Der Saubermann
17.01.2013 Lifestyle, Unteres Fricktal, Porträt, Rheinfelden, PersönlichIhn mit Meister Proper zu vergleichen, das wäre vielleicht an den Haaren herbeigezogen; zumal er keine Glatze hat. Ansonsten existieren sie schon, die Parallelen. Was der Proper für den Haushalt, ist der Isenburg für die Basler: der bekannte Kopf in Sachen Sauberkeit.
Alexander Isenburg, bald 37, verheiratet und Vater eines Buben, ist seit bald fünf Jahren Leiter der Stadtreinigung Basel. Er wohnt in Rheinfelden. Für die NFZ ein guter Grund, mit ihm einmal zu sprechen: über den Glanz am Rheinknie, die Wegwerfmentalität im Menschen und über diejenigen, die täglich den anderen hinterher putzen.
Am Anfang war der Schrott
Es begann während seines Studiums der Wirtschaftswissenschaften. «Da bin ich direkt in den Dreck gerutscht», sagt Isenburg und lächelt über seine Formulierung. Was nämlich dramatisch klingt, ist nichts anderes als der Beginn einer glänzenden Karriere im Müll: Parallel zum Studium war Isenburg für ein Recyclingunternehmen tätig. Er betreute Grosskunden, war für ökonomisch und ökologisch sinnvolle Entsorgungskonzepte verantwortlich. «Die Recyclingbranche ist unheimlich spannend. Es ist faszinierend, welche Wertstoffe du abschöpfen kannst.» Isenburg weiss, wovon er spricht. Zumal er ausgerechnet in den Tiefen des Recyclings seinen Diamanten entdeckte. «Ja, wir haben uns quasi im Schrott kennen gelernt.» Der Diamant arbeitete auf dem Büro eines Partnerunternehmens – und wurde später seine Frau. Soll noch einer behaupten, Recycling führe bloss zu Trennungen.
«Das verdient Respekt»
Nach dem Studium wechselte Isenburg von der Privatwirtschaft in die Verwaltung. Zuerst als stellvertretender Chef der Abfallentsorgung, bald als Chef, wurde Isenburg im 2008 Leiter der Stadtreinigung Basel. Selbstverständlich, der Besen ist grundsätzlich nicht Isenburgs Arbeitsinstrument. Mit 280 Angestellten aus knapp zwanzig Nationen fordert sein Amt vor allem ein hohes Mass an Führungsqualität. «Aber hin und wieder», sagt der gebürtige Breisgauer, «hin und wieder tut es gut, die Luft da draussen zu atmen.» Dann krempelt Isenburg schon mal sein ordentlich gebügeltes Hemd nach hinten, verlässt das Büro und fährt mit der Kehrichtabfuhr durch die Stadt oder hört beim Znüni mit den Strassenputzern genau zu. «Zu wissen, wo der Schuh drückt, welche Sorgen die Mitarbeiter haben – das ist mir wichtig.»
Wie er das sagt, es wirkt weder heuchlerisch noch anbiedernd. Im Gegenteil. Isenburg, der Akademiker, verwendet den Begriff «Bewunderung», wenn er von seinen Frauen und Mannen spricht, die täglich 2000 Müllsäcke herumschleppen oder den Asphalt von Unrat befreien, der eigentlich nicht nötig wäre. «Das verdient höchsten Respekt.»
200 Kehrichtwagen voller unnötiger Müll
Statistische Zahlen für die Stadt Basel verdeutlichen möglicherweise seine Aussagen. 35 000 Tonnen Siedlungsabfälle werden jährlich eingesammelt. Abfall also aus Privathaushalt und Industrie. Hinzu kommen 5000 Tonnen Abfall, die auf der Strasse liegen. Dreissig Prozent davon, also 1500 Tonnen, ist klassisches Littering: Zigarettenstummel, Pizzaschachteln, Kaffeebecher. Allein diese Abfallberge füllen jedes Jahr zweihundert Kehrichtwagen.
Auf die Frage, wie sauber die Stadt Basel denn wirklich sei, zögert Isenburg einen Moment. Von ausserhalb erhalte man positive Reaktionen. «Behördenvertreter aus Freiburg im Breisgau sprachen bei ihrem letzten Besuch von einer sehr sauberen Stadt.» Auch Delegierte des schweizerischen Städteverbands stellten den Baslern ein gutes Zeugnis aus. «Der Basler selber sieht das natürlich manchmal anders», räumt Isenburg ein und kennt sie wie ein Ernährungsberater so genau, all die Problemzonen: Bahnhofgegend, Rheinbord, Barfüsserplatz. Obschon, laut einer Bevölkerungsbefragung im 2011 sind die Basler mit der Sauberkeit ihrer Stadt – im Vergleich zu 2007 – deutlich zufriedener geworden. «Insofern machen wir nicht alles falsch», sagt Isenburg, ohne die Augen verschliessen zu wollen. Heute, da sich der Mensch an jeder Ecke verpflegen könne und sofort eine Gratiszeitung zur Hand hat – selbstverständlich sei dieser vielschichtige Konsum potenzielles Gift für die Bemühungen einer sauberen Stadt. «Aber ich habe auch das Gefühl, dass es irgendwann zu einem Leck in der Erziehung gekommen ist. Meine Eltern gaben mir noch sehr deutlich den Hinweis, dass Abfall nicht auf die Strasse gehört.»
So spricht ein Saubermann von Amtes wegen. Einer, der aber dennoch kein Moralapostel sein will – und auch nicht als solcher wirkt. Denn perfekt, das ist auch Isenburg sowieso nicht, wie er am Ende des Gesprächs lachend zugesteht. «Oh ja, zuhause ist meine Frau die Ordentlichere von uns. Ich bin halt eher der Sammlertyp. Das hat sich über die Jahre in unserem Keller angestaut.» Bis sie, die Gattin, dem obersten Stadtreiniger den netten Hinweis gab, vielleicht auch da einmal wieder für Ordnung zu sorgen. «Ich habe ihr dann die klassische Arbeitsteilung nach Basler Modell vorgeschlagen», sagt Isenburg mit spitzbübischem Blick. «Eine Partei reinigt. Die andere entsorgt.» Saubere Sache eben.