«Ich bin Lobbyistin und das heisst für mich auch Zuhören»
26.10.2024 Persönlich, SteinRegina Ammann: von der Politik in Bern in die Politikabteilung von Syngenta
Regina Ammann arbeitet für Syngenta und damit für ein Unternehmen, das Konsumenten meist nicht kennen. Ganz anders Leute, die in Stein und Umgebung wohnen, denn Syngenta betreibt dort ein grosses ...
Regina Ammann: von der Politik in Bern in die Politikabteilung von Syngenta
Regina Ammann arbeitet für Syngenta und damit für ein Unternehmen, das Konsumenten meist nicht kennen. Ganz anders Leute, die in Stein und Umgebung wohnen, denn Syngenta betreibt dort ein grosses Forschungszentrum, spezialisiert auf Pflanzen- und Bodenschutz sowie Saatgutbehandlung.
Edi Strub
Auf der Visitenkarte von Regina Ammann steht «Leiterin Nachhaltigkeit & Public Affairs». Sie beschäftigt sich also mit Politikfragen, die Syngenta betreffen, und betreibt Lobbying für die Firma bei Politikern, Verbänden und NGOs. Doch beinahe hätte ihre Karriere in jungen Jahren eine andere Richtung genommen. Denn im März 1999 wurde sie Nationalrätin für den Landesring der Unabhängigen (LdU), nachdem der damalige Aargauer Vertreter der Partei, Samuel Meier, plötzlich gestorben war. Sie sei zuvor Grossrätin gewesen und habe sich immer sehr für Politik interessiert. Aber dieser Rutsch nach oben kam dennoch sehr unverhofft. Die Wiederwahl gelang dann freilich nicht, und auch der LdU als Partei vermochte sich im Nationalrat nicht mehr zu halten und wurde kurz danach aufgelöst. «Ich durfte in Bern unverhofft ein Politpraktikum absolvieren», lacht Regina Ammann. Und ernsthafter: «Das war ein grosses Privileg». Der Landesring der Unabhängigen (LdU) war eine Gründung von Gottlieb Duttweiler, dem Vater der Migros. «Dutti», wie er im Volk liebevoll genannt wurde, wollte mit dieser Partei seiner Idee des «Sozialen Kapitals» zum Durchbruch verhelfen. Der LdU sei in der Schweiz die erste Partei gewesen, die Nachhaltigkeit auf ihre Fahnen geschrieben hatte, sagt Regina Ammann. Das habe ihr gefallen.
Mit dem Fricktal näher in Kontakt kam Regina Ammann dann als Firmenkundenberaterin bei der damaligen SKA. Sie betreute und beriet Kleinfirmen, wenn es um Kredite und Investitionen ging. «Vor allem im November fuhr ich gerne auf Kundenbesuch ins Fricktal, weil dort oft die Sonne schien, während am Bürostandort in Aarau dicker Nebel lag.» Studiert hatte Regina Ammann in Zürich die Rechte, eine Ausbildung, die sie später mit einem Executive MBA in St. Gallen ergänzte. Damit war sie fit für höhere Weihen. Zuerst bei der Credit Suisse im Bereich Public Affairs, dann als Mitglied der Geschäftsleitung und Leiterin der Bundeshausgeschäfte beim Wirtschaftsdachverband Economiesuisse.
Verficht die Standpunkte mit Leidenschaft
Seit gut zehn Jahren arbeitet Regina Ammann nun für Syngenta. In diese Zeit fällt der Verkauf von Syngenta an den chinesischen Staatskonzern Chemchina für die nette Summe von 43 Milliarden Franken. Viele fanden es einen katastrophalen Fehler, dass ein so grosses Schweizer Unternehmen in chinesische Hände überging. Störend finden viele bis heute, dass China nicht Gegenrecht hält. Es ist unvorstellbar und bis jetzt auch tatsächlich nie passiert, dass ein grosses chinesisches Unternehmen beispielsweise von amerikanischen, deutschen oder schweizerischen Investoren übernommen wurde. Mehr als Joint Ventures (eine Kooperation zweier unabhängiger Unternehmen) lässt China in solchen Grössenordnungen nie zu. Regina Ammann verteidigt dennoch den damaligen Verkauf von Syngenta. Dafür habe es wichtige Gründe gegeben. Erstens hätte die Übernahme durch den amerikanischen Monsanto-Konzern das Ende von Syngenta bedeutet. Und zweitens habe sich der Verkauf an Chemchina für Syngenta positiv ausgewirkt. Syngenta sei gewachsen, prosperiere und habe einen Grosssteil seiner unternehmerischen Freiheit bewahren können. Die Chinesen hätten gezeigt, dass sie sehr langfristig planten und Syngenta als global tätiges Unternehmen erhalten wollten. Und schliesslich habe die chinesische Landwirtschaft technologisch grossen Nachholbedarf und brauche Inputs und Produkte, wie Syngenta sie bieten könne. So ganz schweizerisch, wie oft suggeriert wird, sei Syngenta ausserdem nicht gewesen. Nur rund ein Fünftel des Aktienkapitals sei im Besitz von Schweizern gewesen.
Es gehört zur Aufgabe von Regina Ammann solche Argumente vorzubringen. Und zwar immer wieder. Denn die Diskussion, ob dieser Verkauf klug war, ist bis heute nicht abgeschlossen. Auch in anderen Ländern sind Schlüsselunternehmen nach China verkauft worden. Ein prominentes Beispiel dafür sind Volvo Personenwagen, die an die chinesische Geely verkauft wurden. Auch in Schweden hatte man grosse Befürchtungen. Doch auch für Volvo scheint alles gut gegangen zu sein. Das Unternehmen entwickelt die meisten seiner Personenwagen noch immer in Torslanda bei Göteborg und steht heute unzweifelhaft viel besser da als vor dem Verkauf an Geely.
Einen Dialog führt Ammann auch mit Umweltgruppen, die für eine alternative Landwirtschaft eintreten. Diese stehen Multis wie Syngenta meist sehr kritisch gegenüber. Regina Ammann nennt sich selbst Lobbyistin und nimmt diese Rolle auch wahr, ohne sich unwohl zu fühlen. Sie müsse sich nicht verstellen. Sie verfechte die Standpunkte ihres Unternehmens mit Leidenschaft und überzeugt. Wichtig in solchen Diskussionen sei, dass man auch zuhören könne. Wie ein Seismograf gelte es Stimmungen und neue Tendenzen aufzunehmen und ins Unternehmen zurückzuspielen. Gerade im Fricktal gebe es anderes qualifiziertes Wissen in Bezug auf Landwirtschaft – unter anderem am FiBL an der Landwirtschaftsschule in Frick. Dem sollte man sich nicht verschliessen.