Tennis ist sein Leben
01.10.2025 Persönlich, RheinfeldenDer Davis-Cup-Sieger von 2014 im Portrait
Aus einem scheinbar zufälligen Griff zum Tennisracket entwickelte sich bei Marco Chiudinelli eine Karriere voller unvergesslicher Momente. Trotz Rückschlägen und Zweifeln kämpfte er sich immer wieder zurück und schrieb ...
Der Davis-Cup-Sieger von 2014 im Portrait
Aus einem scheinbar zufälligen Griff zum Tennisracket entwickelte sich bei Marco Chiudinelli eine Karriere voller unvergesslicher Momente. Trotz Rückschlägen und Zweifeln kämpfte er sich immer wieder zurück und schrieb seine eigene Geschichte im Schweizer Tennis. Heute lebt er in Rheinfelden und führt von hier aus seine Firma.
Finn Wunderlin
Auf eine so lange und erfolgreiche Tenniskarriere deutete in jungen Jahren bei Marco Chiudinelli noch nicht vieles hin. Nebst Versuchen im Schwimmen und Eiskunstlaufen standen, als Basler wenig überraschend, Tennis vor allem Fussball auf dem Programm. Ganze acht Jahre spielte Marco Chiudinelli bei den Junioren vom FC Basel, bevor er sich im 12. Lebensjahr für eine der beiden Sportarten entscheiden musste. Beide Sportarten auf diesem Niveau weiterzuziehen, war schlicht nicht möglich.
Mit Roger Federer verglichen
Zu diesem Zeitpunkt war er im Tennis regional schon gut unterwegs. In derselben Region spielte auch Roger Federer. Dieser setzte sich dort schon klar das Ziel des Profis. «Roger war klar stärker als ich, deshalb habe ich eigentlich nie gedacht, dass Tennisprofi auch etwas für mich sein könnte. In jungen Jahren qualifizierte ich mich nicht einmal regelmässig für die Schweizer Juniorenmeisterschaften, da ist eine Profikarriere eigentlich völlig unrealistisch.»
Zum Beruf Tennisspieler kam Chiudinelli eher zufällig. Mit 15 Jahren wurde er von Swiss Tennis gebeten, beim Verband vorzuspielen. Ein Scout von Swiss-Tennis hatte bei einem von Chiudinellis Matches sein Potenzial entdeckt, obwohl er nicht zu den bestklassierten Junioren seines Jahrgangs gehörte. Beim Vorspielen konnte er die Swiss-Tennis-Coaches überzeugen und so kam es, dass Chiudinelli im Sommer 1997 seinen Lebensmittelpunkt nach Biel verlagerte und ab dann im Nationalen Leistungszentrum trainierte. Chiudinellis damaliger Junioren-Coach beim TC Old Boys, der ehemalige australische Tennisprofi Peter Carter, wechselte ebenfalls 1997 als Coach zu Swiss Tennis. Chiudinelli hatte nie die Gelegenheit, Carter, der wenige Jahre danach verstarb, zu fragen, ob er bei seiner Nomination für Swiss Tennis seine Finger mit im Spiel hatte. Durch die mit dem Wechsel zum Verband verbundene Verdopplung seines Trainingsumfangs erzielte Chiudinelli schnell grosse Fortschritte und wagte zwei Jahre später den Schritt auf die Profitour.
Die bewegendsten Momente der Karriere
In einer Tennisprofikarriere, wie Marco Chiudinelli eine hatte, gibt es natürlich einige Highlights. Einen besonderen Platz in Chiudinellis Erinnerungen haben seine Auftritte vor Heimpublikum an den Swiss Indoors Basel, dem Turnier, bei dem er als Kind als Autogrammjäger und später während drei Jahren als Ballboy mit dabei war. Er erinnert sich gerne an sein erstes Match im Qualifikationsturnier 1998, den ersten Sieg im Hauptfeld 2004, das Erreichen des Halbfinals gegen Roger Federer 2009, aber auch an sein Abschiedsmatch 2017. Die Ärzte rieten ihm damals zwar von diesem Match ab, da sich Chiudinelli zwei Wochen vorher einer Operation unterziehen musste. Für Chiudinelli war jedoch klar: «Auch wenn ich auf den Platz gerollt werden müsste, ich werde dieses letzte Match zum Abschluss meiner 18-jährigen Karriere auf jeden Fall spielen.»
Als Highlight nennt Chiudinelli auch den Davis-Cup-Sieg, den er 2014 gemeinsam mit Roger Federer, Stan Wawrinka und Michael Lammer für die Schweiz gewinnen konnte. Andere Momente in seiner Karriere haben für ihn aber einen ebenso hohen Stellenwert. Im Jahr zuvor beispielsweise war Chiudinelli massgeblich am Nichtabstieg der Schweiz im Davis-Cup gegen Ecuador beteiligt. «Das ist für mich auch viel wert. Ich sage immer, wären wir 2013 abgestiegen, so hätten wir 2014 gar nicht die Chance gehabt, den Davis-Cup zu gewinnen.»
Emotionale Momente
Als emotionalsten Sieg nennt Chiudinelli seine Zweitrundenpartie bei den US Open 2009. Nach einer 18-monatigen Verletzungspause war er damals nur dank seinem geschützten Ranking für das Qualifikationsturnier des amerikanischen Grand-Slam-Turniers startberechtigt. Nach bereits vier Siegen bezwang er in der 2. Runde des Hauptfelds den ehemaligen Halbfinalisten und Top-Ten-Spieler Mikhail Youzhny. Dieser Sieg, gleichbedeutend mit dem Einzug in die 3. Runde, war nach einer solch langen Verletzungspause ein sehr emotionales Ereignis. «Das war das einzige Mal, dass ich nach einem Match in die Garderobe kam und weinte.» Unter anderem diese Leistung an den US Open und die Verbesserung seines Rankings während einem Jahr von Weltranglistenplatz ATP 600 auf ATP 56 bescherte ihm 2009 den Titel des «ATP Comeback Player of the Year», welcher Chiudinelli ebenfalls zu seinen grössten Erfolgen zählt, umso mehr, da dieser Award von den anderen Spielern auf der ATP-Tour vergeben wird.
Entwicklung des Tennissports
Wie in vielen anderen Sportarten hat sich auch im Profibereich des Tennissports vieles verändert. «Die Preisgelder sind heute teilweise vier bis fünf Mal so hoch wie früher. Das ermöglicht jungen Tennisspielern, viel früher ein Team mit Physios und Coaches um sich herum aufzubauen. Im Vergleich zu meiner Zeit macht das die ganze Sache professioneller und auch gesünder für die Spieler. Und das ist auch richtig so.»
Mit Blick auf die Schweizer Tenniselite von heute sagt Chiudinelli: «Wir haben einige junge Spieler, welche das Potenzial haben, nach vorne zu kommen, unter anderem den Fricktaler Jérôme Kym und den Basler Henry Bernet. Aus eigener Erfahrung weiss ich aber, dass die Spieler dazu vor allem auch gesund bleiben müssen, was in jüngster Vergangenheit bei fast all unseren jungen Spielern oftmals ein Problem darstellte.»
Nach der Karriere
Seit 2020 lebt Marco Chiudinelli in Rheinfelden. «Die Stadt ist gut gelegen, von hier aus bin ich schnell in Zürich und Bern, wo ich häufig beruflich tätig bin.» Rheinfelden kennt er aber schon länger. «Mein Vater hat früher bei Feldschlösschen gearbeitet, deswegen hatte ich schon zuvor einen Bezug.» Nach seinem Rücktritt vom Profisport gründete Chiudinelli seine Firma «Chiudinelli Management & Consulting», die ihren Sitz ebenfalls in Rheinfelden hat. Die Firma ist im Bereich «Sportdienstleistungen» tätig. So bietet er seit 6 Jahren erfolgreich exklusive Tennis Camps für Hobbyspieler aller Altersklassen an, referiert bei Firmenanlässen über seine Erfahrungen mit High Performance im Spitzensport, unterstützt das SRF bei Tennisübertragungen als Kommentator und Experte, schreibt als Tennis-Kolumnist für die Basler Zeitung, engagiert sich beim Verband bei der Weiterbildung von Tennis-Coaches und unterrichtet junge, regionale Talente.