«Unsere Patienten sollen sich wie in einem Hotel fühlen»
10.08.2022 Persönlich, Wirtschaft, RheinfeldenVor fünfzehn Jahren ist Hanspeter Flury Chefarzt der Klinik Schützen geworden. Ungewöhnlich war zu Beginn das Konzept «Klinik im Hotel». Das schaffe eine «wertige» Atmosphäre und vermittle den Patienten ein Gefühl des Dazugehörens statt des Krank- und Ausgestossenseins, sagte Hanspeter Flury.
Edi Strub
Das Gespräch mit Dr. Hanspeter Flury findet im Park des Hotels und der Klinik Eden statt. Wir sitzen unter einer mächtigen schattenspendenden Buche und Hanspeter Flury erzählt von den Vögeln, Amphibien, Reptilien und Insekten, die hier ihren Lebensraum haben. Unser Blick fällt auf den Achtsamkeitspfad und das Solebad, wo man selbst im Winter unter freiem Himmel baden kann. Wer zur psychotherapeutischen Behandlung ins Eden kommt, soll das Gefühl haben, in einem gediegenen 4-Stern-Hotel zu wohnen. Die Klinik soll kein Krankenhaus sein. Das ist ein wichtiges Moment der Behandlungsphilosophie Flurys. «Schon das Aussehen der Rezeption und der freundliche Empfang dort senden Signale aus, die für den Erfolg der Behandlung von grosser Bedeutung sind», sagt Hanspeter Flury.
Der Alltag für Hanspeter Flury als Chefarzt, Klinikdirektor und Vorsitzender der Geschäftsleitung der Schützen Rheinfelden AG besteht zu etwa achtzig Prozent aus Sitzungen und Gesprächen. Dabei gehe es um personelle Fragen und Fallbesprechungen, aber auch um die Erarbeitung und Reflexion von Behandlungsrichtlinien. Aufgabe von Hanspeter Flury ist natürlich auch die Bereitstellung von Behandlungsressourcen und Finanzen. «Etwa vier bis sechs Stunden in der Woche kümmere ich mich auch um einzelne Patienten. So bleibe ich in Kontakt mit der psychotherapeutischen Praxis, deren Verbesserung und Weiterentwicklung eine ständige Aufgabe ist.»
Mit Menschen austauschen
Ergriffen habe er den Beruf des Psychiaters und Therapeuten, weil er sich gerne intensiv mit Menschen austausche. Das sei die Essenz dieses Berufs. Er sei nun 65, aber er werde noch ein paar Jahre anhängen, nicht um einfach weiterzumachen, sondern weil er die Behandlungspraxis noch ein paar weitere Jahre mitgestalten, verbessern und entwickeln möchte. Zur Schützen AG gehören drei Hotels – der «Schützen» am Eingang zur Rheinfelder Altstadt, das «Schiff» neben der Rheinbrücke und das «Eden» im Kapuzinerquartier im Grünen über der Stadt. Insgesamt stehen 200 Betten zur Verfügung, die Hälfte davon für Patientinnen und Patienten der Klinik Schützen. Am Vormittag, als das Interview stattfand, wurden im Garten eben die Tische gedeckt für das Mittagessen – sorgfältig und schön wie in einem gediegenen Restaurant. Einige Tische waren für Hotelgäste und Tagesbesucher reserviert, andere für Gruppen von Patienten. Zur Klinik Schützen Rheinfelden zählen auch eine Psychotherapeutische Tagesklinik sowie je ein Ambulatorium in Rheinfelden und Aarau. Insgesamt beschäftigt die Schützen AG vierhundert Personen. Ein grosser Teil von ihnen arbeitet Teilzeit.
«Wir müssen flexibel sein», sagt Hanspeter Flury. Viele der Beschäftigten seien Frauen, die Familien haben. Noch vor nicht allzu langer Zeit habe man sich kaum vorstellen können, dass ein Arzt oder eine Ärztin nicht Vollzeit arbeite. Heute sei das selbstverständlich. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie viel Freizeit seien wichtige Voraussetzungen, um überhaupt genügend und gutes Personal zu finden. Im nächsten Sommer wird der Betrieb im dann renovierten Stammhaus «Schützen» wieder aufgenommen. Schwierigkeiten mit dem Generalunternehmer hätten beim Umbau zu grossen Verzögerungen geführt. Doch die flexible und dezentralisierte Struktur mit drei Kliniken/Hotels haben es möglich gemacht, trotzdem gut weiterzuarbeiten. Es sei keine Unruhe im Betrieb entstanden und die Finanzen stimmten noch immer – trotz Bauverzögerung und Corona. Dass es gut läuft im Schützen, zeigen auch die Qualitätsberichte. Die Schützen Rheinfelden AG erzielte bei der letzten Überprüfung für Business Excellence (EFQM) fünf Sterne von fünf – hinzu kamen zusätzliche Auszeichnungen, die sie als Topinstitution auswiesen. So wurde der Betrieb Preisträger im nationalen Qualitätswettbewerb Esprix.
Sportler und Musiker
Hanspeter Flury wohnt nicht in Rheinfelden, sondern in Küsnacht am Zürichsee. Das habe sich aus familiären Gründen so ergeben. Er habe nicht die ganze Familie mit Frau und vier Töchtern nach Rheinfelden bringen können, als er vor fünfzehn Jahren Klinikchef in Rheinfelden geworden sei. Und so pendle er eben hin und her, was auch seine Vorteile habe. Die Verbindungen von Zürich nach Rheinfelden seien gut und im Zug könne er vieles abarbeiten, ohne dabei gestört zu werden. Am Wochenende geht er gerne wandern, früher sei er sehr passioniert gelaufen – zwei Mal habe er auch an einem Marathon teilgenommen. Doch darauf müsse er seit ein paar Jahren verzichten, sein Rücken lasse das nicht mehr zu. Hanspeter Flury macht auch gerne Musik, früher vor allem Rock und Jazz, nun meist im klassischen Bereich als Kammermusiker. Er nahm an der Musikschule und am Konservatorium in Winterthur Querflöte-Unterricht und spielt nun gerne zum Beispiel die Sonaten von Johann Sebastian Bach oder die berühmte h-Moll-Suite – beides ziemlich anspruchsvolle Stücke auch für einen geübten Flötisten.