Sein Stolz waren seine Rex- und Dalmatiner-Kaninchen
02.04.2025 Persönlich, RheinfeldenMit wachem Geist feierte Willi Sollberger dieser Tage seinen 90. Geburtstag
Er lebte bescheiden. Zuerst als Jungarbeiter auf verschiedenen Bauernhöfen. Dann als Sortiermeister in der Zigarrenfabrik Wuhrmann in Rheinfelden. Luxus brauchte er nicht. Eine Ausfahrt mit dem Rad nach ...
Mit wachem Geist feierte Willi Sollberger dieser Tage seinen 90. Geburtstag
Er lebte bescheiden. Zuerst als Jungarbeiter auf verschiedenen Bauernhöfen. Dann als Sortiermeister in der Zigarrenfabrik Wuhrmann in Rheinfelden. Luxus brauchte er nicht. Eine Ausfahrt mit dem Rad nach Gelterkinden genügte. Beschäftigt hat er sich während Jahrzehnten vor allem mit seinen Kaninchen und Hühnern.
Edi Strub
Willi Sollberger ist der älteste Mensch, den ich je interviewt habe. Er sitzt in einem Sessel, vor sich hat er einen Rollator, denn er kann sich wegen stark geschwollener Füsse nicht mehr gut bewegen. Sonst aber sei er in guter Form, sagt er. Er höre noch immer sehr gut und brauche kein Hörgerät. Nach seiner Augenoperation vor einiger Zeit sehe er auch wieder perfekt. Er lese die Zeitung ohne Brille. Das ist mehr als der Interviewer von sich behaupten kann. Und Willi Sollberger legt gleich noch einen drauf: «Ich war immer ein guter Schütze. Und deshalb habe ich meinen Karabiner samt Munition und grüner Uniform behalten, als ich meine Dienstpflicht erfüllt hatte. Schiessen könnte ich noch heute.»
Noch immer lebt Willi Sollberger in seinem Haus am Gartenweg in Rheinfelden. Dank einer 24-Stunden-Betreuung und dem Einsatz seiner Kinder und Schwiegertöchter. In ein Alters- oder Pflegeheim möchte er lieber nicht ziehen. Weil er aber nicht mehr sicher auf den Füssen sei, gehe er im Winterhalbjahr nicht mehr nach draussen. Deshalb langweile er sich manchmal. Aber wenn es nun wieder wärmer werde, werde er sich bei gutem Wetter tagsüber wieder auf seinem Sitzplatz vor dem Haus einrichten. Da könne er verfolgen, was in der Umgebung vor sich geht.
Immer einen gerechten Lohn verlangt
Aufgewachsen ist er in Rohrbach im Oberaargau im Dreieck zwischen Langenthal, Huttwil und Herzogenbuchsee. In der Schule habe er nicht geglänzt, er sei nicht so «gescheit» gewesen wie andere, sagt er ohne Groll. Darum habe er auch keine Lehre machen können. Stattdessen habe er angefangen, bei Bauern zu arbeiten, aber nicht gratis. Er habe schon als Bub immer einen gerechten Lohn verlangt. Als er ein bisschen älter war, habe er eine Zeitlang im Welschland, in Syens, gearbeitet. Auf einem Bauernhof mit sechs, sieben Kühen und zwei Pferden. Seine Aufgabe sei es gewesen, den Stall zu machen, die Pferde zu füttern, zu tränken und zu striegeln. Ein Italiener sei dann mit ihnen «gefahren». Nach ein paar Wochen habe er diesem dann aber klar gemacht, dass auch er mit den Pferden aufs Feld wolle. Er habe das perfekt gekonnt. Er habe mit diesen manchmal auch widerspenstigen Tieren gut umgehen können. Ausserdem habe er die Kühe gemolken und die Milch dann auf dem Rücken in die Käserei getragen. Angefangen habe die Arbeit jeweils um fünf Uhr morgens. Nach dem Essen um sechs Uhr abends sei es dann noch einmal in den Stall gegangen bis um halb neun oder neun. Und das jeden Tag. Nur am Sonntag hätte er um elf vormittags nach dem Wischen des Hofs frei machen können bis um vier Uhr. Dann sei es wieder in den Stall gegangen zum Ausmisten und Melken.
Sortierer bei der Zigarrenfabrik Wuhrmann
Irgendwann sei er dann im nahen Madiswil einer jungen Frau begegnet. Wie und unter welchen Umständen wisse er nicht mehr. Jedenfalls habe er dann geheiratet und sechs Wochen später sei sein erster Sohn zur Welt gekommen. Und im gleichen Jahr gleich noch einer – der Willi jun. Insgesamt seien aus ihrer Ehe vier Burschen hervorgegangen. Ein Mädchen habe es nie gegeben.
Ein paar Jahre später habe sich dann die Gelegenheit ergeben, nach Rheinfelden in die Zigarrenfabrik Wuhrmann zu wechseln. Herr Wuhrmann habe alles für seine Familie vorbereitet. Er sei ordentlich bezahlt worden und die Firma habe ihm eine Wohnung vermittelt. Bei Wuhrmann habe er dann gearbeitet, bis die Zigarrenfabrik ihren Betrieb einstellte. Er habe Zigarren «sortiert», das heisst auf ihren perfekten Zustand überprüft. Er habe immer bescheiden gelebt. Er habe nie ein Auto oder einen Töff besessen. Mit der Zeit konnte er aber ein Haus erwerben mit zwei Wohnungen, die er nun vermietet.
Kaninchen und Hühner
In diesem Haus konnte er auch seinem grossen Hobby frönen, der Zucht und Haltung von Kaninchen und Hühnern. Er habe zeitweise 50 bis 60 Kaninchen gehabt und etwa gleich viele Hühner. Die Eier habe er verkauft und das Kaninchenfleisch manchmal auch. Aber rentiert hätten die Kaninchen kaum. Die hätten zu viel gefressen. Stattdessen sei er mit den schönsten Exemplaren an Ausstellungen gefahren – einmal bis nach Genf. Er habe vor allem Kaninchen der Sorte Rex und gefleckte Dalmatiner gezüchtet. Seiner Frau hätten die französische Widder am besten gefallen – bekannt für ihre Hängeohren. Seine Frau ist inzwischen gestorben und Kaninchen und Hühner habe er auch nicht mehr. Denn das sei mit viel Arbeit verbunden. Das Gras und Heu habe er immer selbst eingebracht von kleinen Parzellen in Rheinfelden und Magden, die ihm zur Verfügung standen. Zeitweise habe er sogar eine kleine Mähmaschine gehabt. Eingelagert habe er das Heu im Dachstock seines Hauses mitten im zentralen Rheinfelden. Damit er mit seinen Tieren an Ausstellungen fahren konnte, um sie vorzuführen, habe er mit ihnen «turnen» müssen. Er habe ihnen kleine Kunststücke gelehrt wie das Männchen machen. Manchmal sei das gut gegangen, manchmal auch nicht, je nach Tagesform und Laune der Kaninchen.
Er habe auch geholfen, für den Züchterverein eine neue Kleintieranlage zu bauen. Denn die Anforderungen an die Tierhaltung seien ständig gestiegen. Ausserdem habe er an Kaninchen-Ausstellungen in Rheinfelden kochen und grillieren müssen. Das habe er sehr gern und gut gemacht. Das habe ihm nach dem Tod seiner Frau dann geholfen, die Küche zuhause zu übernehmen, bis er vor etwa zehn Jahren wegen Krankheit dazu nicht mehr imstande war.