Ein Zahnarzt, der sich auch mit Zahnrädern auskennt

  27.02.2014 Persönlich, Unteres Fricktal, Porträt, Rheinfelden

Wer Andres Baltzer in der Zahnarztpraxis am Gartenweg in Rheinfelden besucht, dem fallen die zahlreichen Wanduhren auf, die fast jeden Raum schmücken. «Ich hätte auch Uhrmacher werden können, doch dann hätte ich keinen Kontakt mit den Leuten, das würde mir fehlen. Im Gegensatz zu einem Chirurgen kann ich mit meinen Patienten während der Arbeit kommunizieren. Der Kontakt ist mir wichtig», erzählt der 69-Jährige.

 

Mechanik und Philosophie

Baltzer sammelt nicht nur Wand- und Standuhren, er baut auch selber welche. Ihn fasziniert die Mechanik, aber ebenso die philosophische Beschäftigung mit der Zeit. «Die Hopi-Indianer beispielsweise kennen keinen Zeitbegriff. Sie leben im immerwährenden Jetzt», erklärt Baltzer, um im nächsten Augenblick so unterhaltsam wie kenntnisreich von der astronomischen Uhr in der Strassburger Kathedrale oder von der Denison-Hemmung im Londoner Big Ben zu erzählen. Uhren sind seine Leidenschaft. «Ich habe auch schon wunderbare Uhren gebaut, die nicht laufen. Kein Unglück, wichtiger für mich ist die sehr entspannende Tätigkeit.» Unzählige Uhrwerke hat er sich ausgedacht und die Pläne dafür gezeichnet; nicht alle hat er umgesetzt.

Baltzer ist in Basel aufgewachsen, sein Vater war Zahnarzt in Liestal. Einen grossen Teil seiner Jugend verbrachte er im Tessin. «Im Sommer waren wir meistens im Tessin, im Winter in Liestal. Ich bin an beiden Orten zur Schule gegangen. So etwas wäre heute wahrscheinlich nicht mehr möglich.» Die Matura hat er in Graubünden gemacht, um anschliessend in Basel Zahnmedizin zu studieren. 1973 zog er mit seiner Frau Monika nach Rheinfelden. Hier hat er mit ihr eine Gemeinschaftspraxis eröffnet. «Ich kannte Rheinfelden, weil meine Eltern in der ‹Fischerstube›, dem damals weit und breit besten Fischrestaurant, verkehrte. Zudem suchte der Kanton Aargau Zahnärzte, weil es einen Mangel gab. So kamen wir nach Rheinfelden.»

Die Praxis wuchs schnell und wurde in mehreren Schritten vergrössert. Heute zählt sie sechs Behandlungszimmer und drei Zahnärzte. Alles ist digitalisiert. Papier braucht es keines mehr. Auf den 1. Januar ist die Praxis von Christian Hohermuth aus Stein und Stefan Buser aus Frick übernommen und in die «Zahnärzte am Gartenweg AG» umgewandelt worden. Christian Hohermuth ist in Rheinfelden aufgewachsen und war vor Jahren schon Assistentsarzt in ihrer Praxis. Stefan Buser hat in ihrem Labor die Lehre als Zahntechniker absolviert und gleichzeitig das Studium der Zahnmedizin erfolgreich abgeschlossen.

«Ich und meine Frau sind nur noch Angestellte. Während meine Frau als Spezialistin der Kieferorthopädie weiterhin voll als Zahnärztin tätig ist, habe ich mein Pensum als Zahnarzt etwas reduziert und beschäftige mich mehr mit der Verwaltung.»

Viel unterwegs

Andres Baltzer rechnet mit einer Übergangsphase von ein paar Jahren. Damit soll sichergestellt werden, dass sein Know-how nicht verloren geht. Denn Baltzer ist ein ausgewiesener Spezialist für die computergesteuerte Herstellung von Zahnrestaurationen. Während des Gesprächs surrt im Hintergrund eine Apparatur, die aus einem Keramikblock künstliche Zähne herausschleift.

Baltzers Interesse für Technik hat ihm hier ein weites Feld geöffnet. Seit Jahren ist er in beratender Funktion für die deutsche Sirona Dental Systems und die Vita Zahnfabrik Bad Säckingen tätig. Er publiziert in Fachzeitschriften und hält weltweit Vorträge zur Funktionsweise der computergestützten Zahntechnik und zur Erkennung und Rekonstruktion der Zahnfarben. Erst kürzlich hat er an der Universität Neapel Federico II doziert. Auch für die Universität Greifswald (D) ist er tätig. Die intensive Reisetätigkeit – und vor allem die transatlantischen Flüge – will er künftig aber etwas reduzieren.

 

Ausgezeichneter Vortragsredner

Baltzer ist ein guter Rhetoriker. Eloquent und anschaulich kann er erzählen und lehren, immer wieder blitzt sein Schalk auf. Für seine Vortragspräsentation hat er in Österreich einen Preis gewonnen, der mit 1500 Euro dotiert war. Auch am Stammtisch diskutiert Baltzer gerne, er ist seit vielen Jahren am Restaurant Rössli in Rheinfelden beteiligt. «Hier treffen die unterschiedlichsten Leute aufeinander. Das gefällt mir. Jeder kann mitdiskutieren», erklärt der Vater von vier erwachsenen Kindern. Rheinfelden ist ihm zur Wahlheimat geworden. Er hat sich lange im Vorstand des Eishockeyclubs engagiert. Als langjähriges Mitglied der Neujahrsblattkommission ist er für die Chronik zuständig.

Auch wenn er beruflich etwas kürzer tritt, gehen ihm die Ideen nicht aus. Aktuell entwickelt er zusammen mit einer Firma eine Technik, um die Köpfe von Patienten am Bildschirm dreidimensional darstellen zu können. Dies ermöglicht dem Zahntechniker, das Erscheinungsbild seiner Arbeiten laufend am Patientenkopf zu beurteilen und anzupassen.

Baltzer ist immer offen für neue Entwicklungen und treibt diese gerne voran. Auch wenn er bald 70 wird, denkt er noch nicht an Ruhestand. «Der Beruf ist mein Hobby und meine Leidenschaft.»


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