Mit dem Storchenvater auf Nestbesuch
29.03.2023 Kaiseraugst, PersönlichUrs Wullschleger und die Störche in Kaiseraugst
Seit über 30 Jahren ist der 78-jährige Urs Wullschleger im Natur- und Vogelschutzverein Kaiseraugst engagiert. Er ist zuständig für die Vögel. Die Störche haben es ihm besonders angetan, deshalb hat er wohl auch den Übernamen ...
Urs Wullschleger und die Störche in Kaiseraugst
Seit über 30 Jahren ist der 78-jährige Urs Wullschleger im Natur- und Vogelschutzverein Kaiseraugst engagiert. Er ist zuständig für die Vögel. Die Störche haben es ihm besonders angetan, deshalb hat er wohl auch den Übernamen Storchenvater erhalten. Zurecht, wie sich herausstellen sollte, Wullschleger hegt und pflegt seine Störche wie seine Kinder.
Catherine Hossli
Da möchte man selbstverständlich gut vorbereitet kommen, wenn man einen Interviewtermin inklusive Nestbesuch mit dem Storchenvater von Kaiseraugst hat. Gute Schuhe sind sicher von Vorteil, falls es doch noch in die Höhe gehen sollte. Und eine Kopfbedeckung, man weiss ja nie, was von oben herunterkommt. Ich treffe Wulli – wie er im Dorf auch noch liebevoll genannt wird – vor seiner Wohnung direkt gegenüber vom Platanenstorchenpaar auf dem Schulhausplatz. Er hat eine Kamera mit einem sehr grossen Objektiv um den Hals. «Damit kann ich alle Störche heranzoomen und die Beringung abfotografieren», erklärt er gleich zu Beginn. Meine Sorge einer Nestbesteigung war somit vom Tisch. «Das Storchennest auf dem Schulhausplatz wird von einer Kamera überwacht und kann live beobachtet werden unter www.nvv-kaiseraugst.ch/aktuelles», erklärt mein Begleiter und zeigt auf den Bildschirm im Schaufenster gegenüber.
60 Jahre lang keine Störche in Kaiseraugst
Bis 1931 hatte es in Kaiseraugst Störche, dann sind sie sozusagen ausgestorben, die Gründe dafür waren vielseitig. 1948 wurde in der Schweiz ein Wiederansiedlungsprojekt lanciert, das den stolzen Vogel wieder zu uns zurückbrachte. Im Herbst 1990 ergriffen zwei engagierte Einwohner von Kaiseraugst die Initiative und reparierten das Storchennest auf dem christkatholischen Kirchenturm, das älteste Nest in Kaiseraugst. Und siehe da, genau 60 Jahre nach der letzten Brut bezog ein Storchenpaar im Frühling 1991 das Nest und es schlüpften zwei Jungstörche. Wullschleger war von Anfang an bei der Betreuung dabei und so wurden die Störche zu seiner Passion. Mittlerweile sind ca. 15 Nester belegt, die von ihm zweimal in der Woche kontrolliert werden.
Wir kommen am «Adlerhorst» vorbei, das Storchenpaar auf dem Dach vom Restaurant Adler ist ein gerngesehenes Fotomotiv und zieht immer wieder die Blicke auf sich. Vor allem an Dorffesten wissen die grossen Vögel sich gut in Szene zu setzen. «Ursprünglich haben es sich die Störche auf einem Baukran gemütlich gemacht. Es war die Attraktion im Dorf und die Baufirma Ernst Frey hat den Kran extra für das Paar stehen lassen, bis sie nach Süden abgezogen sind», erzählt Wullschleger. Aber nicht alle Nester sind auf «öffentlichem» Grund gebaut. Einige Nester können nur von privaten Gärten aus besichtigt werden. Aber der Storchenvater hat sich den Zutritt zu den Grundstücken eingeholt und so werden wir auch jeweils mit einem freundlichen «Hoi Wulli» in den fremden Gärten begrüsst.
Die Störche stibitzen das Heu bei den Schafen
Bei den Storchennestern im «Strampi» kann man sehr gut das Treiben der Störche beobachten. Fünf Nester sind besetzt. Wieder nehmen wir eine «Pole Position» in Nachbars Garten ein und spähen über die Hecke. «Du musst Geduld haben», erklärt Urs. Plötzlich verlässt ein Storch das Nest. «Er f liegt zur Schafweide an der Friedhofstrasse und holt Heu für den Nestbau, gleich kommt er zurück.» Tatsächlich, nach ca. drei Minuten fliegt er mit vollem Schnabel zu seinem Partnervogel zurück und gemeinsam bauen sie ihr Heim. Die zwei bis fünf Eier müssen ständig überwacht werden. Das Storchenpaar wechselt sich stets mit Brüten ab. Nach ca. 32 bis 34 Tagen schlüpfen die Jungen. In den ersten vier Wochen haben die Jungstörche noch kein Gefieder, Nässe und Kälte sind in dieser Zeit die grösste Gefahr für die Vögel. Danach gelten sie als sehr robuste Tiere.
Die Aufgabe von Urs Wullschleger besteht darin, alle im Dorf heimischen Störche zu registrieren. Die Beringung am Bein hilft ihm dabei, den Storch zuzuordnen. «Ring rechts bedeutet geboren im geraden Jahr, Ring links im ungeraden Jahr», erklärt Wullschleger. Neben der Buchstaben- und Nummernfolge bekommt jeder Storch auch noch einen richtigen Namen, und so können Papagena, Jupiter, Violina oder Amor richtig zugeordnet werden.
Einmal im Jahr werden die Jungstörche beringt, bevor sie dann Ende Sommer Richtung Süden nach Spanien fliegen. Die Jungstörche reisen in Gruppen und die Alten alleine. «Wenn die Störche im Frühjahr wiederkommen, beziehen sie in der Regel wieder ihr altes Nest, sie sind nesttreu», sagt Wulli. «Wobei heutzutage auch nicht mehr so, es ist halt ein bisschen wie bei den Menschen, die nehmen es manchmal mit der Treue auch nicht mehr so genau!», fügt er lachend hinzu.
Urs Wullschleger hat ein Auge für den Klapperstorch und die Bewunderung, die er für ihn aufbringt ist ansteckend. Es scheint, als zöge er die Vögel magisch an, immer wieder kreuzen Störche unseren Weg. Hautnah bieten sie sich als dankbares Fotomotiv an. Manchmal wünscht sich Wullschleger, seine Begeisterung für den Storch mehr auf andere übertragen zu können. Er erhofft sich insbesondere auch von der Gemeinde noch mehr Engagement, denn eine grosse Bühne hat Meister Adebar in Kaiseraugst wahrlich verdient.