitssystem nicht zu überlasten. Das ist derzeit die Devise.

Wie beurteilen Sie als Mediziner die aktuelle Lage?

Einerseits besteht ein berechtigtes Interesse, die besonders gefährdeten Menschen zu schützen. Dies gilt aber eigentlich nicht nur bei Ansteckung mit Coronaviren, welche ja schon lange bekannt sind als Auslöser von Atemwegserkrankungen, sondern auch bei Infektionen mit Influenzaviren. Auf der anderen Seite fragt man sich, ob die Eingriffe ins öffentliche Leben gerechtfertigt sind, wenn man die bisherigen Statistiken der Letalität, also die Sterberaten, anschaut.

Reagieren wir in der Schweiz hysterisch oder sind wir zu gelassen?
Ich meine, dass es in der Schweiz bislang verhältnismässig ist, um auf die zu erwartende Zunahme an behandlungs- oder sogar intensivpflegepflichtigen Patienten vorbereitet zu sein.

Viele Leute sind verunsichert. Was raten Sie Ihren Patienten?
Ich rate den Risikopatienten, zu Hause zu bleiben und Menschenmassen zu meiden. Sonst empfehle ich neben den allseits proklamierten Hygienemassnahmen, das Immunsystem zu stärken. An erster Stelle steht um diese Jahreszeit zum Winterausgang, wenn zirka 70 Prozent aller Menschen einen Vitamin D-Mangel aufweisen, die hochdosierte Einnahme (5000 i.E./Tag) von einem Vitam i n D/ K 2– Kom bi nat ion spräparat. Auch Vitamin C (mindestens 1 Gramm/Tag) und Zink (30 mg/Tag) sind hilfreich. Stress und Angst schwächen hingegen das Immunsystem. Deshalb ist die jetzige Verunsicherung kontraproduktiv. Die Leute sollten versuchen, ruhig zu bleiben, auf die Schlafhygiene und eine gesunde, vitalstoffreiche Ernährung zu achten. Wer dies berücksichtigt, stärkt sein Immunsystem. Das ist für alle sinnvoll. Ich möchte betonen, dass nicht alle erkranken, die mit dem Virus in Kontakt kommen.

Was tun Sie, wenn ein Patient anruft und Ihnen Symptome schildert, die auf das Virus hindeuten?

Eine Corona spezifische Symptomatik gibt es nicht, theoretisch kann jeder mit normalen Erkältungssymptomen (Husten plus Fieber) ein Überträger sein. Ich halte mich an die aktuellen Vorgaben des Bundesamtes für Gesundheit: Selbstisolation bis 24 Stunden nach Abklingen der Symptome. Ich triagiere am Telefon, wer wirklich behandlungsbedürftig ist und bestelle dann gegebenenfalls ein. Testen tue ich nach BAG-Vorgaben nur, wer eine hospitalisationswürdige Symptomatik aufweist, «Risikopersonen», «symptomatische» Personen, die im Gesundheitswesen beschäftigt sind sowie erkrankte Personen, die aus Risikogebieten kommen oder Kontakt zu einem bestätigten Fall hatten.

Was macht ein solches Virus psychologisch mit der Gesellschaft?
Durch die behördlichen Massnahmen ist das öffentliche Leben stark eingeschränkt. Es herrscht ein Klima der Verunsicherung. Wenn sich die Menschen ängstlich zurückziehen, dann ist das für ihre Immunkompetenz nicht sehr förderlich. Denn der menschliche Austausch ist für das psychische Wohlbefinden und auch das Immunsystem wichtig.

Wie wird es in den kommenden Wochen weitergehen, was erwarten Sie?
Ich rechne damit, dass sich das Virus weiter ausbreitet und das öffentliche Leben noch stärker eingeschränkt wird.

Zum Schluss: Sie haben mit vielen Patienten zu tun. Wie versuchen Sie selber, gesund zu bleiben?
Ich fahre täglich mit dem Fahrrad zur Arbeit, eine halbe Stunde hin und eine halbe Stunde zurück. Ich achte auf die Ernährung und ausreichend Schlaf. Auch das Aufgehobensein in der Familie oder im Freundeskreis ist für mich sehr wichtig.


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