«Die Umwelt und die Tiere liegen mir am Herzen»
16.03.2024 Persönlich, KaiseraugstKunstmaler Thomas Thüring und das Verlangen zu malen
Der Basler Künstler Thomas Thüring wohnt seit 2020 zusammen mit seiner Frau in Kaiseraugst. In seinem kleinen Atelier fühlt er sich wohl und er schätzt sein Zuhause und die unmittelbare Nähe zum Rhein ...
Kunstmaler Thomas Thüring und das Verlangen zu malen
Der Basler Künstler Thomas Thüring wohnt seit 2020 zusammen mit seiner Frau in Kaiseraugst. In seinem kleinen Atelier fühlt er sich wohl und er schätzt sein Zuhause und die unmittelbare Nähe zum Rhein sehr.
Catherine Hossli
Beim Betreten seines Ateliers in seiner Wohnung im Dorfkern von Kaiseraugst ist man zuerst überrascht; ein Arbeitszimmer, lediglich ausgestattet mit einem Schreibtisch, der bestückt ist mit Malerutensilien und Farbe und davor steht ein Kindergartenstuhl mit deutlichen Spuren der Zeit. «Dieser Stuhl begleitet mich schon seit meiner Kindheit. Bereits im Kindergarten malte ich am liebsten. Später in der Schule waren die musischen Fächer Zeichnen, Turnen und Singen meine Favoriten», erklärt Thomas Thüring. In seinem Atelier entstehen seine Kunstwerke, immer nur eins aufs Mal. Und wenn ein Werk doch die Dimensionen überschreitet, weicht er kurzerhand in die grosse Garage aus. Neben seinen Gemälden gehören auch Objekte und Installationen in sein Repertoire.
Von «Animals and Poppies» zur Tiefsee
Seine letzte Ausstellung in der Galerie Sarasin Art in Basel hiess «Animals and Poppies», zu Deutsch Tiere und Mohnblumen. «Die Tiere und die Umwelt liegen mir sehr am Herzen. Aus Respekt gegenüber den Tieren ernähre ich mich schon seit Jahren vegan», so Thüring. In seiner Ausstellung malte er nicht einfach heimische Wild- und Nutztiere, sondern zeigte sie als Portraits, als handle es sich um bekannte Persönlichkeiten. Hase und Dachs, Huhn und Hahn, Schaf und Schwein wurden zu eigenständigen Individuen mit fast menschlichen Zügen. Aktuell arbeitet der Künstler an seinem neusten Projekt «Tiefsee», das im Juni 2024 an der Kunstmesse «die KUNST» in Grenzach-Wyhlen ausgestellt wird. Fasziniert erzählt er: «Die Tiefsee mit all ihren Kreaturen ist praktisch unerforscht. Selbst über die Mondoberfläche wissen wir besser Bescheid als über das Leben am Boden der Tiefsee. Ich hole mir viele Informationen aus dem Internet und aus Büchern und vereine diese mit meiner Fantasie zu einem Kunstwerk. Viele meiner Arbeiten basieren auf persönlichen Geschichten und Eindrücken von mir, die ich in meine Objekte einfliessen lasse, aber natürlich steht die Eigeninterpretation der Käufer meiner Werke immer im Vordergrund».
Kreativer Familienvater
«Ich hatte den Künstler schon immer in mir, aber trotzdem machte ich in den 1980er Jahren eine Lehre in einer Basler Spedition. Nach der Lehre arbeitete ich als Betriebsassistent bei der Post, aber mein Ding war es nicht. Mir fehlte die Kreativität, das Handwerk. Diese Möglichkeit eröffnete sich mir, als ich als Vergolder und Bilderrestaurator zu arbeiten begann. Das war der Beginn meines Künstlerdaseins. Ich habe mich mit Bilderrahmen und Kunst intensiv auseinandergesetzt und berufsbegleitend die Kunstgewerbeschule in Bern besucht. Ich wollte kunstmalen und davon leben können. So machte ich ein Jahr lang einen Atelier-Besuch in Brooklyn. Als ich wieder zurück kam aus dieser impulsiven Stadt, war mein Kopf voll von Ideen und ich war voller Tatendrang. Es schien mir wie eine Initialzündung. Ich fing an, Bilder zu malen und bei einem Besuch einer Kunstgalerie eines Künstlerfreundes in Zürich wurde ich auf meine Kunst angesprochen und ich erhielt die unglaubliche Chance, meine Kunst in der Galerie neben dem Kunsthaus Zürich auszustellen. Es war ein Senkrechtstart: Meine Bilder gingen weg wie warme Weggli. Es ging mir gut, ich konnte von meiner Kunst leben», erzählt er weiter.
«Mitte der 90er Jahre habe ich meine grosse Liebe Sabine geheiratet. Wir haben zwei wunderbare Kinder. Ich ging in meiner Rolle als Vater auf und habe meine Kreativität hauptsächlich in die Erziehung unserer Kinder gesteckt. Das war für mich eine wunderbare Erfahrung. Als die Kinder erwachsen waren, fing ich 2014 wieder an, ausschliesslich künstlerisch zu wirken. Für meinen Neustart wollte ich zuerst meine figurative Kunst hinter mir lassen – eine Zäsur sozusagen. Ich habe mich mit der Abstraktion ‹Kreuz› auseinandergesetzt. Es entstanden viele Bilder, vom mathematischen Plus-Symbol bis zum christlichen Kreuz. Das Resultat war eine grosse Einzelausstellung in einer Spinnerei in Lausen. Die Ausstellung war ein grosser Erfolg und führte zu meiner zweiten Karriere als Künstler.»
Von der Kunst am Leben gehalten
Ein plötzlicher Herzstillstand beim Volleyballspielen, den er nur durch mehrere glückliche Fügungen überlebt hat, hat ihn dazu bewogen, kürzer zu treten und zusammen mit seiner Frau 2020 in deren Elternhaus in Kaiseraugst zu ziehen. 2023 musste die Familie nochmals um ihn bangen; eine Herzentzündung, die sein Leben wieder an einem seidenen Faden hängen liess, konnte nur durch eine schwere Operation behoben werden. «Die Ausstellung bei Sarasin Art war zu diesem Zeitpunkt bereits aufgegleist und ich wollte diese Ausstellung unbedingt machen. Als ich für einen Urlaub aus dem Unispital Basel nach Hause durfte, habe ich in einem Anflug von Energie und mit dem umgehängten, portablen Defibrillator ein monumentales, abstraktes Mohnblumen-Bild «The Three Big Poppies» im Garagenatelier gemalt. Der Hintergrund, dass es vielleicht das letzte Bild sein könnte, hat mich zur Höchstleistung motiviert. Ich habe nach der dreiwöchigen Reha ein Bild nach dem anderen gemalt, mit einer unglaublichen Genauigkeit. So schlimm meine Krankheit auch war, hat sie mich gelehrt, Kraft und Geduld aufzubringen. Das Verlangen zu Malen und natürlich auch zu meiner Familie zurückzukehren, hat mich gepuscht und hat mich am Leben gehalten», ist der Künstler überzeugt. Und er ist dankbar.