«Früher kannte ich auch nur Panaché»
18.10.2023 Persönlich, RheinfeldenJenny Blatter ist Biersommelière
Früher empfing Jenny Blatter als «Schlossfräulein» mit spitzem Hut die Gäste in der Feldschlösschen-Brauerei. Heute führt sie die Gäste als zertifizierte Bierexpertin durch die Brauerei und degustiert mit ...
Jenny Blatter ist Biersommelière
Früher empfing Jenny Blatter als «Schlossfräulein» mit spitzem Hut die Gäste in der Feldschlösschen-Brauerei. Heute führt sie die Gäste als zertifizierte Bierexpertin durch die Brauerei und degustiert mit ihnen Biere aus aller Welt.
Boris Burkhardt
Als Gäste hat Jenny Blatter heute Abend zwei Freunde Anfang 40, die einen Geburtstag nachfeiern, und einen etwas jüngeren Sohn mit seinem Vater, ebenfalls ein Geburtstagsgeschenk. Sie stellt regelmässig eine Biersorte der Brauerei Feldschlösschen auf den Tisch und eine ähnliche Sorte einer anderen Marke, z. B. Feldschlösschen Pale Ale und Valaisanne Pale Ale. Sie schenkt von den 25 Zapfhähnen im Besucherzentrum wahlweise jeweils ein 1-Deziliter-Glas ein und ermuntert einmal im Monat die Teilnehmer des «Sommelièrrundgangs» in der Rheinfelder Brauerei, die Biere zunächst mit der Nase zu riechen und dann mit dem Geschmack zu vergleichen.
Der Vater murrt humorvoll über die ganzen «exotischen» Biere: Er will eigentlich nur sein Lager trinken. Noch vor anderthalb Jahrzehnten kannte auch Blatter nur Panaché mit hellem Lager, «das in der Schweiz sehr beliebt war» – wenn sie überhaupt Bier trank. Von Porter oder Stout, Amber und Rouge hatte sie noch nie etwas gehört. Heute ist die 57-jährige gebürtige Arlesheimerin eidgenössisch zertifizierte Biersommelière bei der Brauerei Feldschlösschen, wo sie Gäste durch die Brauerei führt und Verköstigungen wie an diesem Abend leitet.
Dabei profitieren Blatter und ihre Gäste inzwischen von einer ganzen Palette von Biersorten unterschiedlichster Brauereien weltweit, die aber alle entweder von Feldschlösschen übernommen wurden oder deren Vertrieb die Feldschlösschen AG in der Schweiz übernimmt. Vor anderthalb Jahrzehnten wäre diese Vielfalt bei der Degustation in der Rheinfelder Brauerei noch nicht möglich gewesen. Tatsächlich sagt Blatter, sie habe fast ausschliesslich Biere getrunken und probiert, die auf diese Weise mit Feldschlösschen verbunden sind. Das gelte auch für die Ferien, egal wo auf der Welt.
Der Start als «Schlossfräulein»
Der Brauerei Feldschlösschen ist Blatter schon lange treu: Ursprünglich zur Coiffeuse ausgebildet, schenkte sie bereits als Mitarbeiterin beim FC Basel sowie an der Muba und der Herbstmesse am Stand Bier der Rheinfelder Brauerei aus. Vor 25 Jahren begann sie, als «Schlossfräulein» direkt für Feldschlösschen im Marketing zu arbeiten. Dort war ihr Mann Claude Blatter angestellt. «Ich war gekleidet wie ein Burgfräulein mit einem spitzen Hut: Das war mein Kindheitstraum», schwärmt Blatter: «Schon als Kind wollte ich an der Fasnacht immer so einen Hut tragen!»
Blatter durfte aber nicht nur gut aussehen, Feldschlösschen toll finden und auf dem Sechsspänner mitfahren, sondern übernahm Aufgaben als Tourführerin und Gästebetreuerin. «In dieser Zeit habe ich Bier lieben gelernt», erzählt Blatter «und seine Vielseitigkeit kennengelernt.» 2010 schloss sie die Ausbildung zur Biersommelière bei Gastro-Suisse mit einem Zertifikat ab. Für einen Diplomabschluss hätte sie nach Deutschland und Österreich gehen können, was sie aber aus persönlichen Gründen abgelehnt habe. Ausserdem sei diese weitergehende Ausbildung, wo es etwa um den Härtegrad des Wassers beim Brauen gehe, eher für Bierexperten gedacht, die selbst ausbilden wollten.
Oft Biere als Geschenk
Die Schweizer Bierkultur sei in den vergangenen 20 Jahren «erwacht», sagt Blatter, wobei sie betont, dass es nicht stimme, dass die Schweiz zuvor keine Bierkultur gehabt habe, wie oft kolportiert werde. Ein Lieblingsbier hat Blatter keines. Sie spricht lieber von einem «Lieblings-Situationsbier», das zu bestimmtem Essen oder zu bestimmten Stimmungen passe: «Ich habe viele Kuriositäten im Keller: Die Leute bringen mir oft Bier als Geschenk aus der ganzen Welt mit.»
Sie selbst empfinde sich nicht als Sammlerin, sagt Blatter im Hinblick auf ihre Kollektion und lacht: «Mein Mann würde sagen, ich bin eine.» Für sie selbst sei es wichtig, «sich auf ein Getränk einzulassen». Darunter seien auch immer wieder solche, die ihr tatsächlich nicht schmeckten. «Andere sind spannend zu probieren, ohne dass sie zu meinem Lieblingsbier werden», fährt Blatter fort und nennt ein kräftiges Gurkenbier oder ein spritziges Bier mit Champagnerhefe als Beispiele.
Menschen, die Bier skeptisch gegenüberstünden, lade sie ein, sich trotzdem mit der Nase auf das Geschmackserlebnis einzulassen: «Es gibt fast keinen, der dann nicht auch einen Schluck probiert hätte.» Bedenken, dass sie mit ihrem Beruf Menschen animiere, Alkohol zu konsumieren, hat Blatter keine. Sie nimmt die Frage durchaus ernst: Oft habe sie an Messen Gäste gebeten heimzugehen, wenn sie offensichtlich zu viel getrunken hätten. «Ich appelliere an den gesunden Menschenverstand erwachsener Konsumenten», sagt Blatter.
Heute wechseln Blatter und ihr Mann ihren zwischen ihren Wohnorten in Basel und seiner Heimat im Berner Oberland hin und her. Einige Jahre lebten die beiden auch in Ueken und Frick: «Das Dorf passte als junge Familie mit Kind und Hund super. Aber man konnte nie ohne Auto ausgehen. Deshalb zog es uns wieder in die Stadt.» An Rheinfelden schätzt sie neben dem Bier vor allem das Solebad. Blatters sind ausserdem gerne mit dem Wohnwagen unterwegs oder mit dem Boot im Roten Meer, auf Kreta und in der Karibik, wo sie tauchen.