Kunstobjekte für die Ewigkeit
02.09.2022 Persönlich, WölflinswilRoger Wanner: vom Spengler zum Künstler
«Mich fasziniert, dass man aus ‹Nichts› – einem Stück Metall – ein Objekt oder ein Bild schaffen kann, welches viele Jahrzehnte erhalten bleibt», sagt Roger Wanner aus Wölflinswil, der als Kunstspengler bekannt ist.
Karin Pfister
Die Freude an seinem Handwerk hat Roger Wanner, der seit über 50 Jahren als Spengler tätig ist, nie verloren. «Es ist eine schöne Tätigkeit, man kann sich dabei frei entfalten.» In der Branche kennt man ihn europaweit als «Drachenschmied» aus der Schweiz, in der Region sei er früher auch als «Blitzspengler» bekannt gewesen, weil er einfach schnell arbeite, erzählt Roger Wanner aus Wölflinswil. Der 69-Jährige hat einst in Basel, wo er aufgewachsen ist, eine Lehre als Spengler absolviert und war danach viele Jahre lang beruf lich «auf der Walz». «Ich habe mich immer dort temporär anstellen lassen, wo interessante Projekte, wie zum Beispiel Ornamentfenster bei einer Kirche, realisiert wurden.»
In Wölflinswil sesshaft geworden
Sesshaft geworden ist er dank seinem Schwager, der in Wölflinswil ein Haus baute. Roger Wanner machte für ihn die Spenglerarbeiten und zog danach zusammen mit seiner Frau Sonja, welche Fricktaler Wurzeln hat, in die Gemeinde. Am Dorfrand unter der Kirche baute er sein eigenes Haus mit Werkstatt und machte sich als Spengler selbständig. «Ich hatte von Anfang an viel Arbeit», erinnert er sich. Seit er pensioniert ist, sind die Spenglerei und die Dachdeckerei geschlossen. Immer noch tätig ist Wanner als Kunstspengler und als Koch/Grilleur in seinem eigenen Restaurant, dem «Drachenstübli», welches sich gleich oberhalb der Werkstatt befindet. Mit dem Restaurant, das auf Fleisch spezialisiert ist, hat er sich vor 13 Jahren zusammen mit seiner Frau Sonja einen Traum erfüllt. «Ich wollte Kunst und Gastronomie verbinden.» Das «Drachenstübli» zieht mit seinem aussergewöhnlichen Ambiente viele Gäste an. «Wir haben regelmässig Gesellschaften wie Hochzeiten oder Geburtstage hier.»
Vom Pferd bis zur Ameise
Schon in der Lehre hat Roger Wanner angefangen, aus Metall oder Edelmetall Kunstobjekte herzustellen. Seine Bandbreite ist gross. Vom Pferd in Originalgrösse über Turmschmuck, der oben an Häusern befestigt wird, bis zu einer Ameisenarmee im Stil von Ben Hur, die man auf den Esstisch stellen kann oder einem Ohrring, ist fast alles dabei. Seine Lieblingstiere sind Drachen und Greifvögel wie der Adler. Gefragt sind seine Kunstwerke weltweit, unter anderem konnte er schon Werke in die USA verkaufen oder hat für eine Kunstgalerie in Paris die gesamte Dekoration hergestellt.
Roger Wanner hat sich sein Kunsthandwerk vorwiegend selber beigebracht und auch zwei Lehrbände zum Thema geschrieben. Seit über zwanzig Jahren gibt er sein Wissen in Kursen weiter. Die Teilnehmer fahren aus fast überall in Europa – Spanien, Holland, Deutschland – ins Fricktal. Die weiteste Anreise hatte bis jetzt ein Litauer, der zu den Kursen jeweils mit dem Flugzeug kam und das letzte Mal dann mit dem Auto. «Er brauchte das Auto, um das geschaffene Kunstwerk zu transportieren.» Wanner schätzt, dass er bis jetzt rund 300 Männer und Frauen als Kunstspengler ausgebildet hat. Auch an einige seiner Enkel durfte er sein Handwerk weitergeben, erzählt der sechsfache Grossvater mit Freude. «Sie wissen wie man zeichnet und formt.»
Das Metall – Roger Wanner arbeitet vor allem mit Kupfer – wird meistens mit dem Hammer und hunderten von verschiedenen Punzen bearbeitet; fast alles wird in Handarbeit gemacht. Das Blech wird geformt, ziseliert und gezogen, wie es in der Fachsprache heisst. Auf der Oberfläche entstehen so nicht nur die Formen, sondern auch Muster, Strukturen und Ornamente. Für ein Objekt braucht Wanner einige Zeit und viele tausend Hammerschläge, wobei es für Routinearbeiten auch Maschinen gibt, die man zur Unterstützung einsetzen kann. Einige dieser Maschinen und Werkzeuge hat Roger Wanner selbst entwickelt.
Immer mit vollem Einsatz dabei
Fast die gesamte Dekoration des «Drachenstüblis» besteht aus Metall. Auch der Baum gleich neben dem Eingangstor. Dieser hat rund 6500 Blätter. «Um ein Blatt zu formen, braucht es zirka 100 Hammerschläge», so Wanner, der wie er selber sagt, auch als Künstler immer ein Handwerker geblieben ist. «Ich bin mit Leidenschaft Spengler.» Ob er für einen Kunden einen Dachkännel montiert hat oder an einem Kunstobjekt arbeitete, er sei immer mit vollem Einsatz dabei. «Ich hatte immer den Ehrgeiz, meine Spenglerarbeiten so gut abzuliefern, dass der Kunde mich nie für eine Reparatur anrufen musste.»
Wanner am Bergwerkfest
Wer sich von Roger Wanners Fähigkeiten live ein Bild machen möchte, besucht am besten das Bergwerksfest in Herznach. Der Fricktaler «Drachenschmied» ist am 3./4. September dort zu Gast und wird vor Ort einen Drachen fertigstellen. Dieser wird nach dem Bergwerksfest gleich «weiterf liegen», er hat – obwohl momentan noch unvollendet – bereits einen Käufer gefunden und so wird nach Angermünde bei Berlin ziehen.