Heuer pilgerten rund 300 Besucher und Besucherinnen aus nah und fern auf die kleine Anhöhe «Boll», und viele beteiligten sich selber am Scheibensprengen.
Jean-Marc Felix
Am Sonntag wurden, wie jedes Jahr nach Aschermittwoch, ...
Heuer pilgerten rund 300 Besucher und Besucherinnen aus nah und fern auf die kleine Anhöhe «Boll», und viele beteiligten sich selber am Scheibensprengen.
Jean-Marc Felix
Am Sonntag wurden, wie jedes Jahr nach Aschermittwoch, Hunderte von glühenden «Schiibe» in den Nachthimmel über Oeschgen geschossen. Das traditionelle «Schii be sprenge» geht auf einen alten heidnischen Brauch zurück, der den Winter vertreiben soll. Andere sagen, das Feuerspektakel würde böse Geister verjagen. Heuer pilgerten rund 300 Besucher und Besucherinnen aus nah und fern auf die kleine Anhöhe «Boll», und viele beteiligten sich selber am Scheibensprengen. Zur Freude der Organisatoren kamen auch viele Familien auf den Boll, und die ersten Regentropfen fielen vom Himmel, als die meisten Gäste schon in der Festhütte verschwunden waren.
Der Vorgang des Schiibensprengens erinnert ein wenig an das bekannte Hornussen. Die etwa zwölf mal zwölf Zentimeter grossen und zwei Zentimeter dicken Holzscheiben werden angeglüht und mittels einer gut zwei Meter langen Haselrute über eine Holzrampe talwärts geschleudert. Eine Gruppe von rund 20 Männern, «wilde Hufe» genannt, schnitzt jeweils die Scheiben aus Hagebuche von Hand – an die 1000 Stück pro Jahr – und ist für die Organisation des Anlasses verantwortlich.
Nicht jeder Schuss ein Treffer
Nicht jeder Schuss gelang am Sonntag auf Anhieb, aber geübte Schiibesprenger des «wilden Haufens» standen auch dieses Jahr mit Rat und Tat bereit. «Es gibt keine bestimmte Technik», meinte ein routinierter Schütze. «Einfach möglichst weit sollte die Scheibe fliegen.» Beim Einnachten wurde, wie es der Brauch seit 1979 will, das bereitstehende, strohumwickelte und mit Stoff überzogene Speichenrad angezündet. «Das ist der Höhepunkt des Abends», schwärmte Obmann Marcel Hauswirth und ergänzte, dass der vier Meter hohe Feuerkreis ein Sonnensymbol ist. Ein schweres Ding. Sicher zehn Männer brauche es, um das Rad zu tragen.
Aus verschiedenen Gründen zeitweise verboten
Der durch das Feuer entstehende Funkenflug und die glühenden Holzscheiben verdeutlichen, warum das Spektakel im Mittelalter vielerorts verboten wurde: Zu gross die Gefahr, dass die damals strohbedeckten Häuser Feuer fingen. Den Oeschgern gelang es 1725, sich den Feuerbrauch von den regierenden Herren von Schönau verbriefen zu lassen, was dazu beitrug, dass der Brauch für die folgenden Generationen erhalten blieb. Trotzdem wurde der Anlass in den 40er-Jahren für rund 30 Jahre abgeschafft, weil «der Dorfpfarrer einen Brauch heidnischen Ursprungs nicht duldete», weiss Hauswirth. Und ein weiterer Blick in die Geschichtsbücher bringt zu Tag, dass – wie am vergangenen Alten Fasnachtssonntag – schon 1472 Schiibe in den Oeschger Himmel geschossen wurden.