Der Herr der Holzstäbe
10.05.2025 Rheinfelden, PersönlichFrüher hat er in seinem Keramik-Atelier Drachen geformt und gebrannt, heute schnitzt Samuel Bächtold in der Öffentlich - keit kunstvolle Holzstäbe. Am Festival der Kulturen in Rheinfelden werden sie erstmals ausgestellt.
Valentin Zumsteg
Wenn Samuel ...
Früher hat er in seinem Keramik-Atelier Drachen geformt und gebrannt, heute schnitzt Samuel Bächtold in der Öffentlich - keit kunstvolle Holzstäbe. Am Festival der Kulturen in Rheinfelden werden sie erstmals ausgestellt.
Valentin Zumsteg
Wenn Samuel Bächtold auf einer Bank in der Rheinfelder Marktgasse oder an der Rheinpromenade sitzt und an einem Stab schnitzt, dann zieht er die Aufmerksamkeit vieler Passanten auf sich. «Wildfremde Menschen setzen sich dann oft neben mich und beginnen zu reden», sagt der 69-Jährige. Manche von ihnen erzählen ihm ihr halbes Leben, einfach so. Manchmal sind die Geschichten lustig, manchmal traurig. «Meine Schnitzerei schafft Kontakt, so gesehen sind es Sozialstäbe, die ich mache», ergänzt er mit einem Lachen. Besonders Kinder sind fasziniert von seiner Arbeit – und den verschiedenen scharfen Messern, die er dazu verwendet.
«Emotionen kann man nicht kaufen»
«Es gibt immer wieder gute Gespräche. Beim Schnitzen habe ich schon viele Leute kennengelernt.» Man trifft Bächtold bei seiner Tätigkeit aber nicht nur in Rheinfelden, sondern immer wieder auch in Hamburg. «Ich liebe diese Stadt. Es ist interessant, wenn man dort sitzt und schnitzt. Die Leute reagieren aber gleich wie in Rheinfelden, auch dort werde ich oft angesprochen.»
Samuel Bächtold hat eine spannende Lebensgeschichte. Er erlebte im Limmattal eine schwierige Jugend, machte nach der Schule eine Schreinerlehre und arbeitete später als Tramchauffeur in Zürich. Mit 45 Jahren wagte er den Schritt in die Selbständigkeit – als Drachenmacher. Er eröffnete ein Keramikatelier und begann, Drachenfiguren zu gestalten und zu brennen. «Damit ging ich auf Märkte in der ganzen Schweiz. Man kannte mich überall als der Drachenmacher», berichtet Bächtold. Daneben gab er Kurse und organisierte Firmenevents. «Finanziell war es schwierig, doch ich habe es gemeistert.» Bächtold spricht von einer fantastischen Zeit. Einmal hat er einen zwei Meter grossen Drachen geschaffen, drei Tage und drei Nächte lang wurde die Figur gebrannt. «Danach haben wir den Ofen bei 1000 Grad geöffnet, der Drachen hat geglüht.» Diese «Drachengeburt» ist ein unvergessliches Erlebnis für ihn. «Es war nie meine Absicht, reich zu werden. Emotionen kann man nicht kaufen. Das zu machen, was man wirklich will und was in einem steckt, das ist doch wunderbar.»
Es braucht viel Zeit
Vor rund fünf Jahren ist er nach Rheinfelden gezogen. «Das Städtchen gefällt mir sehr gut.» Als er pensioniert wurde, hat er sein Atelier aufgegeben, Heute arbeitet er nicht mehr mit Keramik. Es ist ihm aber wichtig, weiterhin mit den Händen tätig zu sein. So kam er auf die Idee, Holzstäbe zu schnitzen – und zwar draussen in der Öffentlichkeit. «Als Schreiner hatte ich immer einen Bezug zu Holz.» Er nennt seine Kunstwerke Zauber-Wunder-Wanderstäbe. «Die Arbeit an ihnen ist sehr zeitintensiv. An manchen schnitze ich drei bis vier Monate.» Er verwendet Haselnuss, Erle und Ahorn. Ein Förster aus dem Zürcher Oberland liefert ihm die kräftigen Holzstecken dafür. Er verziert sie mit keltischen und gotischen Formen, lässt sich aber auch von Künstlern wie Antoni Gaudi und H.R. Giger inspirieren. «Es hat ebenfalls Einflüsse der Maori-Kultur», erzählt Bächtold. Ein Stab ist dem Wasser gewidmet, der Betrachter erkennt unter anderem einen Leuchtturm, Delfine und Seepferdchen – und eine Flaschenpost mit einem Liebesbrief.
Gerne setzt er sich beim Schnitzen an den Rhein – oder in Hamburg an die Alster und die Elbe. «Alles fliesst. Wenn grosse Schiffe vorbeiziehen, inspiriert mich das.» In der Hansestadt schnitzt er manchmal aber auch auf dem Kiez, dem verruchten Rotlicht-Viertel. «Egal, ob Alkoholiker oder Junkies, viele sind fasziniert davon, was ich mache.» Einer seiner Holzstäbe hat er am Nordkap geschnitzt – auch dies ein unvergessliches Erlebnis für ihn.
Die Stäbe treffen auf afrikanische Kunst
Weil die Arbeit so zeitintensiv ist, sind in den vergangenen fünf Jahren erst knapp 20 Stäbe entstanden, jeder ein absolutes Unikat. «Ich mache das eigentlich nur für mich. Sie sind nicht für den Verkauf vorgesehen.» Die Beschäftigung mit den Formen, die harte Arbeit des Schnitzens und der Kontakt mit den Leuten halten ihn fit – davon ist er überzeugt.
Am Festival der Kulturen, das vom 30. Mai bis zum 1. Juni in Rheinfelden durchgeführt wird, sind die Kunstwerke nun erstmals ausgestellt. Zusammen mit Holzskulpturen von Künstlern aus Kamerun, Senegal und Togo werden sie in der Trinkhalle des Kurbrunnens zu sehen sein. Samuel Bächtold freut sich sehr auf diese Ausstellung. «Das wird spannend. Ich weiss nicht genau, was mich erwartet.» Zum Schluss verrät er noch seinen Lebenstraum: «Eine Ausstellung mit meinen Stäben in Hamburg. Das wäre auch etwas. Vielleicht klappt es irgendwann.»