Blasmusik und Gesang vereint
08.11.2023 Persönlich, RheinfeldenDie Stadtmusik Rheinfelden ist bekannt für ihre innovativen Programme. In den kommenden Kirchenkonzerten präsentiert sie Werke mit keltischem Ursprung. Die Sängerin Chiara Sophia Heuser veredelt diese mit ihrem Sopran.
Birgit Schlegel
Bereits in der ...
Die Stadtmusik Rheinfelden ist bekannt für ihre innovativen Programme. In den kommenden Kirchenkonzerten präsentiert sie Werke mit keltischem Ursprung. Die Sängerin Chiara Sophia Heuser veredelt diese mit ihrem Sopran.
Birgit Schlegel
Bereits in der Sekundarschule in Sissach wurde Chiara Sophia Heuser durch die Musiklehrerin auf ihre Singstimme aufmerksam gemacht und zum Gesangsunterricht animiert. Noch zu jung sei sie für Stimmbildung, hiess es damals für den Teenager. Denn noch immer galt an vielen Musikschulen die Vorstellung, dass eine Schulung zu schädlich für eine noch nicht ausgewachsene Stimme sei. Dank der Förderung durch ihren Vater und die Musiklehrerin durfte Chiara Heuser schliesslich als kaum 14-Jährige mit dem Sologesang an der Regionalen Musikschule Sissach starten. Ein Schlüsselerlebnis war der Besuch des Wahlkurses «Dido und Aeneas» am Gymnasium Liestal. Henry Purcells Barockoper wurde erarbeitet und – von einem Gambenconsort begleitet – in der Skulpturenhalle Basel zur Aufführung gebracht. Chiara Heuser durfte Didos Part übernehmen. «Meine erste Hauptrolle», erinnert sie sich lachend. Dieses Erlebnis hat die damalige Gymnasiastin dazu bewogen, sich erstmals mit dem Beruf der klassischen Sängerin auseinanderzusetzen. Das Thema ihrer Maturarbeit: Lampenfieber. Zahlreiche Musikerinnen und Musiker aus der Region hat sie dazu befragt und sich mit Ursachen und verschiedenen Strategien zur Bewältigung der Nervosität befasst. Dabei hat sie ein Muster erkannt: die Symptome sind häufig körperlicher Natur und betreffen meist den für den ausübenden Künstler wichtigsten Bereich. Pianisten haben kalte und schwitzige Hände, Bläser leiden unter einer oberf lächlichen unregelmässigen Atmung, Sänger kämpfen mit einer belegten Stimme. Während ihres Gesangsstudiums bei Lina Maria Åkerlund an der Zürcher Hochschule der Künste wurde sich Chiara Heuser der wichtigen Körperarbeit bewusst und besuchte Kurse zum Thema. «Inzwischen weiss ich, dass ich das Lampenfieber brauche. Es bringt mich in Stimmung und verhilft mir zu einer guten Leistung. Hätte ich es nicht, dann würde etwas fehlen.»
Eine hochspannende Reise
Inzwischen hat die 27-jährige Sopranistin ihr künstlerisches Umfeld gefunden und geniesst es sehr, stilistisch frei zu sein. Klassik, Musical, Pop oder Jazz – Firmenanlässe, Hochzeiten oder Chorgesang. Je nach Stil begleitet sie sich dabei selbst am Klavier. «Während des Studiums hätte ich gerne mehr ausprobiert. Doch da wurde meine Stimme noch als zu klein eingestuft, so dass ich einige Rollen nie studieren konnte.» Die Stimme noch nicht bereit für Verdis Aida oder eine Arie aus Wagners Ring? Klassische Sängerinnen und Sänger werden häufig über ihre «grosse Stimme» definiert. Oft kann sich diese über die Jahre jedoch auch ändern, was den Wechsel in ein anderes Stimmfach mit sich bringt. Doch was bedeutet dies überhaupt? «Singen ist sehr komplex. Du hast da nur deinen Körper. Dann hörst du jemanden, etwa deine Lehrperson, ein Konzert oder eine Aufnahme. Das erste ist immer die Imitation und das Ausprobieren. Aber du musst ja selbst erst einmal herausfinden, wie deine eigene Stimme überhaupt funktioniert!» Da ist die Stimmbildung entscheidend. Chiara Heuser erinnert sich, dass Studienkollegen kurz vor ihrem Abschluss immer noch nicht eindeutig gewusst haben, in welcher Stimmlage sie überhaupt singen. «Diese Entwicklung zu durchlaufen ist mit Unsicherheiten verbunden, ist aber eine hochspannende Reise.»
In ihrer Arbeit als Gesangspädagogin und Chorleiterin an der Musical- und Tanzschule «Move in Arts» (MiA) versucht sie nun, ihre Erfahrungen aus der Studienzeit einfliessen zu lassen. Die seit rund zehn Jahren in Liestal beheimatete Ausbildungsstätte schreibt inzwischen auch in Rheinfelden mit einem weiteren Tanzstudio Erfolgsgeschichte. Im vergangenen September begeisterte sie mit ihrer zweiten Rheinfelder Musicalproduktion im ausverkauften Bahnhofsaal. Rund 200 Kinder und Jugendliche im Alter von 4 bis 24 Jahren haben mitgewirkt. Chiara Heuser leitet an der MiA den Kurs «Gesang und Tanz» und gehört zum Kernteam der Musicalorganisation. Die Story wird jeweils im Team geschrieben, die Choreografien für den Tanz und die Sologesang- und Chorparts werden mit den Teilnehmenden gemeinsam erarbeitet. «Der Chor steht dabei nicht unter meinem klassischen Dirigat, sondern funktioniert auf der Bühne ohne Leitung. Vieles wird in den Proben ausprobiert.» Die Musik basiert häufig auf Songs aus der Pop- und Musical-Szene und ist die Grundlage für den erarbeiteten Gesangstext in Mundart. Eigene Ideen und Wünsche der jungen Darstellerinnen und Darsteller werden berücksichtigt und eingebracht. Ein Musical von Grund auf neu zu erarbeiten brauche grosses Durchhaltevermögen und Disziplin. Dies müsse man erst lernen, erläutert die Sopranistin. «Meine Schülerinnen und Schüler schauen viel bei mir ab. Das kann nur schon eine kleine Geste sein. Sie brauchen mich, damit sie sich an etwas orientieren können. Wenn sie ein Ziel vor Augen haben, z. B. in Form eines Konzertes, sind sie viel fokussierter. Die Dankbarkeit, die danach zurückkommt, ist etwas vom Schönsten für mich.»
Ein neues Experimentierfeld
Mit den kommenden Kirchenkonzerten der Stadtmusik Rheinfelden lässt sich die junge Sängerin nun auf eine weitere neue Herausforderung ein. Der Dirigent Dani Haus hat im vergangenen Winter seine ehemalige Schülerin vom Gymnasium Liestal für eine Zusammenarbeit angefragt. Chiara Heuser hat sofort zugesagt. Keltische Musik steht im diesjährigen Programm im Mittelpunkt, und Chiara Heuser wird einzelne Werke mit ihrem Sopran bereichern. Dabei wird sie nicht nur stimmlich gefordert, denn dass Sologesang in der Blasmusik besetzt ist, kommt höchstens in der Unterhaltungsmusik vor. Anspruchsvolle konzertante Literatur gibt es beinahe keine. Und so kommt eine weitere Herausforderung an die Sängerin heran: das Analysieren und Bearbeiten im Vorfeld. «Ich studiere die Partituren detailliert und überlege mir, wo eine Stimme überhaupt dazu passen könnte und welchen Text ich wähle, damit er rhythmisch passt. Auch muss ich mir die Instrumentierung gut anschauen, ob meine Stimme sich da einbetten kann. Ich kann mit Dani zusammen das Werk gewissermassen neu arrangieren.» Ob sich das theoretisch Ausgedachte auch wirklich so umsetzen lässt, wird in den Endproben mit der Stadtmusik ersichtlich werden. Bis dahin bleibt vieles offen. «Die Stücke sind zum Teil in sehr hohen Lagen geschrieben. Da muss ich schauen, ob meine Stimme dies schaffen wird. Auch werden verschiedene Gesangstechniken nötig sein. Nur mit der klassischen Gesangsweise – bei welcher hauptsächlich die Kopfstimme eingesetzt wird – ist dies nicht möglich,» erläutert Chiara Heuser. Verstärkung ja/nein? Die perfekte Mischung von Stimme und Blasorchester wird wohl zur grössten Herausforderung werden. Den Musikerinnen und Musikern der gross besetzten Stadtmusik verlangt dies eine sehr kultivierte Spielweise ab, um auch mit vielleicht ungewohnt zurückhaltendem Spielen eine aussagekräftige und in der Intonation saubere Klangqualität zu erarbeiten. «Ich bin sehr gespannt und weiss bei vielem noch nicht, was da auf mich zukommt.» Experimentierfreudig, aufgeschlossen, offen für Neues – so der Leitgedanke der Stadtmusikmitglieder und der jungen Sängerin. Man darf auf das musikalische Zusammentreffen gespannt sein und sich darauf freuen!
«Celtic Moments» – Kirchenkonzerte der Stadtmusik Rheinfelden, Samstag, 2. Dezember, 19.30 Uhr, Sonntag, 3. Dezember, 15.00 Uhr, St. Josefskirche, Rheinfelden