«Eine komplette Freilegung ist keine Option»

  21.01.2022 Brennpunkt, Kaiseraugst

Die Entdeckung eines bisher unbekannten Amphitheaters in Kaiseraugst ist eine Sensation. Viele Leute fragen sich, wieso die alten Mauern nicht freigelegt und für Besucher zugänglich gemacht werden.

Valentin Zumsteg

Die einstige Römerstadt Augusta Raurica ist gut erforscht. Umso überraschender war es, dass bei der archäologischen Begleitung von Bauarbeiten für das neue Bootshaus des Basler Ruderclubs im Dezember 2021 ein bisher vollkommen unbekanntes Amphitheater zum Vorschein gekommen ist (die NFZ berichtete gestern). Die Meldung der Aargauer Kantonsarchäologie sorgte denn auch für ein grosses Echo. Und sie wirft Fragen auf.

«Ausgrabung bedeutet Zerstörung der Zusammenhänge»
Die jetzt entdeckten Mauern werden nicht freigelegt, sondern durch eine Aufschüttung geschützt. Diese Aufschüttung ist bereits erfolgt, auch eine Betonplatte ist schon erstellt worden. Darüber wird das Bootshaus wie geplant realisiert, allerdings wurde das Bauprojekt so angepasst, dass die archäologische Substanz im Boden erhalten bleibt.

«Hätte man das Bootshaus nicht an einer anderen Stelle errichten können. Ist doch schade drum, wenn die Öffentlichkeit das Amphitheater nie mehr besichtigen kann», schreibt dazu eine Leserin auf der Facebook-Seite der NFZ. Auch andere Kommentare zielen in die gleiche Richtung.

Für die Kantonsarchäologie kommt das aber nicht in Frage: «Eine komplette Freilegung ist keine Option. Jede Ausgrabung bedeutet letztlich auch eine Zerstörung der Befundzusammenhänge», erklärt Jakob Baerlocher, Leiter Ausgrabungen Kaiseraugst der Kantonsarchäologie, gegenüber der NFZ.

Das Monument sei im Boden am besten geschützt. «Auch sind im Rahmen dieses Bauprojektes keine tiefreichenden und grossflächigen Bodeneingriffe vorgesehen, die eine Rettungsgrabung notwendig machen würden. Ganz grundsätzlich sind archäologische Hinterlassenschaften gemäss Kulturgesetz zu schützen und zu erhalten.»

Das neue Bootshaus kann in Kaiseraugst gemäss Ausgrabungsleiter Jakob Baerlocher über den Ruinen des neu entdeckten Amphitheaters errichtet werden. Die Werkleitungsverläufe sind so angepasst worden, dass die Mauern keinen Schaden nehmen. Insofern bestehe keine Veranlassung, das Bootshaus zu verlegen. Weiter betont Baerlocher, dass archäologische Monumente sehr betreuungsintensiv seien. «Sie müssen ständig konservatorisch betreut werden. Dies ist entsprechend zeit- und kostenaufwändig. Zudem ist es heute möglich, derartige Monumente auch auf andere Art und Weise der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.» Entsprechende Ideen gebe es bereits.

Tribünen aus Holz
Die jetzt entdeckte Anlage ist rund 50 Meter lang und 40 Meter breit. Sie liegt in der Senke eines noch in römischer Zeit aufgegebenen Steinbruchs unmittelbar westlich des Kastells Kaiseraugst. Wie viele Zuschauer die Anlage einstmals fassen konnte, lässt sich heute nicht mehr sagen. Baerlocher meint dazu: «Da die Grösse der hölzernen Tribünen nicht bekannt ist, können dazu keine Aussagen gemacht werden.»

Es ist wohl davon auszugehen, dass im Boden von Kaiseraugst und Augst noch so manche Überraschung aus der Vergangenheit schlummert. (vzu)


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