«Die Arbeit auf dem Hof hat mich geprägt»

  21.07.2023 Persönlich, Frick

Ernst Gisin, CEO der Stahlton Bauteile AG in Frick

Er hätte Bauer werden können, lernte stattdessen Werkzeugmacher und wurde Ingenieur. Vor 30 Jahren wechselte Ernst Gisin vom Gummi- ins Beton-Geschäft. Ende Monat gibt der 63-Jährige die Geschäftsführung der Stahlton Bauteile AG in Frick in neue Hände. Als Präsident des Verwaltungsrats bleibt er für die strategische Innovation verantwortlich.

Simone Rufli

«Man muss nah bei der Sache sein», sagt Ernst Gisin und blickt aus dem obersten Stock des Bürogebäudes übers Firmengelände. Elf Jahre ist es her, dass der Firmensitz der Stahlton Bauteile AG auf sein Betreiben hin von Zürich zum Produktionsstandort beim Dinokreisel in Frick verlegt wurde. «Ich trat 1993 in die Firma ein, und wurde fünf Jahre später Geschäftsführer. Zwischen 1998 und 2012 bin ich drei- bis viermal pro Woche mit dem Zug nach Zürich gependelt, immer mit dem Ziel vor Augen, den Sitz nach Frick zu verlegen.»

Vor Ort sein, da sein, wo die Produkte entstehen und noch lieber, selber Hand anlegen, das ist dem Oberbaselbieter, der mittlerweile im unteren Baselbiet lebt, bis heute wichtig. Wenn er seine Leute von etwas Neuem überzeugen wolle, müsse er das Neue vorleben. «Ich bin Ingenieur», sagt er und lächelt verschmitzt, «Ingenieure sind auf Sicherheit bedacht, aber als Unternehmer müssen wir kalkulierbare Risiken eingehen, um erfolgreich zu sein.»

Versuche in der eigenen Werkstatt
Für Ernst Gisin war immer klar: Innovation ist Chefsache. Ebenso klar: «Ich kann als Chef nicht über etwas reden, wovon ich nichts verstehe.» Das sei auch der Grund, warum er sich nach der Lehre als Werkzeugmacher und anschliessendem Ingenieur-Studium mit Fachrichtung Maschinenbau an der Fachhochschule Nordwestschweiz daheim eine eigene Werkstatt eingerichtet habe. «Die Faszination liegt für mich bei der direkten Umsetzung von Ideen. Zudem war es für mich immer ein wichtiger Ausgleich zur Büroarbeit, die ich als Chef zu erledigen habe.» Er schmunzelt: «Ich habe in meiner privaten Werkstatt daheim in Bottmingen nur kleine Maschinen, aber sie reichen mir, um neue Ideen auf ihre Tauglichkeit und Machbarkeit hin zu testen.» Nicht jede Idee sei technisch umsetzbar und längst nicht jede wirtschaftlich. «Dann muss man sie wieder fallenlassen. Aber ohne dauernd neue Ideen kann man sich im Markt nicht in einer führenden Position halten.» Sich auf den Lorbeeren ausruhen sei nie ratsam. «Stehen bleiben ist gleich Rückschritt.»

Strategisch anstatt operativ
Die «Stahlton» befindet sich in guter Verfassung. In den 25 Jahren seit Ernst Gisin CEO ist, ist das Unternehmen, dank Innovation und Neuausrichtung weit überdurchschnittlich gewachsen. Eine Entwicklung, die Gisin auch in seiner neuen Funktion als Präsident des Verwaltungsrats nach Kräften unterstützen will. Ende Monat legt er die operative Führung in jüngere Hände und mit ihr die Verantwortung für das operative Geschäft. Themen wie Ökologie, Digitalisierung und Cybersicherheit, sind aktuell sehr wichtig. Als VR-Präsident will er weiterhin nahe am Geschäft bleiben und sich um die groben Leitlinien kümmern, um die strategische Ausrichtung und Innovation. «Als strategischer Leiter will ich im operativen Geschäft keine Entscheide mehr fällen, sondern Wege aufzeigen, wie sich das Unternehmen weiterentwickeln kann.» Seit zwei Jahren ist Ernst Gisin bereits Delegierter des Verwaltungsrats und konnte sich in die neuen Aufgaben einarbeiten. Auch sein Nachfolger als CEO ist bereits seit 14 Jahren bei der «Stahlton» und seit zwei Jahren in der Geschäftsleitung. «Kontinuität, damit der Fortschritt geordnet abläuft», nennt Ernst Gisin das.

Vom Gummi zum Beton
Angefangen hat er bei der «Stahlton» vor 30 Jahren als Technischer Leiter der Werke 1 und 3. Zuvor war er während zehn Jahren in leitender Position beim Schweizer Reifenhersteller Maloya AG in Gelterkinden tätig. Dabei war ihm weder Gummi noch Beton in die Wiege gelegt. Aufgewachsen ist Ernst Gisin zusammen mit zwei älteren Schwestern und zwei jüngeren Brüdern auf einem Bauernhof in der Oberbaselbieter Gemeinde Thürnen, zwischen Sissach und Gelterkinden. Als ältester Sohn hätte er den Hof übernehmen können. Noch heute sei er seinen Eltern dankbar, dass sie ihm die Freiheit liessen, das zu tun, wozu er sich berufen fühlte. «Ich musste den Hof nicht übernehmen und ich wollte es auch nicht.» Er könne es gut mit Tieren, aber: «Ich war schon immer zu fest an Technischem interessiert. Zudem gab es für unseren Betrieb mitten im Dorf keine Möglichkeit zu erweitern.»

Kreativität und Bescheidenheit
Nicht vorwärtskommen, nicht ausbauen können, nicht innovativ und kreativ sein dürfen – für Ernst Gisin war das noch nie eine Option. Trotz anderer Interessen und mässiger Begeisterung für die landwirtschaftlichen Tätigkeiten – «missen möchte ich das Aufwachsen auf dem Bauernhof nicht. Das Mithelfen auf dem Hof hat meine Grundhaltung zur Arbeit geprägt, meine Kreativität gefördert und mich eine gesunde Bescheidenheit gelehrt.»

Und mit Blick auf die heutige Wohlstandsgesellschaft: «Man hatte damals nicht alles, was man gerne gehabt hätte.» Es habe ihm aber geholfen, einen gesunden Ehrgeiz zu entwickeln. «Ich bin es gewohnt, zuerst eine Leistung unter Beweis zu stellen, bevor nach einer Entschädigung gefragt wird. Diese Grundhaltung erwarte ich auch von meinen Mitarbeitern. Als Vater von zwei Töchtern weiss ich aber auch, wie anspruchsvoll es ist, diese Haltung in unserer heutigen Wohlstandsgesellschaft zu vertreten.»

Der akute Fachkräftemangel sei für die «Stahlton» und viele Unternehmen eine grosse Herausforderung. «Sofern es uns allerdings gelingt, zeitgemässe Arbeitsplätze mit sinnstiftender Arbeit anzubieten, schaffen wir es aber immer wieder, junge Leute für die Arbeit bei der ‹Stahlton› zu begeistern.»

Öfter dahingleiten
Obwohl er in seinem Beruf Erfüllung finde, mit zunehmendem Alter freue er sich auf etwas mehr Zeit und Erholung. Um mit seiner Frau zu reisen vielleicht, um sich an all den schönen Flecken im Baselbiet aufzuhalten ganz sicher. Zeit auch für mehr Sport. «Dazu komme ich bisher immer nur am Morgen zwischen 5 und 6 Uhr.» Er lacht. «Diese Stunde am Morgen, das ist meine Zeit. Mit der sportlichen Betätigung kommen mir Ideen und immer auch wieder Ansätze für neue Lösungen.» Abgesehen davon freue er sich auf mehr Zeit, um im Berner Oberland mit dem Gleitschirm unterwegs sein zu können. «Das Fliegen habe ich erst im Alter von 50 entdeckt. Es ist aber ein wunderbarer Ausgleich, in der dritten Dimension unterwegs zu sein. Beim Fliegen ist man konzentriert, lässt den Alltag hinter sich und beobachtet das Wetter, die Windverhältnisse, die Thermik, die Felswände und hält am Schluss Aussicht auf einen passenden Platz zum Landen.»


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