Unbeschreibliches Glück, hier in der Schweiz geboren zu sein
08.10.2023 Persönlich, Laufenburg, HerznachWas angehende Konditorin Annina Hohl aus Herznach dazu brachte, nach Afrika zu reisen und was diese Reise bei ihr bewirkt hat.
Regula Laux
Annina Hohl, 18 Jahre, wohnhaft in Herznach hat schon als Kind sehr gern gebacken und experimentiert – mit ...
Was angehende Konditorin Annina Hohl aus Herznach dazu brachte, nach Afrika zu reisen und was diese Reise bei ihr bewirkt hat.
Regula Laux
Annina Hohl, 18 Jahre, wohnhaft in Herznach hat schon als Kind sehr gern gebacken und experimentiert – mit Lebensmitteltinktur Farbe ins Essen gebracht, superlange, bunte Schlangen aus WC-Papierrollen gebastelt oder mit Knete Dinge modelliert – da lag die Ausbildung zur Konditorin/Confiseurin auf der Hand. Nach drei Tagen Schnuppern beim Beck Maier in Laufenburg war für sie die Sache klar und für Gregor Maier auch, der ihr direkt einen Ausbildungsplatz anbot.
Nun ist sie im zweiten Lehrjahr und meint strahlend: «Meinen Job finde ich immer noch super.» Und Mutter Manuela ergänzt: «Auch, weil du das Glück hast, zu jeder Zeit schlafen zu können, egal in welcher Schicht du gearbeitet hast.» An der Schichtarbeit gefalle ihr, so Annina, dass sie manchmal von der Arbeit komme und den Tag noch vor sich habe, «dann, wenn andere zur Arbeit müssen.» Froh sei sie, dass ihr Freund Ruben sie häufig als Fahrer unterstütze, denn nachts von Herznach nach Laufenburg zu kommen, oder umgekehrt, sei mit öffentlichen Verkehrsmitteln unmöglich. Und ihr Freund überzeugt sie nicht nur als Fahrer: «Eine Kindergartenliebe aus der sich vor drei Jahren unsere Beziehung entwickelte.» Schon wieder ist sie da, diese Euphorie, die sich nicht nur in den funkelnden Augen von Annina Hohl widerspiegelt.
Geschichte und Reisen
Begeistern kann sich Annina auch für geschichtliche Themen, für das Reisen und für andere Kulturen. «Das mag vielleicht ein wenig streberhaft klingen, aber ich habe mich schon immer für die Geschichte und für andere Länder interessiert», so die 18-Jährige lächelnd. Dies war wohl auch der Grund, weshalb sie ihre Eltern zum 18. Geburtstag mit einer Reise nach Amsterdam überraschten, wo sie zuerst das van Gogh-Museum besuchten und dann auf den Spuren von Anne Frank wandelten. «Ein megaschöner und unvergesslicher Geburtstag», schwärmt Annina. Vielleicht war ihr Interesse für andere Kulturen und die Geschichte auch der Grund, warum die Idee, als Jung-Konditorin /Confiseurin für einen Monat nach Ruanda zu gehen, sie nicht mehr losliess. Eingeladen waren Lernende von Gewerbeschulen aus der ganzen Schweiz. Effektiv gereist sind, nach einem mehrstufigen Auswahlverfahren, neun Auszubildende.
Handys mit verspiegeltem Panzerglas
Der Besuch in Ruanda hat Annina tief beeindruckt. Fast 30 Jahre nach dem unfassbaren Genozid, der rund 800 000 Menschen das Leben kostete, spüre man auch heute noch die Wunden und Narben in der Gesellschaft, so Annina. «Wir sahen zum Beispiel kaum ältere Menschen, weil so viele den Völkermord 1994 nicht überlebten», erzählt sie. Und trotz allem seien die Menschen in Ruanda so positiv aufgestellt und sie würden das, was sie haben, sehr schätzen. «Und wir hier haben viel mehr als wir brauchen und oft wird es nicht wirklich geschätzt.» Doch man spüre schon auch noch eine Verunsicherung in Ruanda, erzählt Annina, man traue sich zum Beispiel untereinander nicht. «In Kigali, der Hauptstadt Ruandas, haben wir viele Menschen mit Handys gesehen, die verspiegeltes Panzerglas hatten, damit andere nicht ins Display schauen können.» Auch würden die meisten ausweichen, wenn man versuche, den Völkermord zu thematisieren.
Produkte mit ruandischen Zutaten
So waren es denn eher praktische Themen mit denen sich die angehenden Konditorinnen und Konditoren beschäftigten. «Unser Brot fanden sie auf dem Land viel zu salzig», erzählt Annina. Dies sei kein Wunder, da die Menschen in Ruanda einen anderen Geschmacksinn hätten, weil sie sich Salz und andere Gewürze kaum leisten können. «Bei der Patisserie war es andersrum, die fanden sie viel zu süss. Ausserdem hatten wir da das Problem der fehlenden Kühlmöglichkeiten», erinnert sich die 18-Jährige. «Das Gleiche galt für Butter, die megateuer ist in Ruanda und ohne Kühlschrank schnell verdirbt», so Annina. «Wir mussten ihnen also helfen, Produkte herzustellen, mit ihren Zutaten und nach ihrem Geschmack – das war eine echte Herausforderung.» Aber die Menschen seien sehr wissbegierig und voller Lerneifer.
«Mutez – herzliche Herrscherin»
Annina, die nach rund zwei Wochen in Ruanda liebevoll den ruandischen Namen «Mutez – herzliche Herrscherin» verpasst bekam, erinnert sich voller Demut an die Zeit in Ruanda: «Wir haben so ein unbeschreibliches Glück, dass wir hier in der Schweiz geboren sind», fasst Annina Hohl zusammen. Und: «Ich habe grossen Respekt davor, dass ein Grossteil derjenigen, die den Genozid überlebt haben, den Mordenden vergeben hat.»
Annina möchte die Kontakte nach Ruanda aufrecht halten: «Es ist sehr gut möglich, dass es mich nach meiner Ausbildung wieder nach Ruanda zieht…»
Sendehinweis
Ein SRF-Kamerateam aus der Schweiz hat die jungen Konditor/-innen / Confiseur/-innen nach Ruanda begleitet.
Ausstrahlung:
Mittwoch, 22.11., 21 Uhr, Reporter.