Die Biber sind wieder da
09.01.2022 Persönlich, RheinfeldenChiara Antonini kümmert sich um den Pfadi-Nachwuchs
Seit rund zehn Jahren ist die 26-jährige Rheinfelderin Chiara Antonini Leiterin in der Pfadi Rheinfelden. Nun hat sie mitgeholfen, die jüngste Altersstufe der Biber aufzubauen. Und dies mit Erfolg.
Birgit Schlegel
Ich treffe Chiara Antonini im Pfadilokal im Schiffacker. Richtiges Pfadiwetter braut sich zusammen, die Wolken hängen tief und die ersten Tropfen fallen bereits. Maki, wie Chiara in der Pfadi genannt wird, wärmt ihre Hände an einem Becher Tee, während sich draussen ein weiterer Leiter nicht davon abhalten lässt, ein Zelt aufzubauen. Maki ohne Pfadi ist undenkbar. In der Primarschule kam sie zum ersten Mal in Kontakt mit der grössten Schweizer Jugendbewegung. Da kamen ein paar Leiter im Unterricht vorbei, um sie und ihre Klassenkolleginnen und -kollegen für die Sache zu begeistern. «Die halbe Klasse ging am darauffolgenden Samstag zum Schnuppern bei den Wölfli vorbei.» Chiara Antonini ist geblieben. Kein Lager und kein Weekend hat sie seitdem verpasst.
Erst Quirl, dann Maki
Quirl wurde Chiara von ihren Wölfli-Leitern getauft. Passte der Name zu ihr? «Oh ja!» Immer gut gelaunt und aufgestellt war sie als 6-jähriges Mädchen, lebendig, kreativ und immer voller Ideen, erzählt die ausgebildete Grafikerin über sich. Zu den Mutigsten habe sie jedoch nicht immer gehört. Mit dem Übertritt in die Pfadistufe als 12-Jährige musste sie ihren Wölfli Namen ablegen, Chiara wird seit dann Maki genannt. Auf meine Frage, ob es nicht schade ist, den ersten Namen abgeben zu müssen, meint sie: «Nein, es ist gut, einen neuen Namen zu bekommen. Die Kinder verändern sich sehr. Und was als Wölf li gepasst hat, trifft oft als Pfadi nicht mehr zu.» Viele Gedanken machen sich die Pfadileiterinnen und Pfadileiter jeweils über die Kinder und Jugendlichen, wenn diese getauft werden sollen. Charaktereigenschaften, Gewohnheiten oder spezielle Vorlieben sind ausschlaggeben für den neuen Namen, der ab der Pfadistufe lebenslang zählt. Und wie sieht es mit Maki aus? «Der Name passt.» Sie sei als Jugendliche ruhiger geworden, «mit grossen Augen» oft beobachtend und aufmerksam an allem interessiert wie das Kletteräffchen, ihr Namensgeber. Als Maki im Alter von 15 Jahren die nächste Altersstufe, die Piostufe, erreicht, wird sie aus Mangel an Leitungspersonen sofort angefragt. «Kann ich das schon?», sind ihre ersten Gedanken, und sie zweifelt an sich selbst, diese Verantwortung so jung bereits übernehmen zu können. Der mutige Schritt hat sich jedoch gelohnt: rund zehn Jahre hat sich Maki in der Pfadistufe als Leiterin engagiert.
Erst die Pfadis, nun die Biber
Sie sind wirklich noch sehr klein, die jüngsten Pfadimitglieder, Biber genannt. Im Kindergartenalter erst sind sie, und somit die neue Herausforderung für Maki und ihre Leiterkolleginnen und Leiterkollegen. «Das Bedürfnis für die jüngste Pfadistufe ist da», meint Maki. Die Wölfli-Leiter wurden immer wieder angefragt, ob die noch jüngeren Geschwister nicht auch bei der Pfadi mitmachen könnten. Seit der Gründung im Februar 2019 trifft sich nun 14-täglich am Samstagnachmittag ein stattliches Bibergrüpplein von durchschnittlich 15 Mädchen und Buben im Alter von vier bis sechs Jahren beim Pfadilokal. «Ist die Verantwortung für Dich als Leiterin bei den Jüngsten nicht noch grösser?» frage ich Maki. Das sei schon so, meint sie. Die Eltern haben aber ein Riesenvertrauen in alle Leiterinnen und Leiter, das spüre sie sehr gut. Und dabei haben die wenigsten Eltern eine eigene Pfadivergangenheit und wissen, was da alles auf ihre Kinder zukommt. Bei der Pfadi mitzumachen heisst zu kochen, klettern, bauen, mit Seilen und Werkzeug zu arbeiten und zahlreiche Mutproben abzulegen. Und dies immer draussen und selbstverständlich bei jedem Wetter. Auch bei den Bibern ist dies alles bereits wichtiger Bestandteil. Die Vorbereitung für die Übungseinheiten ist gross. Vieles wird im Leitungsteam zuvor erst diskutiert, ob es für die Kleinen bereits geeignet ist. Zum Beispiel das Thema «Angst» werde im Leitungsteam immer wieder besprochen. Im Vergleich zu den Wölf li oder Pfadis gibt es bei den Bibern jedoch noch keinen offensichtlichen Bösewicht, der gefangen und eingesperrt werden muss. Das Böse gemeinsam besiegen, wie es eines der Leitthemen der Pfadi ist, existiert bei den Jüngsten noch nicht. Streit schlichten, mit Wut umgehen oder Konflikte gemeinsam lösen versucht Maki als Leiterin den Bibern beizubringen. «Sich zu raufen liegt in der Natur aller Kinder», weiss Maki aus Erfahrung. Da komme ein Streit immer wieder vor. Aber was ist elterliche Erziehung und was ist Teil des Kindes? Das sei schwierig, herauszufinden. «Aber wir können den Eltern die Erziehung nicht abnehmen.» Die Kinder lernen deshalb als wichtigstes, dass in der Pfadi für alle die gleichen Regeln gelten. Und diese können durchaus von Gewohnheiten zuhause abweichen. Mit basteln, Geschichten hören und vielen Bewegungsspielen lernen die Biber die Kernthemen der Pfadfinderbewegung kennen. Und immer wieder kommt eine beruhigende Phase dazwischen, in welchen sie der gesamten Gruppe von ihren persönlichen Erlebnissen der vergangenen Woche berichten dürfen. «Das lieben sie am meisten.» Ist es für Maki anstrengender, die Bibergruppe zu leiten als früher bei den Pfadis? «Sehr!» meint Maki und lacht. «Man weiss nach einer Biberübung, was man gemacht hat!»
«Einmal Pfadi, immer Pfadi»
Doch worin liegt für Maki eigentlich das Geheimnis der Pfadibewegung? «Alles ist in der Pfadi ehrlich und ungeschminkt. Da sitzen wir in einem Lager tagelang zusammen, alle haben seit Tagen die gleichen dreckigen Kleider an, sind übermüdet nach zahlreichen gemeinsamen Aktivitäten und stundenlangen Gesprächen», erklärt Maki. Und dies ist vielleicht eines der zentralen Gründe für die lebenslange Zugehörigkeit: diese unzähligen Momente der Vertrautheit untereinander, die es vielleicht nirgends sonst gibt. Gespräche, die man nie innerhalb der Familien führen würde. Dies, meint Maki, sei ein wichtiger Teil des Erwachsenwerdens. Jedes Mal nach einem Lager falle auch sie immer noch in das berühmte Lagerloch wegen des berüchtigten «Overload», dieser positiven Reizüberflutung an gemeinsam erfahrenen Eindrücken und Gefühlen, die Aussenstehenden unmöglich vermittelt werden können. «Ich habe meine besten Freunde in der Pfadi. Sie sind fast wie eine zweite Familie für mich.»