Hausärzte beklagen Missstände im Stadelbach

  06.06.2019 Brennpunkt, Fricktal, Möhlin

Ein Hausarzt ist aufgrund von Missständen im Wohn- und Pflegezentrum Stadelbach in Möhlin nicht mehr bereit, seine Patienten vor Ort zu betreuen. Auch weitere Hausärzte bemängeln den Betrieb. Die SP Möhlin weist ebenfalls auf Probleme hin.

Valentin Zumsteg

«Ich kann das nicht mehr verantworten», erklärt Hausarzt Hagen Scheerle von der Möhliner Praxis Oberdorf. Seit Januar 2017 hatte er Patientinnen und Patienten im Wohn- und Pflegezentrum Stadelbach betreut. Seit April dieses Jahres tut er dies nicht mehr. Auslöser war ein Vorfall im vergangenen Jahr. Eine Person, die im Zentrum wohnt, hat sich bei einer Umlagerung verletzt. Hausarzt Scheerle wurde zwar informiert – doch über Fax und an einem Donnerstagnachmittag, als die Praxis geschlossen war. «Dies hatte zur Folge, dass die Person während über 24 Stunden mit einem mehrfach gebrochenen Arm im Bett lag, bevor sie behandelt wurde. Das Notfallmanagement hat nicht funktioniert», so Scheerle. Er sprach die Stadelbach-Führung auf den Vorfall an und verlangte Einsicht in die Notfallplanung. Diese wurde ihm nicht gewährt, wie er schildert.

«Die Versorgung ist nicht so, wie sie sein sollte»
Im vergangenen November gab es ein Gespräch mit den Verantwortlichen des Stadelbachs, das Scheerle als wenig konstruktiv empfand. Am Problem hat sich aus seiner Sicht nichts geändert. Aus diesem Grund zog er im April die Konsequenzen und informierte seine Patienten, dass er sie nicht mehr vor Ort im Stadelbach betreuen werde, sondern nur noch in der Praxis. «Die Versorgung der Bewohner ist nicht so, wie sie sein sollte», erklärt Scheerle. Das Problem sieht er auf der Führungsebene, nicht bei den Pflegerinnen und Pflegern. Auch andere Hausärzte, mit denen die NFZ gesprochen hat, bestätigen Missstände.

Die SP Möhlin ist in dieser Sache aktiv geworden. Sie hat im April einen Brief an die Gemeinderäte aller am Stadelbach beteiligten Gemeinden geschickt. Die Partei weist daraufhin, dass Dr. Scheerle «aufgrund von Missständen im Pflegebereich» bis auf weiteres nicht mehr bereit sei, seine Patienten im Stadelbach zu betreuen. «Auch die Zusammenarbeit des Stadelbachs mit mehreren anderen Hausärzten der Region war und ist teilweise mangelhaft und verbesserungsbedürftig», hält die SP fest. Es gibt weitere Kritikpunkte: Der ständige Mangel an Pflegezeit zehre übermässig an den Kräften der langjährigen engagierten Angestellten. Dies sei mitverantwortlich für den Personalmangel. «Dieser Zustand muss im Interesse der Bewohner und der Angestellten korrigiert werden», schreibt die SP. Damit noch nicht genug: «Der Umgang von Führungspersonen mit Kritik und der respektvolle Umgang mit Angestellten ist mangelhaft und verbesserungsbedürftig.»

Die Verantwortlichen des Stadelbachs bestätigen den Vorfall vom vergangenen Jahr: «Das Notfallmanagement hat insofern nicht funktioniert, dass die Pflegefachperson den Fax an den Arzt an einem Donnerstag nach 12 Uhr mittags abgeschickt hat und daher ist der Arzt erst am Freitagmorgen erreicht worden», schreiben Alfred Sutter, Präsident des Vereins «Wohnen im Alter Möhlin», und Judith Dominguez, Leiterin des Stadelbachs, in einer Stellungnahme gegenüber der NFZ. «Der Arzt selbst war nicht vor Ort und die anderen behandelnden Ärzte haben keine Unregelmässigkeit festgestellt. Der Hausarzt wurde von uns gebeten, Anzeige zu erstatten, sollte er einen begründeten Verdacht einer Pflichtverletzung haben, damit dieser Fall offiziell untersucht wird. Das hat er nicht getan», heisst es weiter. «Es ist auch korrekt, dass er keine Hausbesuche mehr im Stadelbach macht. Die Zusammenarbeit mit dem Pflegedienst bleibt aber unverändert bestehen. Von andern Ärzten haben wir keine entsprechenden Rückmeldungen.» Die Zusammenarbeit zwischen Belegärzten und Institutionen sei nicht immer einfach. «Sowohl die Hausärzte, als auch die Pflegenden stehen unter Zeitdruck, das kann zu Konflikten führen. Schwierigkeiten lösen wir im interdisziplinären Gespräch», schreiben Sutter und Dominguez.

Umfrage durch externe Firma
Der Kritik der SP an den Führungspersonen wird entgegengehalten, dass im Zusammenhang mit dem kantonalen Qualitätsreporting regelmässige Umfragen durchgeführt werden. «In der letzten Umfrage haben die Führungspersonen sehr gute Rückmeldungen erhalten», betonen Sutter und Dominguez. «Zudem haben wir vor rund einem Monat eine externe Firma damit beauftragt, die Bewohnenden, deren Angehörige, das Personal und die freiwilligen Mitarbeitenden zur Situation im Stadelbach zu befragen. Die Fragebögen werden Ende dieser Woche verschickt und die Resultate aus dieser Befragung werden gegen Ende Juli erwartet.»


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