Die Ernährung der Zukunft kam auf den Tisch

  05.11.2019 Brennpunkt, Rheinfelden, Fricktal

Wie kann die wachsende Weltbevölkerung ernährt werden? Braucht es eine intensivere Landwirtschaft oder heisst die Lösung Bio? Mit diesen Fragen beschäftigte sich die Diskussionsreihe «Fokus Fricktal». Das Interesse war gross.

Valentin Zumsteg

Auf den ersten Blick kommen die beiden Referenten aus sehr verschiedenen Welten: Da ist Regina Ammann, ehemalige Nationalrätin, die heute für die Öffentlichkeitsarbeit des Agrokonzerns Syngenta in der Schweiz zuständig ist. Auf der anderen Seite Urs Niggli, Direktor des Forschungsinstituts für biologischen Landbau (FiBL) in Frick. Eine Vertreterin eines Pflanzenschutz- und Saatgut-Konzerns und ein Vordenker auf dem Gebiet des biologischen Landbaus diskutierten also am vergangenen Mittwoch im Rahmen der Reihe «Fokus Fricktal» in der Stadtbibliothek Rheinfelden. «Wie sollen neun Milliarden Menschen satt werden – was kann das Fricktal dazu beitragen?», lautete das Thema des Abends. Gut 80 Leute verfolgten die beiden Inputvorträge und diskutierten anschliessend angeregt mit. Moderiert wurde der Abend von Gaby Gerber.

Eine Erfolgsgeschichte mit Schattenseiten
«Die moderne Landwirtschaft ist eine Erfolgsgeschichte. Sie kann eigentlich alle Menschen ernähren. Der Hunger auf der Welt hat eine andere Dimension», sagte Urs Niggli. Es sei der Landwirtschaft auch gelungen, auf einer gleichbleibenden Fläche immer mehr zu produzieren. «Die Leistung der konventionellen Landwirtschaft ist gewaltig. Sie hat aber ihre Schattenseiten wie zum Beispiel das Insektensterben, die Bodenerosion und der Rückgang der Biodiversität», erklärte Niggli. Es gelte dringend Lösungen zu finden, um wieder zu einer grösseren Artenvielfalt zurückzufinden. Hier könne der Biolandbau helfen. «Wir müssen das aber modern machen. Auch der Biolandbau braucht Innovationen», so Niggli, der sich technologiefreundlich äusserte. Man müsse die moderne Technik intelligent einsetzen. Doch auch er versprach keine Wunder: «Wir können nicht immer mehr produzieren mit weniger Umweltbelastung.» Hier brachte er die Suffizienz ins Spiel: «Wir müssen unseren Konsum einschränken, weniger Fleisch essen und die Lebensmittelverschwendung reduzieren.» Gelinge dies, könne die Weltbevölkerung durch biologischen Landbau ernährt werden, auch wenn dieser weniger Ertrag pro Fläche bringe. Aktuell liege der Anteil der Biolandwirtschaft in der Schweiz bei 15 Prozent, in Österreich bei 25 Prozent und weltweit bei 1,4 Prozent. Wenn bei billigen Lebensmitteln die Umweltkosten draufgeschlagen würden, dann wären die Bioprodukte plötzlich die günstigeren, ist Niggli überzeugt. «Die wichtigste Ressource, die wir haben, ist unser Hirn», sagte er abschliessend.

«Mehr Forschung ist nötig»
Auch Regina Ammann von Syngenta sieht die Landwirtschaft vor grossen Herausforderungen. «Bis 2050 müssen 60 Prozent mehr Nahrung produziert werden, um die Bevölkerung zu ernähren. Die Weltbevölkerung wächst schneller als die Produktivität.» Aus ihrer Sicht sind Innovation und Technologiefortschritt unabdingbar, damit die Landwirtschaft nachhaltiger wird. «Wir müssen die Produktivität erhöhen, den ökologischen Fussabdruck der Landwirtschaft verringern und den Wohlstand in den ländlichen Gemeinschaften vergrössern», so Ammann. Dazu sei Forschung nötig. Heute stehe die Gesellschaft neuen Entwicklungen häufig sehr kritisch gegenüber. «Die Stimme der Wissenschaft ist essentiell. Ich wünsche mir Beweise und Messungen statt Meinungen.» Politische und finanzielle Entscheide sollten wissenschaftlich fundiert sein. In dieser Frage herrschte Übereinstimmung zwischen den Referenten. Es gab aber auch Gegensätze: «Syngenta produziert private Güter, um den Umsatz und Gewinn zu steigern. Wir sind an öffentlichen Gütern wie sauberes Wasser, gesunden Böden und zufriedenen Bauern interessiert», meinte Urs Niggli. Regina Ammann betonte, dass auch bei Syngenta Bioforschung betrieben werde und die Firma einige biologische Produkte auf dem Markt habe. In einigen Bereichen arbeiteten der Konzern und das FiBL sogar zusammen. Das passte zur Aussage von Niggli: «Es gibt nicht nur Schwarz und Weiss, da die Guten und dort die Bösen. Es braucht ein Miteinander.»

Anschliessend nutzte das Publikum die Gelegenheit, um angeregt mitzudiskutieren. Themen waren dabei unter anderem das Insektensterben, der wirkungsvolle Kampf gegen den Hunger und die Rolle der Konsumenten in der westlichen Welt.


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