Zuerst Gleichstellung, dann Anpassung des Rentenalters

  06.09.2022 Abstimmungen, Leserbriefe

Frauen erhalten heute rund ein Drittel weniger Rente als Männer. Gleichstellung bedeutet Lohn- und Chancengleichheit. Tiefere Löhne, Teilzeitarbeit und unbezahlte Arbeit führen leider heute zu schlechten Rentensituationen und zu Altersarmut. Und dies vor allem für Frauen. Meine Freundin arbeitet als Schulleiterin. Ihre beiden Kollegen im gleichen Alter erhalten mehr Lohn als sie. Warum? Weil sie sich während ein paar Jahren um die Kindererziehung und den Haushalt gekümmert und deshalb nur Teilzeit gearbeitet hat. Damit hat sie schon jetzt kleinere AHV-Beiträge als ihre Kollegen und zudem noch weniger Lohn. Da haben wir noch viel Arbeit vor uns!

Frauenrenten sind heute ein Drittel tiefer, einerseits als Folge der unbe- zahlten Carearbeit, andererseits aufgrund der Teilzeitarbeit. Unsere Verfassung verlangt eine Existenzsicherung durch die AHV, davon sind wir weit entfernt. Die Minimalrente für Einzelpersonen beträgt momentan 1195 Franken, die Maximalrente 2390 Franken. Hinzu kommt, dass knapp ein Drittel der Frauen gar keine Rente aus der 2. Säule erhalten. Warum nicht? Weil sie sich in der Vergangenheit um die Kinderbetreuung, Pflege und Unterstützung von Angehörigen gekümmert und darum Teilzeit gearbeitet haben. Somit konnten sie die Eintrittsschwelle für die Berufliche Vorsorge von 21510 Franken pro Jahr nicht erreichen. Auch die Problematik des Koordinationsabzugs stellt aus meiner Sicht eine Ungerechtigkeit dar.

In der beruflichen Vorsorge sieht das Gesetz vor, dass jeweils 25 095 Franken vom effektiven Lohn abgezogen werden. Wer 30 000 im Jahr verdient, bezieht diesen effektiven Lohn, ver- sichert davon werden jedoch lediglich 4905 Franken. Dies ist ein grosses Problem für alle Menschen mit tiefem Einkommen, da im Niedriglohnbereich kaum ein Altersguthaben angespart werden kann. Wird nun das Rentenalter der Frauen erhöht, führt dies für die Frauen de facto zu einer weiteren Rentenkürzung.

Ich bin gerne bereit, das Rentenalter der Frauen anzupassen, jedoch erst, wenn die Arbeit gemacht wurde und im ganzen Land alle für gleiche Arbeit gleich viel Lohn erhalten und Lösungen gefunden wurden, damit Teilzeitarbeitende nicht bestraft werden mit unserem Vorsorgesystem. Gleichstellung bedeutet für gleiche Arbeit gleiche Löhne und gleich hohe Renten für alle! Mit der AHV21-Reform ist keines der Gleichstellungsprobleme gelöst. Darum 2 x Nein zur Rentenreform AHV21.

CAROLE BINDER-MEURY, SP-GROSSRÄTIN, MAGDEN


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