Der schlimmste Ittenthaler wurde 1835 geköpft

  28.09.2017 Aargau, Kaisten, Nordwestschweiz, Kultur, Oberes Fricktal, Ittenthal, Ausflüge

von Simone Rufli

 

Es war ein Fricktaler, der Rheinfelder Scharfrichter Mengis, der anno 1835, auf einem Platz ausserhalb von Baden, dem gebürtigen Ittenthaler Peter Johann Welti, den Kopf mit einem gekonnten Schwerthieb vom Körper trennte und damit einem jahrelangen unheilvollen Treiben ein Ende setzte. Welti hatte zuvor wiederholt Postkutschen auf der Fahrt von Aarau nach Zürich überfallen und das Geld geraubt. Doch damit nicht genug. Der ausgebildete Theologe und Pfarrer von Wohlenschwil bei Mellingen hatte – weil das Geld aus den Raubzügen nicht reichte, um seine Schulden zu tilgen – mehrfach versucht, das Pfarrhaus abzubrennen, dabei zahlreiche Menschen obdachlos gemacht und den Tod eines Knaben verursacht. Alles in der Hoffnung, von der Gebäudeversicherung viel Geld einstreichen zu können. Eine berechtigte Hoffnung, hatte doch Kaiserin Maria Theresia 1760 dafür gesorgt, dass die Breisgauer Feuer-Assekuranz eingeführt wurde. Der Aargau war denn auch der erste Schweizer Kanton, der die Gebäudeversicherung flächendeckend eingeführt hatte. Doch zurück zu Peter Johann Welti. Er war am 1. November 1799 in Ittenthal «von rechtschaffenen Eltern geboren und als deren Liebling mit besonderer Sorgfalt auferzogen worden», wie Linus Hüsser zu berichten wusste.

Rund 35 Personen, einige aus dem Ortsteil Kaisten, hatten sich am Dienstagabend auf Einladung der CVP vor der «Sonne» versammelt, um zusammen mit Linus Hüsser zu einem geführten Rundgang durch Ittenthal aufzubrechen. Wo heute das Dorf steht, war lange Zeit Wald. Und zwar noch zu einer Zeit, als die Rheinebene schon urbar gemacht war und Kaisten durch die Alemannen schon besiedelt war. Während der ersten Phase der alemannischen Landnahme (5./6. Jahrhundert n.Chr.) entstanden unter anderem Effingen, Elfingen und Gansingen, in der ersten Ausbauphase Dörfer mit der Endung –ken wie Ueken und Eiken. Erst in der dritten Ausbauphase der alemannischen Landnahme (11./12 Jht.) entstanden Siedlungen mit der Endung –thal. Apropos Thal. Bis zur Rechtschreibereform nach dem 1. Weltkrieg folgte auf ein T konsequent ein H, dann verschwand das H – in Ittenthal aber blieb es. Besiedelt wurde Ittenthal vom Kloster Säckingen, das erst 1780 zugunsten der Habsburger auf seine Macht verzichtete. Ab 1720 war Ittenthal eine eigene Vogtei. Die Gesellschaft war klar abgestuft. Um 1780 lebten 8 Vollbauern (Besitzer von vier Kühen), 12 Halbbauern (2 Kühe) und 9 Viertelbauern (1 Kuh) im Dorf. In Kaisten zählte man dagegen 47 Vollbauern, 6 Halbbauern und 71 Viertelbauern. Bei der ersten kantonalen Volkszählung anno 1803 zählte Ittenthal 171 Personen, Münchwilen 168, Olsberg 152, Schwaderloch 175. Zwischen 1800 und 1837 wuchs die Bevölkerung im Kanton Aargau um 52 Prozent, bis 1850 gar um 68 Prozent. Eine Entwicklung, die auch vor Ittenthal nicht Halt machte. Im Jahre 1837 zählte Ittenthal 242 Personen. Die Bevölkerungsexplosion hatte zur Folge, dass nicht mehr alle ernährt werden konnten, was dazu führte, dass in jenen Jahren viele Menschen das Land verliessen und ihr Glück anderswo suchten.

 

War es im 19. Jahrhundert der Hunger, der die Bevölkerung plagte, war im 18. Jahrhundert das Feuer verantwortlich gewesen, dass ganze Ortsteile im Fricktal niederbrannten. So geschehen in Gansingen oder im Fricker Oberdorf. Schuld daran waren die vielen Holzhäuser mit Strohbedachung. Das war denn auch der Grund, weshalb Maria Theresia Ziegeldächer forderte und ein Erdgeschoss aus Stein. Linus Hüsser führte die Gruppe zum einzigen Haus im Dorf, das ein Gerüst aus Holz aufweist, ein sogenannter Ständerbau. Interessantes wusste er auch zum Schulhaus aus dem Jahr 1843 zu berichten. Der ganze Bau kostete damals 3629 Franken. Der Jahreslohn eines Lehrers betrug anno 1843 ganze 75 Franken. Weiter ging es zur Kirche, deren erster Bau, eine Kapelle, am 23. Januar 1706 eingeweiht worden war, am Tag von Mariä Vermählung. Ein Gemälde in der Kirche mit Maria und Josef mit dem blühenden Lilienstab erinnert an dieses Datum und daran, wie Ittenthal zu seinem Wappen kam. Auf dem Weg von der Kirche zurück zur Sonne machte Hüsser auf die Schiessscharte an einem Wohnhaus aufmerksam. Sie war Teil einer Befestigungsanlage aus dem 2. Weltkrieg, die dazu diente, die Flanken und das Aaretal vor einem deutschen Einfall zu schützen.

 

 

 

 

 


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