«Dieser Beruf ist eine Berufung»
25.09.2022 Persönlich, RheinfeldenStadtbaumeister Lorenz I. Zumstein
Vom selbständigen Architekten zum Stadtbaumeister von Rheinfelden: Für Lorenz I. Zumstein ist seine Stelle mehr als ein Beruf. Ein Umzug ins Zähringerstädtchen ist für ihn aber kein Thema.
Valentin Zumsteg
Der alte Stadtpark West ist einer der Lieblingsorte von Lorenz I. Zumstein in Rheinfelden. Hierhin geht der Stadtbaumeister gerne über den Mittag, um sich im Grünen kurz zu entspannen und etwas zu essen. «Ein solcher Park verfügt über eine grosse Qualität für die Stadt und ihre Bewohner», sagt der 47-Jährige bei einem Spaziergang. Derzeit wird im Park gerade die Weiher-Anlage erneuert; das ist ein kleines, aber bedeutendes Projekt, das vom Stadtbauamt begleitet wird. Zumstein spricht von einem «Herzensprojekt».
Die Veränderung gesucht
Seit 2019 arbeitet der Architekt und Raumplaner auf der Verwaltung in Rheinfelden, zuerst als Leiter Hochbau und Stadtentwicklung, seit Januar 2022 ist er Stadtbaumeister und damit Nachfolger von Urs Affolter. Gelernt hat Zumstein, der im bernischen Melchnau bei Langenthal aufgewachsen ist, ursprünglich Hochbauzeichner. Im Anschluss studierte er an der Fachhochschule in Muttenz Architektur. Durch eine Studienkollegin, die aus Rheinfelden stammte, lernte er das Städtchen kennen. «Hier habe ich zum ersten Mal das Rheinschwimmen erlebt», erzählt Zumstein. Gleich nach dem Studium machte er sich als Architekt in Langenthal selbständig, später wechselte er zum Architekturbüro Jessen/ Vollenweider in Basel und wurde dort nach wenigen Jahren Mitglied der Geschäftsleitung. Dies brachte ihn erneut in die Nordwestschweiz. «Wir haben viele Projekte für die öffentliche Hand realisiert», erinnert sich Zumstein. Nach fast fünfzehn Jahren bei diesem in Fachkreisen renommierten Büro, das stark gewachsen ist, wurde es Zeit für einen Wechsel. «Ich suchte die Veränderung, denn irgendwann begann sich die Arbeit zu wiederholen.» So kam er im Mai 2019 zur Stadt Rheinfelden.
Ihn reizt die Vielseitigkeit und Breite der Aufgaben als Stadtbaumeister. Das Stadtbauamt, bei dem im Rathaus elf Personen arbeiten, ist für den Hochbau und die Stadtentwicklung, den Tiefbau, die Baubewilligungen sowie den Werkhof zuständig und verfügt zudem über eine Stabsstelle für Umwelt, Energie und Mobilität. «In der neuen Tätigkeit bin ich nicht mehr einem einzelnen Kunden verpflichtet, sondern der Allgemeinheit. Das finde ich spannend.»
Immer mal wieder hört man in Rheinfelden Kritik von Bauherren am Vorgehen und den Entscheiden des Stadtbauamtes, einige wünschen sich ein kooperativeres Verhalten. Lorenz I. Zumstein kennt diese Kritik und meint dazu: «Wenn ein Bauherr nur seine eigenen Interessen sieht, dann kann es zu Meinungsverschiedenheiten führen. Wir als Stadtbauamt und Stadt müssen die Interessen von ganz Rheinfelden und seiner Bevölkerung vertreten.»
Die Identität bewahrt
Das Zähringerstädtchen hat in den vergangenen Jahren eine starke Entwicklung erlebt, es wurden viele Wohnungen gebaut, ganze Quartiere sind entstanden. «Rheinfelden ist eine sehr attraktive Kleinstadt im Umfeld des Wirtschaftsmotors Basel. Im Gegensatz zu anderen Gemeinden in der Agglomeration ist es Rheinfelden gelungen, seine Eigenständigkeit und Identität zu wahren. Es ist keine Schlafstadt», findet Zumstein. Dies biete eine gute Ausgangslage für die Zukunft.
Derzeit steht die Totalrevision der Nutzungsplanung an, diese wird die Entwicklungsmöglichkeiten der Stadt für die nächsten 15 bis 20 Jahre festlegen. «Das ist ein grosses und komplexes Vorhaben, das für die Bürgerinnen und Bürger einige Überraschungseffekte bieten kann.» Heute gehe es nicht mehr darum, neues Land einzuzonen, sondern die bestehenden Bauzonen möglichst sinnvoll und nachhaltig zu nutzen. Dabei spiele die neue Nutzungsplanung eine wichtige Rolle: «Rheinfelden ist in einem dynamischen Umfeld. Wir haben die Verantwortung, die Entwicklung gezielt zu lenken, damit sie für die Bürgerinnen und Bürger massvoll und qualitativ erlebbar wird», betont Zumstein.
Eine wichtige Frage in diesem Zusammenhang ist die Zukunft des Entwicklungs- und Wohnschwerpunkts Rheinfelden Ost beim Bahnhof Möhlin. Dort gibt es Konfliktpotential und Koordinationsbedarf mit der Nachbargemeinde. Zumstein geht allerdings davon aus, dass es noch lange dauern wird, bis dort Projekte realisiert werden können. Neben diesem Planungswerk stehen weitere grössere Projekte an: Eines davon ist die Entwicklung des gesamten Areals beim Bahnhof und beim Bahnhofsaal. Dort läuft die Planung derzeit auf Hochtouren.
«Distanz wahren»
Den Bahnhof Rheinfelden benützt Lorenz I. Zumstein täglich, denn er wohnt mit seiner Partnerin und ihren zwei Kindern in Basel und kommt mit der Bahn zur Arbeit. Ein Umzug nach Rheinfelden ist für ihn kein Thema. «Ich sehe es als Vorteil, dass ich ausserhalb wohne. So kann ich eine gewisse Distanz wahren und den Blick von aussen beibehalten.» Dies sei wichtig für die Arbeit. In seiner Freizeit ist Zumstein gerne in den Bergen unterwegs, entweder beim Wandern oder beim Skifahren. «Skitouren sind eine Passion von mir. Sie sind anstrengend, aber sehr erholsam.» Auch auf dem Rennrad oder dem Gravelbike (geländegängiges Rennvelo) trifft man ihn häufiger an.
Für Zumstein bedeutet die Arbeit als Stadtbaumeister von Rheinfelden mehr als ein Job. «Das ist für mich kein gewöhnlicher Beruf, sondern eine Berufung. Stadtbaumeister ist man nicht nur zu Bürozeiten, sondern rund um die Uhr.»