Eine Existenz, die auf Symbiose setzt

  20.08.2015 Möhlin, Persönlich, Porträt, Unteres Fricktal

Von Beat Geier

«Die Trüffel orientieren sich nicht am politischen System», schliesst Zoran Martinovic seine Aufzählung der Orte, an denen die begehrten, meist schwarzbraunen und weissen Pilzknollen gedeihen. In Serbien, in Kroatien, Istrien und Südungarn bis nach Rumänien aber auch in der Türkei würde nach den Trüffeln gegraben.

Eine Jugend in Titos Jugoslawien

Geboren wurde Zoran Martinovic im Städtchen Cuprija, rund 140 Kilometer südlich von Belgrad als Sohn eines Automechanikers und Chauffeurs und einer Mutter, die Elektrikerin war. Aufgewachsen ist er im Kreis von Tanten, einer Grossmutter aus Tessaloniki und einem Grossvater, der ein solch feines Gespür für die Trüffel hatte, dass er ohne Hund suchte.

«Es war ein gutes Leben. In Jugoslawien wurde uns die Krankenkasse vom Staat bezahlt, jeder hatte Arbeit», lässt Zoran Martinovic seine Gedanken in die 60-er Jahre schweifen. Er entsinnt sich seiner Schulzeit, speziell der Sommerferien, während derer ihn sein Vater auf seine Fahrten als Chauffeur für eine grosse Zuckerfabrik im Lastwagen durchs ganze Land mitnahm. Schon in der Kindheit half er ihm mit den Bienenvölkern, die sie in Cuprija am Morawa-Fluss hielten. «Übrigens gibt es dort weisse Trüffel», entfährt es ihm spontan, wie so oft, wenn er auf eine Gegend zu sprechen kommt.

Jurist und Jäger

Denn Zoran Martinovics Vater war auch Imker, hat gejagt, gefischt und Pilze gesammelt. «Wir hielten über hundert Bienenvölker», erinnert er sich stolz. In seiner Gymnasialzeit begann er auch Wasserball zu spielen. Im selben Schwimmbad, in welchem sie gespielt hatten, trainierte die jugoslawische Nationalmannschaft. Auch heute noch gehört die serbische Nationalmannschaft zu den stärksten. Zoran Martinovic rechnete beim Interviewtermin damit, dass sie die Weltmeisterschaft für sich entscheiden, inzwischen ist Serbien im Endspiel gegen Kroatien 11 zu 4 als Weltmeister im Wasserball hervorgegangen.

Und er befasste sich mit den Trüffeln auch wissenschaftlich. So richtete er sich im Haus seiner Eltern ein kleines Labor ein, begann zu mikroskopieren und machte Bodenanalysen. Er wollte verstehen, weswegen an gewissen Orten die Trüffel gedeihen und an anderen nicht.

Gleich seinem Vater begab er sich auf die Pirsch. In den Wäldern um Cuprija jagte er Wölfe, Wildschweine, Füchse und Schakale, in Bosnien konnte man auch auf Bären treffen. Einmal hatte er einen Wildschweinkeiler aus der Ferne nur angeschossen. Dieser wurde wild, bewegte sich aufs Dorf zu, wohin er ihm folgte. Unvermittelt sah er sich dem Keiler in fünf Meter Distanz gegenüberstehen. Das Tier setzte zum Sprung an und aus Martinovics Gewehr löste sich ein Schuss. Verkehrt rittlings fand er sich auf dem Wildschwein wieder, das ihm – tödlich getroffen –zwischen die Beine geglitten war. Erst da wurde er sich gewahr, dass sich Schaulustige um ihn gesammelt hatten, die dem Showdown im Dorf gespannt beigewohnt hatten. Hätte er damals danebengeschossen, es müsste ein anderer heute seine Geschichte erzählen.

Nach dem einjährigen Militärdienst in Slowenien absolvierte Zoran Martinovic sein Studium als Jurist und arbeitete auf der Gemeinde von Cuprija.

In der Schweiz

Zoran Martinovic ist verheiratet und hat zwei Kinder. 1990, noch vor dem Krieg, zogen sie von Serbien an die Vogesenstrasse im Basler Sankt Johann-Quartier. Hier kamen seine Kinder zur Welt, die heute beide studieren. Seit 2007 hat Zoran Martinovic den Schweizer Pass. «Ich war alles hier», lacht er: «Im Rheinhafen in Basel habe ich oben auf dem Kran und unten in den Frachtschiffen gearbeitet. Ich arbeitete auf dem Bau, war Lagerist, Monteur, Chauffeur und in Reinach Koch.» Als Möbelmonteur baute er Wasserbetten zusammen. Einzig seinen Beruf als Jurist darf er nicht ausüben, da man in der Schweiz seinen jugoslawischen Abschluss nicht anerkennt.

«Erst in der Schweiz begann ich Kurse für Gruppen anzubieten, veranstaltete Wanderungen, mit und ohne anschliessendes Trüffelessen», beschreibt Zoran Martinovic seinen Gang in die Selbstständigkeit. Inzwischen blickt er auf über 40 Jahre Erfahrung im Trüffelsuchen zurück. Heute bietet er mit seinem eigenen Unternehmen Trüffel Martinovic Kurse  im Trüffelsuchen, hausgemachte Trüffelprodukte und die Dressur von Trüffelhunden an.

Wer alles nimmt, hat bald nichts mehr

«Ich bin nicht allergisch gegen Geld», sagt Martinovic schmunzelnd, «aber die grösste Belohnung nach einem Kurs ist der Applaus der Teilnehmenden für mich und meine Hunde.» Die Hunde. Zoran Martinovic hat ihrer drei: Den weissen Spitz Snoopy, und die beiden Jack Russel Terrier Bucko und Beli, was übersetzt der Mollige und der Weisse bedeutet. Sowohl bei der Wahl der Rassen, wie auch was die Preise der Hunde betreffe, gehe es vielen ums Prestige: «Ich bilde jeden Hund zu einem guten Trüffelhund aus, aber Temperament muss er haben», lässt Zoran Martinovic dem Gewese ums Prädikat Trüffelhund die Luft raus.

Wer glaube, dass mit der Trüffelsuche reich werden könne, der irre. Der Trüffel ist ein Pilz, der in Symbiose mit Buchen und Linden, mancherorts auch mit Gräsern gedeiht. Viele Anfänger würden den Fehler machen, viel zu oft an ihre Plätze zurückzukehren und nichts zurückzulassen. Die besten Plätze bleiben deswegen ein gut gehütetes Geheimnis. Zoran Martinovic macht es wie die Trüffel: Er lebt mit der ihn umgebenden Natur in Symbiose.

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Zoran Martinovic bietet seine Produkte am 5. September am Juraparkfest in Zeihen zur Degustation an. Am 20. September zeigt der Trüffelspezialist am Naturamamarkt Aarau eine Live-Präsentation mit einem seiner Hunde. Zusammen mit dem Restaurant Ochsen in Oberzeihen findet jeden Herbst an zwei Wochenenden eine Vorführung mit anschliessendem Trüffelessen statt.


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