Eine unterirdische Welt: Ein Besuch in der GOPS in Laufenburg

  09.07.2016 Aargau, Sulz, Laufenburg

Von Susanne Hörth

Etwas versteckt in der Parkanlage des Spitals Laufenburg befindet sich die Treppe, die zur Asylunterkunft hinunterführt. Schwülwärme schlägt einem im Innern entgegen. Im ersten Moment fällt das Einatmen schwer. Die stickige Luft ist gesättigt von nicht definierbaren Essensgerüchen. Von süsslich bis würzig-scharf. «Die Leute kochen alle selber.  Jeder ist Selbstversorger und das ist gut so», erklärt später Fehmi Lestrani von der Betreuungsfirma ORS. Gemeinsam mit seinem Team betreut er die Asylsuchenden in der Geschützten Operationsstätte (Gops) in Laufenburg. Seit November betreibt der Kanton Aargau hier eine Unterkunft für bis 90 Asylsuchende. Rund 60 junge Männer aus verschiedenen Nationen – vorwiegend aus Eritrea, Afghanistan, Sri Lanka und dem Sudan – leben hier zurzeit gemeinsam. Manche haben sich schon vor der Unterbringung in Laufenburg gekannt, die meisten lernten sich erst hier kennen. Der Alltag ist geprägt von diesem Kennenlernen über die Sprachgrenzen, Hautfarben, Religionen und der eigenen Schicksalsgeschichten hinaus.

Es ist überraschend hell in der unterirdischen Anlage. Kein Tageslicht. Fenster gibt es nicht. Die Helligkeit wird durch Lampen verbreitet. Aber auch durch die weissen, teils mit bunten Mustern bemalten Wände. Lange, schmale Gänge zweigen immer wieder ab in Zimmer, durch die man dann in andere Zimmer gelangt. Platz gibt es nicht wirklich viel, es ist eng.

Es ist auch sehr ruhig an diesem Sommernachmittag in der GOPS. Auf den Gängen unterhalten sich ein paar Männer, leise und unaufgeregt. Die Journalistin, aber insbesondere ihre Begleiterin, Regula Laux von der Laufenburger IG Asyl, werden freundlich begrüsst. «Guten Tag, wie geht es», ist immer wieder in gebrochenem, aber gut verständlichem Deutsch zu hören. «Einige von ihnen haben in den Monaten, in denen sie hier sind, schon sehr gut Deutsch gelernt. Sie besuchen verschiedene  Deutschkurse,  ein wichtiger Einsatzbereich der IG Asyl», sagt Regula Laux. Hauptsächlich werde aber Englisch gesprochen, erklärt Fehmi Lestrani. In den Gruppen die sich vorwiegend aus Landsleuten bilden, ist meistens einer dabei, der Englisch spricht und damit zum Übersetzer für die anderen wird.

Im Raum vor der Küche sitzen zwei junge Männer am Tisch und essen. «Sie kochen in ihren Gruppen  gemeinsam. So, wie sie sich auch beim Einkaufen in den jeweiligen Gruppen untereinander organisieren», sagt Lestrani. Einkaufen, kochen, gemeinsam essen, abwaschen und Küche putzen nimmt schnell drei, vier Stunden in Anspruch. Das gibt eine gewisse Struktur an einem Ort, an dem sehr viel Zeit mit dem Warten auf den Asylentscheid zugebracht wird.

 

Struktur im langen Alltag

Wie wichtig die Beschäftigung ist, darauf weist Regula Laux an diesem Nachmittag immer wieder hin. Beschäftigung bieten die freiwillig Engagierten der IG Asyl nicht nur im  Treffpunkt im ehemaligen «Schützen». Im Sinne einer niederschwelligen Integration können die Laufenburger Asylsuchenden am Gartenprojekt an der Bahnlinie, in der Fitnessgruppe, bei den Sprachkursen, an den Jam-Sessions mit verschiedenen Instrumenten  und bei einigem mehr teilnehmen. Dass die Angebote von den Männern gut genutzt werden, beweisen die Teilnehmerlisten an den Wänden in der Gops. Viele Namen stehen da.

Ein junger Mann, Ahmad, steht im Waschraum. Eine grosse Industriewaschmaschine läuft im Hintergrund. Ahmad lächelt freundlich, sagt guten Tag und bügelt weiter ein weisses, grosses Leintuch. In diesem Raum ist es noch heisser als im Rest der Unterkunft. Ahmad wischt sich mit dem Handrücken die Schweissperlen von der Stirn und lächelt wieder. Ein wenig entschuldigend, ein wenig traurig. Der Afghane hat in seinem Heimatland nie gebügelt, hier hat er es gelernt. Für einen anderen Asylsuchenden, Bashir, der in Afghanistan ein erfolgreicher Fotograf war und dessen Kamera die Flucht nicht überstanden hat, fand sich hier in der Schweiz eine gebrauchte Nikon mit verschiedenen Objektiven.  Stolz zeigt er die gemachten Fotos. Viele davon sind in der Laufenburger Badstube entstanden. Noch mehr Aufnahmen zeigen seine Gops-Mitbewohner: es sind einfühlsame, sensible Porträts.

Jeweils 20 Betten sind zweistöckig in den schmalen Zimmern mit Metallschränken an den Wänden untergebracht. Die Journalistin unterlässt es, hier reinzugehen. Es ist ein ganz kleines Stück Privatsphäre, das hier die Männer auf wenigen Quadratmetern haben. Die gilt es zu respektieren. Draussen im geschützten Innenhof sind Festbankgarnituren aufgestellt. Gefestet wird nicht, aber der Ort wird gerne genutzt, um sich an der frischen Luft zu unterhalten. Die Männer sind hier nicht gefangen, sagt Fehmi Lestrani. Sie können kommen und gehen. Lestrani macht aber auf die Einhaltung der Regeln aufmerksam. Eine davon ist die für die Asylsuchenden geltende sensible Zone  beim benachbarten Altersheim. Eine nicht zu überschreitende Grenze besteht auch zum nahen Deutschland. Aber auch Umgangsformen, sich korrekt Benehmen, gesetzliche Vorschriften und vieles mehr gehören zu diesen Regeln.

Unbekanntes, Fremdes löst Unsicherheiten und Ängste aus, die nur durch persönliche Erfahrungen, durch gegenseitiges Kennenlernen abgebaut werden können. Die Freiwilligen der IG Asyl wünschen sich deshalb,  dass viel mehr Einheimische in den Treffpunkt im Schützen kommen, an den Begegnungen und Anlässen teilnehmen oder sich in den verschiedenen Gruppen engagieren.   

 

Zahltag

Mittwoch ist «Zahltag». Die Männer holen sich an der Theke vor dem Büro des Betreuungsteams 70 Franken ab. «Die Asylsuchenden haben pro Tag 10 Franken zur Verfügung», sagt Fehmi Lestrani. Mit dem gemeinsamen Einkaufen in den jeweiligen Gruppen, wird dieses Geld möglichst gut eingeteilt. Manchmal klappt das gut, manchmal weniger. Mehr gibt es nicht. Unterstützung in Form von Kleidung und sonstigen Alltagsdingen bekommen die Leute  auch von der IG Asyl. Fast alle in der Gops haben ein Smartphone. «Wir haben hier Wlan», so Lestrani. Ein Luxus? Nein, sagt der Betreuer. Es ist die einzige Möglichkeit der Männer, Kontakt zu ihren Angehörigen und Freunden in den Heimatländern zu haben.

«Bye, tschüss, auf Wiedersehen.» Freundlich werden die Besucher verabschiedet. Die stickige Luft in der GOPS ist draussen schnell vergessen. Nicht aber die temporäre Schicksalsgemeinschaft, die diesen unterirdischen Ort mit Leben erfüllt.


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