Von Poschiavo nach Kaiseraugst

  28.05.2023 Persönlich, Kaiseraugst

Berta Rieger schaut mit grosser Zufriedenheit auf ein ganzes Jahrhundert zurück

Am 20. Mai durfte Berta Rieger ihren 100. Geburtstag im Kreise der Familie und von Freunden im Altersheim Rinau in Kaiseraugst feiern.

Catherine Hossli

Es war am besagten 20. Mai 1923 eine Zangengeburt, als Berta Christoffel in Poschiavo GR das Licht der Welt erblickte. «Meine Mutter und ich wären damals beide fast gestorben, ich hatte drei Löcher im Kopf von der Zange. Wahrscheinlich hat mich das so zäh gemacht», lacht die Jubilarin.

Als Tochter eines Grenzwächters und einer Krankenschwester ist sie mit zwei jüngeren Brüdern im Unterengadin zweisprachig aufgewachsen. Auch heute noch beherrscht sie die rätoromanische Sprache, obwohl diese bei ihr leider kaum mehr zur Anwendung kommt, aber gelernt ist nun mal gelernt.

Köchin für Bundesrat Karl Kobelt
Eine Lehre war damals keine Option für eine junge Frau und so wurde Berta Christoffel als Hemdenausrüsterin für die Armee im Zweiten Weltkrieg eingesetzt. Unzählige Hemden wurden von ihr gebügelt und zusammengelegt. Die Familie zog nach Steckborn, wo Berta in einer Bäckerei und auch im Haushalt der Bäckersfamilie arbeitete. Später zog Berta Christoffel nach Bern und wurde dank ihrem Kochtalent als Köchin im Haushalt von Bundesrat Karl Kobelt angestellt. Nicht nur mit ihren Kochkünsten vermochte sie zu überzeugen, sondern auch als singende Hausangestellte und so kam es, dass die damalige Frau Bundesrat sie im Kirchenchor anmeldete. Ganz zum Unmut von Berta Christoffel allerdings, musste sie doch nun sonntäglich in die Kirche, was ihr damals weniger passte, nicht unbedingt nur der Frömmigkeit wegen, aber das Essen musste ja schliesslich nach dem Gottesdienst auch pünktlich auf dem Tisch stehen und das bedeutete «Stress», wie man heute zu sagen pflegt.

Ihr Bruder war zu dieser Zeit als Grenzwächter in Rheinfelden ansässig und holte seine Schwester in die Nordwestschweiz. Anfänglich arbeitete Berta als Servicefachangestellte im Restaurant Forellenhof in Liestal, dann im Restaurant Ysebähnli in Basel und schliesslich zog sie weiter ins Restaurant Passerelle, wo sie ihren ersten Mann, den Koch Sepp Kaufmann kennenlernte. 1959 kam ihre Tochter Silvia zur Welt. Mit dem frühen Tod ihres Mannes 1963 ereilte Berta Kaufmann ein Schicksalsschlag.

In Richtung Kaiseraugst zog es die junge Witwe mit ihrem Kind 1966, als sie im Restaurant Salmeck in Augst ihre neue Stelle antrat. Ihr zweiter Mann, ebenfalls ein Josef, aber genannt Josi Rieger, lief ihr im Salmeck über den Weg. Er nahm dort jeweils sein Feierabendbier. Die beiden heirateten, Berta zog zu Josi nach Kaiseraugst und 1967 kam die zweite Tochter Katharina auf die Welt.

Ländler-Musik, Riz Casimir und das Meer
Berta Rieger führte einige Jahre zwei Haushalte, den Eigenen und den Haushalt des Elternhauses ihres Ehemannes, wo dessen Mutter und die ledige Tante wohnten. «Meine Mutter war schon immer eine sehr positiv eingestellte Person und ist es auch heute noch, bei ihr ist das Glas immer halb voll», schwärmt ihre Tochter Silvia. «Sie war früher sehr aktiv in der Frauenriege und im Frauenverein und sie liebte das Meer. Sie ist lustig, gesellig und an jedem Anlass, wie Chilbi und Fasnacht dabei. Besonders die Ländler-Musik hat es ihr immer angetan, wo sie regelmässig das Tanzbein schwang. Wenn sie noch könnte, würde sie heute noch», erzählt ihre Tochter weiter. Im Dezember 2002 starb ihr geliebter Mann an den Folgen eines Hirnschlags. «Alle Todesfälle waren in unserer Familie im Dezember, deshalb wurde bei uns an Weihnachten auch nie gesungen», so Silvia Schmid. Mehrere Stürze und zwei Oberschenkelhalsbrüche machten das allein wohnen für Berta Rieger unmöglich und so fand sie vor zirka sechs Jahren im Altersheim Rinau ein neues Zuhause. «Mir gefällt es hier sehr gut, es wird viel angeboten, aber basteln, spielen und Tücher zusammenlegen sind nicht so meins, ich habe genug Hemden in meinem Leben zusammengelegt», meint die Jubilarin.

An ihrem 100. Geburtstag am Samstag, 20. Mai fand im Altersheim Rinau ein Fest zu ihren Ehren statt. Der Gemeinderat gratulierte ihr persönlich und die Familie war zum Lieblingsessen von Berta Rieger, Riz Casimir, eingeladen. Um 14 Uhr waren dann alle Nichten und Neffen mit Anhang zu Kaffee und Kuchen eingeladen. Eine Ländler Kapelle durfte natürlich nicht fehlen und lud zum Tanzen ein. Am darauffolgenden Dienstag gratulierte auch noch die Musikgesellschaft Kaiseraugst mit einem «Ständli».


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