Die neuen Schlossherren
08.01.2022 Persönlich, RheinfeldenAlexander Schwabe und Franziska Tanner haben Schloss Beuggen gekauft
Seit dem Verkauf an einen Investor 2017 war Schloss Beuggen in Badisch-Rheinfelden zum Dornröschenschloss verkommen. Die neuen Besitzer Alexander Schwabe und Franziska Tanner wollen hingegen, dass alles wieder wie früher wird.
Boris Burkhardt
Was kann man tun, wenn man privater Besitzer eines Schlosses wird? Man kann vor das Tor ein grosses Verbotsschild hängen, kaum jemanden mehr hineinlassen und alle Nutzer und Anwohner vor den Kopf stossen, die das Schloss und seine Anlagen jahrzehntelang in den verschiedensten Weisen liebten und nutzten. Oder man kann alle einladen, wiederzukommen, Feste zu feiern, ihren grossen Wissens- und Erfahrungsschatz über die Geschichte des Schlosses zu teilen und den Schlossgarten wieder für Veranstaltungen öffnen.
Unterschiedlicher könnten der alte und die neuen Besitzer von Schloss Beuggen in Badisch-Rheinfelden, der Waldshut-Tiengener Investor Kai Flender auf der einen Seite, die Eventgastronomen Franziska Tanner, 41, und Alexander Schwabe, 54, auf der anderen Seite, nicht sein. Im Juni wurde bekannt, dass der Spross der ehemaligen Basler Verlagsfamilie und seine Zürcher Lebensgefährtin das 750 Jahre alte Schloss gekauft haben. Schon vor dem Kauf führte das Paar ausführliche Gespräche mit der Stadt Rheinfelden, aber auch mit den Anwohnern in Karsau, denen das Schloss am Herzen liegt.
Schwabe zeigt sich überwältigt von der Resonanz, die er und Tanner seither erhalten haben: «Wir haben klar gemerkt, dass unser Konzept, das Schloss wieder seiner Vergangenheit zu öffnen, sehr positiv aufgenommen wird. Das hat uns den Mut gegeben, weiterzumachen.» So viele Menschen hätten eine tiefe emotionale Verbindung zum Schloss, sei es, weil sie in der Schlosskirche getauft worden seien oder geheiratet hätten, sei es auch nur die «Moschtbiirekönigin» der Karsauer Fasnacht, die traditionell jedes Jahr ein Bild auf der Schlosstreppe gemacht habe. Den Karsauer Musikverein habe er gleich eingeladen, sein Konzert in der Bogenhalle abzuhalten, erzählt Schwabe stolz. Im Restaurant richtete er einen Stammtisch ein.
Von Lörrach nach Beuggen
Schwabe wurde 1967 in Basel geboren und machte die Ausbildung zum Bankkaufmann sowie zum Schriftsetzer und Drucker. Als die Familiendruckerei Ende der Neunziger wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten verkauft wurde, liess sich Schwabe in Basel, Thun und Lausanne zum Gastronomen und Hotelier ausbilden und erfüllte sich nach einer Zeit auf einem Hof in Aesch BL mit dem Röttler Hof nahe der Burg Rötteln in Lörrach einen langgehegten Wunschtraum: eine Pferdepension mit Eventgastronomie.
Tanner ist Jahrgang 1980 und wuchs in Eglisau im Züribiet direkt am Rhein auf: «Als Landarztkind verbrachte ich meine ganze Kindheit und Jugend auf dem Hof und entwickelte eine Leidenschaft für Pferde.» Dennoch liess sich Tanner erst 2014 zur Huforthopädin ausbilden, nachdem sie als Kauffrau und Kommunikationsfachfrau in einem Medienvertrieb gearbeitet hatte. In ihrer Eigenschaft als Huforthopädin kam sie aber des Öfteren auf den Röttler Hof, wo sich die beiden kennenlernten.
«Lust darauf es zu machen»
Der emotionale Prozess der Entscheidung, Schloss Beuggen zu kaufen, ist laut Tanner «extrem schwierig zu beschreiben»: «Wir hatten Respekt vor der Herausforderung, aber auch einfach Lust darauf, es zu machen.» Ausschlaggebend sei für sie die Möglichkeiten gewesen, Hochzeiten auf dem Schloss zu planen: Was auf dem Röttler Hof bei Regen ein Plan B für eine geplante Feier im Freien gewesen sei, sei auf Schloss Beuggen mit der Bogenhalle und der Schlosskirche eine vollwertige Alternative. «Schloss Beuggen ist unschlagbar schön», sagt Tanner: «Wir standen im Sommer regelmässig im Park und sagten uns, wie es toll es hier ist.»
Schwabe und Tanner wurde die Entscheidung enorm dadurch erleichtert, dass sie mit Flender im November 2020 einen Kaufoptionsvertrag bis Ende Juni abschlossen, der nur ihnen, aber nicht ihm die Möglichkeit zu einem Ausstieg bot. So hatte das Paar genug Zeit, einen Businessplan aufzustellen und die Betreiberfirma des Röttler Hofs zu verkaufen. Die Komtur des Deutschritterordens aus dem Jahre 1268 war jahrzehntelang Tagungsort der Evangelischen Kirche in Baden; zum Jahreswechsel 2016/17 verkaufte sie es an Flender.
Der Investor hielt den wirtschaftlichen Betrieb, 54 Hotelzimmer, ein Restaurant und Tagungen, aufrecht, handhabte den Zugang der Öffentlichkeit zum Gelände ansonsten aber sehr restriktiv. Sein Konzept ging offensichtlich nicht auf: Bereits Anfang 2019 kämpfte er mit der Insolvenz; im November vergangenen Jahres bekam Schwabe dann über seine Kontakte in der Eventgastronomieszene dann «zugetragen», dass das Schloss zum Verkauf stehe.
Der Ururururur-Grossonkel war schon Besitzer von Schloss Beuggen
Schwabe ist sichtlich begeistert von der 750 Jahre alten Geschichte des Schlosses: Die historischen Schätze, die die beiden vorfanden oder die ihnen von Schlossliebhabern überlassen wurden, darunter Uniformen der letzten Komture und ein Brief Napoleons, wollen die beiden der Öffentlichkeit in einer Ausstellung zugänglichmachen. Anhand alter Zeichnungen und Grasnarben im Schlossgarten hat Schwabe ausserdem die Standorte der alten Barockspringbrunnen ausfindig gemacht, die er neu aufbauen will.
Kürzlich erfuhr Schwabe sogar durch einen Ahnenforscher, dass er nicht das erste Mitglied seiner Familie ist, das Schloss Beuggen kaufte: Ururururur-Grossonkel Carl Felix Burckhardt (1824–1885), Bürgermeister von Basel, erwarb das Anwesen 1876, als Schloss Beuggen das von den Basler Missionaren Christian Friedrich Spittler und Christian Heinrich Zeller gegründete Kinderheim beherbergte. Viele betuchte Basler Familien engagierten sich damals für das Kinderheim, weiss Schwabe inzwischen: Auch Carl Felix Burckhardt sei nach seiner Pension zweimal in der Woche mit Ross und Wagen von Riehen nach Beuggen gekommen und den Kindern eine väterliche Figur gewesen.
Inzwischen wohnen Schwabe und Tanner auf dem Schloss. Vom Röttler Hof haben sie auch ihre zehn Pferde mitgebracht. «Sie sind unsere Mitarbeiter», sagt Schwabe scherzhaft: «Wir bieten auch Kutschfahrten an.» Trotz all seiner Aufgaben und Pläne steht Schwabe noch immer selbst in der Küche.