Souveränes Spiel von Leila Schayegh
07.01.2025 Rheinfelden, MusikVivaldi, Veracini und Bach. Das waren die Komponisten am Rheinfelder Neujahrskonzert, gegeben vom Barock-Ensemble «capriccio». Es war Musik, geprägt von italienischer Spielfreude und Virtuosität.
Edi Strub
Francesco Maria Veracini hatte das ...
Vivaldi, Veracini und Bach. Das waren die Komponisten am Rheinfelder Neujahrskonzert, gegeben vom Barock-Ensemble «capriccio». Es war Musik, geprägt von italienischer Spielfreude und Virtuosität.
Edi Strub
Francesco Maria Veracini hatte das «Concerto à otto stromenti», das das «capriccio» zur Aufführung brachte, für das Krönungsfest des deutsch-römischen Kaisers Karl VI. in Venedig komponiert. Entsprechend festlich-pompös kommt es daher. Die Geigen, Oboen und Trompeten jubeln um die Wette. Erstmals aufgeführt wurde das Werk des damals 21-jährigen Komponisten in der Frari-Kirche, in der grössten und schönsten gotischen Kirche in der Lagunenstadt. Schon der vollständige Name der Kathedrale – Santa Maria Gloriosa dei Frari – verspricht Festlichkeit. Und so tönte es auch im freilich etwas profaneren Bahnhofsaal in Rheinfelden. Veracinis Musik verströmte Wohlklang und Freude, wie es für ein Neujahrskonzert passt. Veracini war selbst ein glänzender Geiger. Entsprechend anspruchsvoll ist das Konzert für die Sologeige. Das ist Absicht: Es soll schwierig tönen und es ist es auch. Doch Leila Schayegh und das «capriccio» waren dieser Herausforderung gewachsen. Es tönte wunderbar im Bahnhofsaal und das Publikum zeigte sich begeistert. Bereits in der Tonhalle Zürich, wo das «capriccio» am Tag zuvor dasselbe Konzert gegeben hatte, spendete das Publikum rauschenden Beifall, wie die Präsidentin des Orchesters Christine Egerszegi stolz berichtete. Und das vor praktisch ausverkauftem Hause.
Das «capriccio»-Orchester spielte an diesen Abend auf einem ganz anderen Niveau als früher bisweilen. Leila Schayegh ist nicht nur eine renommierte Barock-Geigerin, sondern auch eine sehr gute Orchesterleiterin. Sie ist dafür im vergangenen Jahr mit dem Schweizer Musikpreis ausgezeichnet worden. Trotz einem sehr anspruchsvollen Part als Solistin hielt sie ständig engen Kontakt mit den übrigen Musikern. Durch Blicke und kleine Gesten. Man spürte auch, dass sie ihr Wissen und Können als Barockspezialistin auf ihre Mitspieler zu übertragen vermag. Wunderbar zum Beispiel ihr Zusammenspiel mit dem Cellisten selbst bei den heikelsten Passagen
– unter anderem im zweiten Teil des Konzerts mit den «Quattro Stagioni»- Konzerten von Vivaldi.
Die «Jahreszeiten» von Antonio Vivaldi gehören wohl zu den am häufigsten gespielten Violinkonzerten der Klassik. In Venedig tönen sie in der Touristenzeit aus jeder Kirche. Zu den auffallendsten Qualitäten dieser Kompositionen gehört das Lautmalerische, wenn es zum Beispiel um die Darstellung von Sturm und Gewitter oder die zu Eis erstarrten Seen geht. Auch die Freuden des Bauern nach guter Ernte erschliessen sich leicht aus der Musik. Gleichzeitig sind diese Konzerte auch erstaunlich kühn in ihrer Harmonik, nicht bloss glatt und schönklingend. Da ist viel «Dreck» drin wie ein Schweizer Pop- und Rockstar zu sagen pflegte. Und gerade das vermochte Leila Schayegh zusammen mit Konzertmeister Dominik Kiefer hervorragend herauszuarbeiten. Und so gab es auch in Rheinfelden stehenden Applaus zum Schluss des Konzerts und dann – zum Dank dafür – eine kleine Zugabe: das berühmte wiegende Andante aus dem Konzert RV 222 von Vivaldi.
Nebengeräusche
Im Bahnhofsaal in Rheinfelden ist es unvermeidlich, dass bei Pianopartien manchmal das laute Rumpeln der Züge zu hören ist. Das wird wohl auch nach der Renovation des Saals so sein. Aber vielleicht können Architekt und Bauingenieur dafür sorgen, dass man in Zukunft nicht auch noch die brummende Lüftung hört wie auch während des Konzerts am Freitag. Vielleicht hat es in Zukunft auch keine Mütter mehr, die ihre Kleinkinder mit ins Konzert nehmen, die dort natürlich plaudern und rumzurennen versuchen, was das Publikum stört und der Geigerin die Konzentration raubt. Leila Schayegh spielte praktisch alles auswendig. Besser für Kinder passt zum Beispiel das jährliche Familienkonzert von «argovia philharmonic» in Rheinfelden.