Ein Experte für antike Möbel

  28.04.2017 Kunst, Sulz, Laufenburg, Nordwestschweiz, Oberes Fricktal

Von Dieter Deiss

Er gilt in der Region und weit darüber hinaus als Fachmann in Sachen antiker Möbel, der 66-jährige Walter Schraner aus Rheinsulz. Seit nunmehr bald vierzig Jahren führt er im Einmannbetrieb die in Insiderkreisen bestens bekannte Antikschreinerei. Damals, im Jahr 1978 übernahm er den Betrieb von seinem Vater Ernst. Es war die Zeit der Boom-Jahre für alles Antike: «Man riss uns damals unsere Produkte förmlich aus den Händen», erzählt Walter Schraner. «Zu Beginn dieses Jahrhunderts liess dann aber das Interesse stetig nach, die Preise fielen in den Keller. Heute könnte ich nicht mehr von meiner Arbeit leben», erzählt der unterdessen ins Pensionsalter eingetretene Antikschreiner.

Der Vater war der Lehrmeister

«Mein Vater animierte mich zur Übernahme des Betriebs», erzählt Walter Schraner, der damals in der Sulzer Schreinerei Weiss arbeitete: «Die Umstellung gewissermassen von der Moderne in die Antike, verlangte mir einiges ab. Mein Vater war mir aber ein guter Lehrmeister. Er lehrte mich die alten Techniken, wie beispielsweise die speziellen Möbelkonstruktionen.»

Als der Platz für das junge Unternehmen allmählich knapp wurde, errichtete Walter Schraner 1991 einen Neubau. Um die Betriebsabläufe in der bisherigen Werkstätte, einer alten Militärbaracke, nicht zu stören, fand er eine ganz einfache Lösung: Der Neubau wurde über die alte Baracke errichtet, ohne diese vorher abzureissen. Dabei ist es bis heute geblieben. Der Kern der Werkstätte ist folglich ein Haus im Haus, lediglich das Dach wurde aufgebrochen, um den Boden des Obergeschosses einzubauen.

Viel Handarbeit

Walter Schraner führt uns zunächst in den weiss gekachelten Ablaugraum. Mittendrin stehen zwei alte Kästen. Sie machen einen eher «nackten» Eindruck, fehlen doch sämtliche Beschläge, das rohe Holz ist sichtbar, etliche Stellen sind defekt. Die Möbel, die oftmals mit dunkler Farbe gestrichen wurden, an denen aber auch der Schmutz von Jahrhunderten klebt, werden mit Lauge angestrichen, danach mit Hochdruck abgespritzt. Um sämtliche Farbreste zu entfernen ist zumeist ein zweiter Arbeitsgang nötig. Furnierte Möbel werden nach dem Einlaugen von Hand mit der Spachtel abgestossen und anschliessend mit Verdünner gereinigt.

Nun erst kommt der Schreiner zum Zug. Zum Teil müssen die Möbel zerlegt werden, damit einzelne Teile repariert oder ergänzt werden können. Da steckt, wie übrigens auch bei allen übrigen Arbeitsgängen, ausserordentlich viel Handarbeit dahinter. Die Arbeit muss so ausgeführt werden, dass man die Flickstellen möglichst nicht sehen kann. Dafür wird ebenfalls altes Holz benötigt, das nicht selten von Möbeln stammt, wo eine Restauration nicht mehr möglich ist. Zwischenzeitlich wurden auch die rostigen, teils defekten Beschläge wieder auf Vordermann gebracht. Fehlende Beschläge werden nach Möglichkeit aus der grossen, eigenen Sammlung ergänzt. Notfalls müssen diese auch zugekauft werden. Interessant übrigens: Für die Verleimung der einzelnen Holzstücke verwendet Schraner den seit alters her bekannten Glutinleim, ein Warmleim, der aus Tierknochen und -häuten hergestellt wird.

Abschliessend wird alles geschliffen und wenn nötig aufgehellt, gebleicht, gebeizt und mit Lack, Öl oder Wachs behandelt. «Die Oberflächenbehandlung ist das A und O jeder Restauration», erzählt Schraner.

 

Eine Fundgrube für alte Möbel

Über eine Treppe erreichen wird das Obergeschoss des Neubaus. Hier erwartet uns ein riesiges Lager von alten Möbeln, vom Stuhl, über Tische und Kommoden bis hin zu grossen Truhen und Schränken. Sie alle haben grössere und kleinere Schäden, sind zumeist dunkel und verschmutzt. «Selber war ich nie aktiv auf dem Handel», erzählt Walter Schraner, «die Möbel wurden mir jeweils angetragen.» Die ältesten Möbel, die hier oben auf eine Restauration warten, sind Kästen, die um 1800 herum hergestellt wurden. Noch älter sind zwei Truhen von zirka 1700.

Schraner hatte übrigens vor der Realisierung des Neubaus in der ehemaligen Mühle von Leidikon ein Warenlager. Hier wurde ihm nebst anderen kostbaren Stücken eine über 400 Jahre alte Truhe gestohlen. «Das Diebesgut wies damals klar darauf hin, dass hier «Fachleute» am Werk gewesen sein mussten», erzählt Schraner.

«Früher war die Herstellung von Möbeln eine echte Wertschöpfung», erzählt der Antikschreiner. Der Bauer oder der Gutsherr, der einen neuen Kasten benötigte, stellte dem Störschreiner das benötigte Holz zur Verfügung. Der Störschreiner erhielt nebst der Verpflegung einen bescheidenen Lohn. Vermögende Leute liessen sich Möbel aus Nussbaum- und Kirschholz anfertigen, während sich Leute in bescheideneren Verhältnissen ihre Möbelstücke aus gewöhnlichem Tannenholz herstellen liessen. Diese wurden dann von einem Maler, oftmals aber auch direkt vom Schreiner kunstvoll maseriert.

Der Abschluss unseres Rundgangs führt uns noch in die «Fertigabteilung». Hier warten Prachtstücke auf einen Käufer. So beispielsweise ein hoher Kasten aus massivem Nussbaumholz. Dahinter steht ein mit Bauernmalerei verzierter Schrank mit der Jahrzahl 1871, dessen Malerei freilich aus jüngerer Zeit stamme. Manchmal sieht sich der Antikschreiner aber auch genötigt, ein teilweise zerstörtes Möbelstück nach eigenem Ermessen zu ergänzen. Sehr schön sieht man dies an einem vermutlich aus südlichen Gefilden stammenden Kästchen. Hier hat er auch niedliche Schublädchen eingesetzt, selbstverständlich mit Hilfe von echten Zinken-Schwalbenschwanzverbindungen.

 

67 Kirchenbänke restauriert

Walter Schraner wurde auch stets bei grösseren Restaurierungsarbeiten beigezogen. So sanierte er bei der Restauration der Niklaus-Kapelle in Leidikon die Bänke und den hölzernen Boden. In der Margareten-Kapelle in Rheinsulz war er bei deren Restauration zuständig für die Reinigung und Reparatur der Bänke und der Türe. Etliche der im Museum «Schiff» ausgestellten Schränke wurden von Schraner wieder auf Vordermann gebracht. Den grössten Auftrag in seiner geschäftlichen Laufbahn hatte er freilich in der Laufenburger Stadtkirche auszuführen. Bei deren Renovation im Jahre 2001 übertrug man ihm die Restauration aller 67 Bänke. Er zerlegte diese, führte sie etappenweise in seine Werkstätte nach Rheinsulz. Die Sitzbänke mussten von 30 auf 35 Zentimeter verbreitert werden, die Winkel der Kniebänke wurden erträglicher gestaltet und bei allen Bänken wurde ein Kanal für das Ablegen der Kirchenbüchlein angebracht, anschliessend neu verleimt und wieder montiert.

 

Etwas gemütlicher

Heute nimmt es Walter Schraner etwas gemütlicher: «Ich bin ja schliesslich pensioniert!» Morgens trifft man ihn trotzdem zumeist noch in seiner Werkstätte an. Den Nachmittag verbringt er dann oft auf dem Velo oder auf einem Gang durch die nahe Natur.


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