«Vollblut-Geburtshelfer sind am Aussterben»
27.08.2023 Persönlich, RheinfeldenDer Gynäkologe Stefan Schmid hat schon rund 1500 Geburten begleitet
Lange wusste er nicht, in welche Richtung es fachlich gehen sollte. 1995 eröffnete der Gynäkologe Stefan Schmid eine Praxis in Rheinfelden und ist bis heute begeistert von seinem Fach und der ...
Der Gynäkologe Stefan Schmid hat schon rund 1500 Geburten begleitet
Lange wusste er nicht, in welche Richtung es fachlich gehen sollte. 1995 eröffnete der Gynäkologe Stefan Schmid eine Praxis in Rheinfelden und ist bis heute begeistert von seinem Fach und der täglichen Arbeit.
Janine Tschopp
Stefan Schmid ist in Münchenstein aufgewachsen. Nach der Matur wollte er Psychologie studieren. «Meine Eltern fanden, dass ich eher Psychiater werden sollte. Das passte aber nicht», erinnert er sich. «Dann versuche ich mich halt mit der Chirurgie», dachte er sich. Kurz danach hatte er Gelegenheit, einen befreundeten Gynäkologen einen Monat lang Tag und Nacht bei seiner Arbeit zu begleiten. Das Fach mit seiner Vielseitigkeit begeisterte ihn derart, dass er nach einer chirurgischen Grundausbildung in Lausanne und im St. Claraspital in Basel beschloss, Gynäkologe zu werden. Es folgte die Spezialausbildung Gynäkologie/Geburtshilfe an der Universitätsfrauenklinik Basel.
Die Zeit der Ausbildung war nicht immer einfach. Er erzählt von der damals rasch zunehmenden Feminisierung des Faches und seiner Verunsicherung als junger, männlicher Gynäkologe. Männer hatten in der Gynäkologie immer weniger einen Platz, denn «nur Frauen könnten verstehen, was in einem weiblichen Körper passiert» war eine der neuen feministischen Thesen. Trotzdem ging er den Weg weiter und erlangte 1993 das Diplom als Spezialarzt FMH Gynäkologie und Geburtshilfe. Anschliessend war er während zwei Jahren als Oberarzt in Langnau im Emmental tätig und absolvierte dann zwei weitere Ausbildungsjahre in Innerer Medizin und in psychosomatischer Medizin. «Die Psychosomatik prägt meine Arbeitsweise bis heute. Für mich ist es sehr wichtig, auch die Lebensumstände meiner Patientinnen zu kennen.»
Praxis am Stadtweg
1995 erhielt Stefan Schmid die Gelegenheit, eine Praxis für Gynäkologie und Geburtshilfe am Stadtweg in Rheinfelden zu eröffnen. 2006 erfolgte der Umzug an die Zürcherstrasse. Vor drei Jahren wagte der Gynäkologe nochmals einen ganz grossen Schritt und wurde Teil der Praxisgemeinschaft «Ärzte am Werk».
Auf dem Areal des ehemaligen Furnierwerks in Rheinfelden arbeiten seither Kinderärzte, Frauenärzte, Therapeutinnen und Hebammen unter einem Dach und nutzen so wertvolle Synergien. «Ich bin von diesem Projekt immer noch begeistert», erklärt Stefan Schmid. Mittlerweile sind es elf Kinderärzte und fünf Frauenärzte sowie Spezialisten des Kinderspitals Basel, welche Hand in Hand arbeiten. «Seit einem Jahr arbeiten wir auch ganz eng mit Hebammen und bieten zudem neu eine Kinderwunsch-Sprechstunde zusammen mit ‹Fertisuisse› an», erklärt Schmid.
Rund 1500 Geburten
1995 eröffnete Stefan Schmid nicht nur seine erste Praxis in Rheinfelden, sondern wurde auch Belegarzt im GZF Rheinfelden. Diese Tätigkeit führte er bis im März 2023 aus. Er schätzt, dass er in den letzten 28 Jahren rund 1500 Kinder auf die Welt begleitet hat. «Eine Geburt ist etwas ganz Spezielles. Manchmal vermisse ich es ein bisschen.» Als «Gastarzt» begleitet er seine Patientinnen auch weiterhin bei Kaiserschnitten und grösseren gynäkologischen Operationen. Er ist aber froh, mittlerweile keine Nacht- und Wochenend-Dienste mehr leisten zu müssen. «Das Alter und die enorme zeitliche Belastung» nennt er als wichtige Gründe, warum er als Belegarzt aufgehört hat. «Die Bedingungen werden irgendwann zu streng», erklärt er weiter. Mittlerweile gebe es immer weniger Belegärzte in der Gynäkologie. «Vollblut-Geburtshelfer sind am Aussterben», sagt Schmid.
In der Geburtshilfe habe sich in den letzten zwei Jahrzehnten einiges verändert. So ging die Entwicklung in den letzten Jahren mehr und mehr Richtung «Medizinalisierung der Geburt» und auch zunehmend Richtung Kaiserschnitt, der in Rheinfelden momentan zirka 30 Prozent der Geburten ausmacht. Wie Schmid ausführt gibt es dafür einige Ursachen. Zum Beispiel die immer älter werdenden Schwangeren, was zu komplizierteren Schwangerschaften und dementsprechend heikleren Geburten führen könne. Zudem seien die Ansprüche der Patientinnen in den letzten Jahren immer höher geworden. Oftmals sei es auch die Angst, die im Gebärsaal stark mitspiele. Der erfahrene Geburtshelfer fände es wichtig, wenn werdende Mütter wieder stärker ihrer Intuition und eigenen Kraftquellen vertrauen dürften und könnten. Natürlich solle man dabei nicht auf medizinische Errungenschaften verzichten. Aber «Gebären ist etwas Ursprüngliches», erinnert der Gynäkologe.
Aktive Freizeitgestaltung
Wenn er nicht in seiner Praxis oder im Gebärsaal ist, beschäftigt sich Stefan Schmid gerne mit seinen Hobbys, die sehr vielseitig sind. Dazu gehören unter anderem sportliche Aktivitäten, wie zum Beispiel Radfahren, Skifahren, Windsurfen, Bergwandern und Bergsteigen, Laufsport und Krafttraining. Auch Musik ist für ihn eine sehr wichtige Freizeitbeschäftigung. So spielt er Klavier auf hohem Niveau und gibt, zusammen mit Gleichgesinnten, regelmässig «Hauskonzerte».
Auch wenn er viele attraktive Freizeitbeschäftigungen hat, könnte sich Stefan Schmid noch nicht vorstellen, in Rente zu gehen. «Die Arbeit ist für mich keine Strafe.» Im Gegenteil: Sie erfüllt ihn und er arbeitet noch immer mit grosser Freude. «Ich bin sehr dankbar, viele langjährige Patientinnen zu haben, die mir vertrauen. Man bekommt enorm viel zurück.»