«Loslassen gehört zum Leben»
26.03.2025 Persönlich, RheinfeldenNach zwölf Jahren als Stadtoberförster von Rheinfelden geht Kurt Steck in Pension. Wir treffen ihn zum Gespräch in einem besonderen Wald.
Valentin Zumsteg
Man sieht es auf den ersten Blick: Hier im Wald fühlt sich Kurt Steck am wohlsten. Der Rheinfelder ...
Nach zwölf Jahren als Stadtoberförster von Rheinfelden geht Kurt Steck in Pension. Wir treffen ihn zum Gespräch in einem besonderen Wald.
Valentin Zumsteg
Man sieht es auf den ersten Blick: Hier im Wald fühlt sich Kurt Steck am wohlsten. Der Rheinfelder Stadtoberförster steht im Naturwaldreservat Beuggenboden und erzählt von seiner Arbeit in den letzten zwölf Jahren. Dabei nimmt dieses neu geschaffene Naturwaldreservat einen besonderen Platz ein. Auf 24 Hektaren wird der Wald hier ohne menschliche Einf lussnahme und Steuerung künftig der natürlichen Entwicklung überlassen. Die Rheinfelder Ortsbürgergemeinde als Waldeigentümerin hat dem Nutzungsverzicht im vergangenen Juni zugestimmt. Für Kurt Steck ist es ein Herzensprojekt; er freut sich, dass es verwirklicht werden konnte.
«Ein guter Zeitpunkt»
«Das ist ein herrlicher Laubmischwald, der nicht mehr wirtschaftlich genutzt wird», sagt Steck beim Spaziergang und weist auf umgestürzte Bäume hin, die sich langsam über Jahrzehnte hinweg zersetzen und wieder zu Humus werden. «Hier kann der Besucher den Wald mit allen Sinnen auf sich wirken lassen. Unser Lebensraum war ursprünglich ein riesiger, fast flächendeckender Naturwald. Solch urtümliche Wälder haben deshalb einen unschätzbaren natürlichen Selbstwert. Es ist gut und tut uns gut, wenn wir nicht jeden Flecken Erde zu unserem Nutzen umgestalten und pflegen. Es ist wichtig, dass wir lernen loszulassen, denn wir alle müssen im Leben immer wieder Liebgewonnenes loslassen. Loslassen kann weh tun, aber es ist oft notwendig, es macht uns frei, bescheiden und demütig.»
Loslassen – davon spricht Kurt Steck bei diesem Treffen mehrfach. Per Ende Mai lässt er sich mit 64 Jahren pensionieren, Ende April hat er bereits seinen letzten Arbeitstag. «Für mich ist jetzt ein guter Zeitpunkt, um einen neuen Lebensabschnitt zu beginnen. Meine Frau ist seit Anfang Jahr in Pension. Wie schwer mir der Abschied fallen wird, weiss ich noch nicht, aber ich hoffe doch, dass ich die freie Lebenszeit im Ruhestand gut ausfüllen kann.»
Anfang 2013 hat er seine Arbeit als Stadtoberförster in Rheinfelden begonnen, zuvor wirkte er während 17 Jahren als Kreisförster im Forstkreis 1 Jura-Fricktal des Kantons Aargau. «Durch meine langjährige Berufstätigkeit, erst als kantonaler Forstinspektor, dann in den letzten zwölf Jahren als Stadtoberförster in Rheinfelden, haben sich meine Berufsziele nach Abschluss meines Studiums voll erfüllt. Ich habe den Schritt vom Kanton zur Stadt nie bereut. Die Arbeit als Stadtoberförster ist anspruchsvoll, vielseitig und abwechslungsreich.» Kurt Steck ist heute für eine Waldfläche von rund 1500 Hektaren in den Gemeinden Rheinfelden, Magden, Wallbach und Olsberg verantwortlich. Neben dem Forst gehört auch das Fricktaler Museum zu seinem Zuständigkeitsbereich, ebenso die Geschäftsführung der Rheinfelder Ortsbürgergemeinde.
«Wir Förster können nicht machen, was wir wollen»
In den letzten Jahren sind einige grosse Projekte in Angriff genommen worden: 2014 konnte im Rheinfelder Wald ein fast 500 Hektar grosses Eichenwaldreservat ausgeschieden und vertraglich auf 50 Jahre gesichert werden. Jahr für Jahr werden zwei Hektaren Eichenjungwald neu gepflanzt. «Die Eiche soll im Stadtwald langfristig zu einer Hauptbaumart, der Eichenanteil innerhalb von rund 100 Jahren von heute 10 auf 20 Prozent verdoppelt werden. Die heimischen Stiel- und Traubeneichen sind Baumarten, die vom Klimawandel profitieren dürften, sodass die langfristige Eichenförderung hoffentlich zu einem möglichst klimafitten Zukunftswald beitragen wird», erklärt Steck.
In den vergangenen Jahren ist es gelungen, den einstmals defizitären Forstbetrieb durch Kostensenkungen und Mehrerträge beim Energieholz in die schwarzen Zahlen zu führen. Es gab aber auch immer wieder Kritik an der Arbeit des Forstbetriebs. Bürgerinnen und Bürger bemängelten etwa, dass der Wald zu stark genutzt werde. «Kritik gibt es in jeder Gemeinde, das gehört dazu. Ich sehe sie durchaus positiv im Sinne einer Sozialkontrolle. Manche Kritiker meinen aber, wir könnten im Wald selbstherrlich machen, was wir wollen. Das ist überhaupt nicht so. Die Waldwirtschaft ist vom Kanton streng geregelt und die Forstbetriebe unterstehen der kantonalen Aufsicht und Kontrolle», betont Steck. Alle 15 Jahre muss ein Betriebsplan erarbeitet werden, in dem genau festgehalten wird, wieviel Holz in den kommenden Jahren genutzt werden darf. «Dieser Plan muss vom Kanton genehmig werden und darauf basierend erteilt das Kreisforstamt die jährlichen Holzschlagbewilligungen.» Die Kritik zeige aber, dass der Wald der Bevölkerung am Herzen liege, was erfreulich sei.
Beim Spaziergang durch den Wald sind wir mittlerweile unten beim Rhein angekommen. Hier liegen umgestürzte Bäume im Wasser. «Das gibt Lebensraum für Fische», freut sich Steck. Der Wald bedeutet ihm viel: «Ich bin quasi im Wald aufgewachsen», sagt er mit einem Lachen. Als er ein kleiner Junge war, arbeitete sein Vater als Förster in Mumpf. «Er hat mich schon als kleiner Bub viel in den Wald mitgenommen. In der Oberstufe habe ich dann oft in den Ferien im Wald gearbeitet und so etwas Geld verdient.» Nach dem Gymnasium studierte er Forstwirtschaft an der ETH in Zürich. «Ich spüre eine starke Verbundenheit zur Natur, ganz speziell zum Wald und zu den Bergen.»
Ein Läufer mit Ausdauer
In seiner Freizeit geniesst er die Natur teilweise sehr zügig, denn Kurt Steck ist ein passionierter Läufer. Er hat schon an manchem Trail-Marathon teilgenommen. Im vergangenen Jahr absolvierte er – fast 40 Jahre nach seiner letzten Teilnahme – erneut den traditionellen 100-Kilometer-Lauf in Biel. Unvergesslich ist ihm auch der Marsch, den er im Jahr 2020, als während der Corona-Pandemie keine Marathons stattfanden, von seinem Wohnort in Wölflinswil ins Ferienhaus in Obersaxen zurücklegte. In 46 Stunden meisterte er die rund 180 Kilometer und 4000 Höhenmeter – ohne Schlafpause, aber mit einigen Schmerzen in den Füssen. Jetzt freut er sich, künftig mehr Zeit für sich, seine Familie und Freunde zu haben. Zusammen mit seiner Frau besitzt er ein Haus in Südschweden, wo auch sein ältester Sohn mit Frau und Enkelin lebt. Dort wollen sie künftig regelmässig ein paar Monate verbringen. Der Lebensmittelpunkt soll aber im Fricktal bleiben. «Wenn mir weiterhin die nötige Gesundheit vergönnt ist, werde ich bestimmt mehr Zeit für das Lauftraining, aber auch für die notwendige Erholung haben. Das Alter geht schliesslich auch an Langstreckenläufern nicht spurlos vorbei.» Und natürlich will er viel Zeit im Wald und in den Bergen verbringen.
Zum Schluss des Gesprächs wird er noch nachdenklich: «Es gehört zur öffentlichen Verwaltung einer Demokratie, dass man im politischen Entscheidungsprozess auch mal eine Absage der Stimmbürgerschaft hinnehmen muss.» Dass aber Planungs- und Baubewilligungsverfahren immer öfter unsäglich viel Zeit in Anspruch nehmen, findet er bedenklich. Während seiner gesamten Berufszeit als Rheinfelder Stadtoberförster beschäftigte ihn das Waldseilparkprojekt im Gebiet Schiffacker und zu gerne hätte er den Bau und die Eröffnung der Anlage noch im Amt miterlebt. «Noch steht das Baubewilligungsverfahren aus, aber der Waldseilpark sollte im günstigsten Fall im nächsten Winter endlich erstellt werden können – fast 20 Jahre nach der Lancierung des Projekts.» Zuversichtlich blickt der Geschäftsführer der Ortsbürgergemeinde den Gemeindeversammlungen vom kommenden Juni entgegen, wo die Würfel hinsichtlich Realisierung eines attraktiven neuen Fricktaler Museums fallen sollen. «Das ist ein grossartiges Geschenk von Einwohnergemeinde und Ortsbürgergemeinde an die Bevölkerung zum 900-Jahr-Jubiläum der Stadt Rheinfelden im Jahr 2030», sagt Steck.
Zu Beginn seiner Anstellung in Rheinfelden konnte das Eichenwaldreservat, das sein Vorgänger aufgegleist hatte, umgesetzt werden, zum Abschluss das Naturwaldreservat Beuggenboden. Für Kurt Steck schliesst sich jetzt ein Kreis.