Viel mehr als nur Postauto fahren

  29.09.2023 Persönlich, Frick

Herzblut für Beruf, Ausbildung, Vertrag, Pendler und eine Königin

Bernhard Schütz ist in seiner Berufsgattung ein von unglaublicher Geschäftigkeit getriebenes Unikat. Vehement steht der Postautochauffeur, Ausbilder und Verbandssekretär für seinen Berufsstand ein. In diskreten Aktivitäten hat er auch Staatsgäste betreut. Nach 49 Jahren bei der Post fährt er heute als Legende in die Pension.

Paul Roppel

An der Wand seines Büros hängen drei messingfarbene Posthörner. Relikte aus längst vergangenen Zeiten als Pferde noch vor mehrspännigen Postkutschen über die Landstrassen galoppierten und der Kutscher die Ankunft per Posthorn signalisierte. «Diese Hörner sind Originale von Postkutschen vom Gotthard, Julier und Furka», bekräftigt Bernhard Schütz mit sichtlichem Stolz. Die heutigen gelb eingefärbten und mit rotem Balken versehenen Karossen seines Arbeitgebers ziert seit 1971 konsequent das charakteristische Posthorn-Symbol als eindeutiger Wiedererkennungswert. In einer Glasvitrine präsentiert sich dem Besucher zudem eine g rosse Sammlung akkurat aufgereihter Modell-Postautos unterschiedlichster Jahrgänge. Ein gelbes Modell mit offenem Schiebedach dominiert. «Das ist ein Saurer 3C Alpenwagen mit 31 Sitzplätzen, Jahrgang 1954, ohne Servolenkung und unsynchronisierter Schaltung. Auf diesem Typ habe ich 1978 meine Fahrprüfung gemacht», gibt der 65-Jährige einen ersten Einblick in sein Berufsleben, das vor fast 50 Jahren bei der Post seinen Anfang nahm. «Diese Oldtimer-Fahrzeuge sind noch heute sehr beliebt für Passfahrten, Betriebsausflüge und Hochzeiten. Ich habe darauf tausende von Kilometern gefahren. Das ist harte manuelle Arbeit. Ich hatte am Abend jeweils Muskelschmerzen und gar manche Leute holten sich bei offenem Schiebedach einen Sonnenbrand», kramt Schütz in seinen Erinnerungen.

Ein Universum an Berufsgattungen
«Ich hatte schon früh geliebäugelt, mit dem Postauto über Berg und Tal fahren zu dürfen», verrät er der NFZ zuhause im Gespräch. Deshalb sei er 1974 bei der Post eingestiegen und habe eine sehr gute Grundausbildung als uniformierter diplomierter PTT-Beamter erhalten. «Die PTT war ein Riesenbetrieb, es gab ein Universum an Ausbildungsmöglichkeiten; aber man musste selber aktiv werden und sich seinen Weg suchen. Ich hatte einen guten Mentor, der mich motivierte, etwas aus mir zu machen. So landete ich auf vielen Zwischenstationen wie der Verwaltung, dem Postscheckamt, bei der Bahnpost, im Schalterbetrieb, bei der Postzustellung und bei Geldtransporten», erzählt Schütz. Dann trat er die zweijährige Ausbildung zum Mechaniker und LKW-Fahrer mit Anhänger an. Dies ermöglichte ihm als 21-Jähriger den Übertritt zu Postauto Schweiz. Neben zahlreichen Weiterbildungen und Sprachkursen in Französisch und Englisch absolvierte er die Meisterprüfung. «Ich wollte vorwärtskommen; manche sagten, ich sei ein Streber», schmunzelt Schütz über seine Zielstrebigkeit. Sein breites Wissen nutzte die PTT schliesslich bei der Rekrutierung des Nachwuchses. «Wir bauten einen Bus zum Kino um und fuhren zehn Jahre lang von Schule zu Schule und informierten über unsere Lehrberufe», erzählt er.

Diskreter Betreuer von Prominenz
Auch beim Militärdienst habe die PTT seinen Werdegang beeinflusst, ergänzt er. Ursprünglich absolvierte er als Panzerfahrer auf dem Centurion die Rekrutenschule, machte die Unteroffiziers- und Offiziersschule und wurde Kommandant einer Einheit. «Die PTT hatte ihre eigene Transporteinheit, zu der ich dann wechselte», erzählt er weiter. Die habe in Postautos mobile Sanitätsstationen gebaut oder Flüchtlinge an der Grenze abgeholt und in der Schweiz verteilt. «Schliesslich sollte ich noch weitermachen, wozu sogar meine Frau bearbeitet wurde. Aber ich sah meine Zukunft nur bei Postauto Schweiz», zeigt Schütz seine Präferenz auf. «So wurde ich in eine diskrete Einheit berufen, die im Verborgenen wirkt», macht er den Zuhörer neugierig. Zusammen mit einem Partner wurde Schütz in Fahrsicherheitstraining, Personenschutz und in Kampftechnik trainiert. «In den nächsten zehn Jahren betreute ich unzählige Prominenz, Politiker, Staatsgäste, Minister und Delegierte und fuhr sie im edlen gepanzerten Maybach oder einem speziellen Bus in der Schweiz zu Treffen und Ausf lügen», gibt er einen klitze-kleinen Einblick in das verschwiegene Metier. Gut verstanden habe er sich mit dem US-General Norman Schwarzkopf. Beim Nachbohren lässt er den Fragenden verschmitzt wissen, dass auch eine Königin mal Gast war. «Ich hatte ein grosses Netzwerk an Kontaktpersonen bei Behörden und Polizei für all die Sicherheits- und Koordinationsaufgaben und lernte viele interessante Personen kennen. Es war eine Lebensschule», zeigt sich Schütz zufrieden.

Engagiert in Aus- und Weiterbildung
Nachdem er parallel dazu schweizweit als Postautochauffeur eingesetzt war, konzentrierte sich der Bewegungsradius schliesslich auf den Aargau und ab 1989 auf die Region Fricktal. «Wir bauten ein Haus in Veltheim, wo ich zwölf Jahre in der Schulpflege mitarbeitete und mit Gleichgesinnten einen Kulturverein gründete», erzählt Schütz, der unkompliziert auf Menschen zugeht. Vor acht Jahren, als die beiden Kinder ausgeflogen waren, zog das Ehepaar nach Frick. Jahrelang verschrieb sich Beni Schütz intern der Instruktion des Nachwuchses und extern der Weiterbildung, wo er bei Movendo, dem gewerkschaftlichen Bildungsinstitut, Kurse zu Themen Arbeitszeiten- und Ruhegesetz, Bildung der Personalkommissionen, Verhandlungsgeschick und Konfliktsituation vermittelte. «Bildung der Angestellten ist meine Herzensangelegenheit», bekräftigt der überzeugte Gewerkschafter. «Die Anforderungen werden heute immer tiefer geschraubt, Leute in eine Matrix gepresst, ohne Veränderungs- und Entwicklungsmöglichkeiten. Dagegen hilft nur Bildung», zeigt er den Zeitgeist auf. «Sicher die Hälfte der Postautochauffeure war bei mir in der Ausbildung», resümiert er. Für viele ist er zur Anlaufstelle bei Problemen geworden. Er betreut auch einige Sozialfälle. Ein offenes Ohr finden auch seine Fahrgäste und gar manchem Schüler habe er bei den Aufgaben geholfen. Neben seiner Chauffeurtätigkeit wurde er Prüfungsexperte im Bereich Arbeits- und Ruhezeiten, engagierte sich als Gewerkschafter und wurde Präsident der regionalen Personalkommission.

Besten Gesamtarbeitsvertrag ausgehandelt
Bei den letzten Gesamtarbeitsvertragsverhandlungen 2021 war er in der siebenköpfigen Verhandlungsdelegation in der Funktion als Zentralsekretär der Gewerkschaft Syndicom plötzlich noch Verantwortlicher im Gremium. «Wir haben an diesem Tisch hier die Strategie entwickelt die komplett verfahrene Situation kehren zu wollen, ohne Streik und Kollisionskurs, aber unter anderem mit einem viral gehenden Protestsong auf YouTube. Wir haben den besten Vertragsabschluss aller Zeiten ausgehandelt», ist Schütz überglücklich, der sich jahrelang für seinen Berufsstand eingesetzt hat und sich mit diesem Höhepunkt von ihm verabschiedet. «Die Schichtarbeit und die verschiedenen Hüte, die ich trage, sowie die vielen Auswärtstermine ermüden», bekennt Schütz, der nach rund 2,2 Millionen Kilometern unfallfreiem Postautofahren am 28. September im Beisein von Postauto CEO Christian Plüss, nahestehender Prominenz und treuen Fahrgästen seine letzte Tour vor der Pensionierung fährt. Sein nächstes Ziel: «In Planung ist die Besteigung des Kilimandscharos mit meinem Sohn», vermerkt er unternehmungslustig.


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