Das Bezirksgericht Rheinfelden hat einen 23-jährigen Mann wegen mehrfachen versuchten Mordes verurteilt. Die ausgesprochene Freiheitsstrafe von elf Jahren wird zugunsten einer stationären Massnahme aufgeschoben. Ist die Massnahme erfolgreich, kommt er in knapp zwei Jahren wieder ...
Das Bezirksgericht Rheinfelden hat einen 23-jährigen Mann wegen mehrfachen versuchten Mordes verurteilt. Die ausgesprochene Freiheitsstrafe von elf Jahren wird zugunsten einer stationären Massnahme aufgeschoben. Ist die Massnahme erfolgreich, kommt er in knapp zwei Jahren wieder frei.
Valentin Zumsteg
Als Gerichtspräsident Christoph Lüdi am Freitagmorgen das Urteil verkündete, flossen beim Angeklagten Tränen. Der 23-jährige Kosovare, der in der Schweiz aufgewachsen ist, musste sich vor dem Bezirksgericht Rheinfelden verantworten, weil er bei einem Drogenhandel im August 2020 in Stein zwei junge Männer niedergestochen hatte.
«Wenn es dumm gelaufen wäre, hätte es zwei Tote gegeben»
Der Beschuldigte, der drogensüchtig war, wollte damals 100 Gramm MDMA-Kristalle beziehen. Als Kaufpreis waren 1100 Franken vereinbart. Da er nicht über die nötigen finanziellen Mittel verfügte, beabsichtigte er, die Verkäufer zu übertölpeln. Statt des Geldes überreichte er ihnen bei der Übergabe ein Couvert mit wertlosem Papier. Diese bemerkten den Betrug sofort – und dann lief die Situation aus dem Ruder. Bei der Auseinandersetzung griff der Angeklagte, der von einem Kollegen begleitet wurde, zu einem mitgebrachten Messer und verletzte die beiden Männer schwer. Einem stach er in den Brustkorb, dem anderen in den Oberarm (die NFZ berichtete). «Nur durch Glück leben die beiden noch. Wenn es dumm gelaufen wäre, hätte es zwei Tote gegeben», sagte der Gerichtspräsident am Freitag. Die beiden Verkäufer seien keine professionellen Drogendealer gewesen, sondern unerfahrene junge Erwachsene.
Für den Angeklagten habe keine Notwehr-Situation bestanden. «Er hat als erster und einziger ein Messer zum Einsatz gebracht», erklärte Christoph Lüdi. Das einzige Ziel des Beschuldigten sei gewesen, die Drogen zu bekommen. Davon habe er auch nicht abgelassen, als die Situation eskalierte. Eine Einschränkung der Steuerungsfähigkeit habe beim Angeklagten zum Tatzeitpunkt nicht bestanden – trotz seiner Drogensucht. «Er hat alles durchgezogen wie geplant», so Lüdi. Das Gericht verurteilte den 23-Jährigen wegen mehrfachen ver sucht en Mordes, Betäubungsmittel-Vergehen und Waffenbesitz zu einer Freiheitsstrafe von elf Jahren. Zudem muss er den beiden Opfern eine Genugtuungssumme von 20 000 respektive 10 000 Franken bezahlen. Die Freiheitsstrafe wird zugunsten einer stationären Massnahme mit Suchtbehandlung aufgeschoben. Eine solche Massnahme dauert längstens vier Jahre. Wenn sie erfolgreich verläuft, muss er danach die verhängte Freiheitsstrafe nicht antreten. Da der Angeklagte bereits seit Juli 2021 in einem Massnahmenzentrum untergebracht ist, besteht also die Möglichkeit, dass er in knapp zwei Jahren auf freien Fuss kommt.
Kein Landesverweis wegen Härtefall
Der Staatsanwalt hatte eine Freiheitsstrafe von 16 Jahren und einen Landesverweis über 15 Jahre gefordert. Das Gericht verzichtet mit einem Mehrheitsentscheid auf einen Landesverweis, dies unter Berücksichtigung der so genannten Härtefall-Klausel. Der Angeklagte spricht kein Albanisch und hat kaum Verwandte im Kosovo, begründete Lüdi. Eine Minderheit der Richter hätte einen Landesverweis von fünf Jahren verhängt.
Abschliessend erklärte der Gerichtspräsident dem Angeklagten: «Das Gericht erwartet von Ihnen, dass sie jetzt im Massnahmenzentrum eine Berufsausbildung machen und danach arbeiten. Sie sind noch jung und können sich etwas aufbauen. Es liegt nicht mehr der kleinste Gesetzesverstoss drin. Für sie steht viel auf dem Spiel.»