Mannigfacher Einfallsreichtum

  11.12.2021 Persönlich, Wölflinswil

In ihrem Geschänkhüsli offeriert Sandra Bircher ihre selbst gebastelten Kunstwerke

Vor einem Jahr eröffnete Sandra Bircher in Wölflinswil ihr Gschänkhüsli «Colibri». Dort lässt sie ihrer Kreativität freien Lauf und verkauft ihre Kunstwerke in Selbstbedienung. Ihr Gottvertrauen in die Ehrlichkeit der Menschen wurde bisher kaum enttäuscht.

Hildegard Siebold

Wenn in Wölflinswil alljährlich im Oktober Herbstmärt ist, eröffnet sich dem Besucher eine mannigfache Welt an kreativem Einfallsreichtum. Das Auge kann sich kaum satt sehen beim Schlendern durch die Marktzeilen. Immer wieder erhascht der Blick neue Besonderheiten. Wie etwa die kleinen Gugelhupf-Kerzenhalter von Sandra Bircher. «Meine Güte, sind die herzig», ist der erste Gedanke, der einem durch den Kopf schiesst und sogleich von den Lippen kommt. Dieses Geständnis wiederum löst bei der Hobby-Künstlerin eine tiefe Freude aus. «Anderen eine Freude machen» ist nämlich die Motivation ihres künstlerischen Schaffens. Bereitwillig beginnt sie zu erzählen. Von schnödem Zement, der ihr als Werkstoff für die Gugelhüpfchen dient. Von ihrer Liebe zum Werkeln. Von ihrem kleinen Geschänkhüsli in einem ehemaligen Stall in der Bodenstrasse in Wölflinswil.

Hier können die Menschen ihre ideenreichen Werkstücke in Selbstbedienung erstehen. Ein paar Tage später steht die neugierige Besucherin vor dem «Colibri». Es ist später Nachmittag, die Türe steht offen, das warme Licht in der anbrechenden Dunkelheit lädt ein, der Neugier freien Lauf zu lassen. So kurz vor Beginn der Adventszeit ist alles weihnachtlich dekoriert. Adventskränze und Adventsgestecke, Kerzen, Nikoläuse und schimmernde Kugeln bezirzen das Auge. Es ist eine Fülle, die besticht vor den kargen, rauen Wänden des einstigen Stalls. Ursprüngliche Holzkisten dienen als Regale für all die künstlerischen Kreationen von Sandra Bircher. Was für ein kontrastreiches Bild.

Kreative Ader wohl geerbt
Da sind sie wieder, die Kerzenständer in Gugelhupf-Form. Der Blick wandert wie von selbst weiter, erhascht Türkränze ganz in Weiss gehalten. Wunderschön edel anzusehen. Die kleinen Rosen sind aus ganz banalen Sandwichtüten geformt, eine glitzernde Perle in der Mitte der Blüte macht sie zum Hingucker. «Die Idee habe ich gestohlen», gibt Sandra Bircher unumwunden zu. Im Internet. Meist jedoch basieren ihre Kreationen auf eigenen Ideen, die ihr durch den Kopf gehen. Sie sieht etwas und probiert es aus. Das sei schon immer so gewesen, erzählt die 51-Jährige, die im Fricktal aufwuchs und seit 23 Jahren in Wölflinswil zu Hause ist. Immer schon hat sie «Zeug’s» nach Hause geschleppt und etwas daraus gemacht. Die kreative Ader habe sie wohl von ihrer Mami geerbt. Angefangen hat sie einst mit Malen. Bilder in allen Stilrichtungen entstanden unter ihren Händen. Und irgendwann hat sie sich mit Beton und Zement ausprobiert. Das bot sich an, ihr Mann Urs hat ein Tiefbaugeschäft.

Und auch wenn der Ausschuss in der Probierphase grösser war als der Ertrag, hat sie nicht aufgegeben. Davon zeugen nicht nur ihre kleinen Gugelhupf-Kerzenhalter, sondern auch viele andere Gebilde aus Zement, wie etwa lustige Gartenzwerge. Immer mehr und immer öfter bastelte sie Mitbringsel für andere, eröffnete schliesslich ein kleines Ausstellungshäuschen vor der Garage des eigenen Zuhauses. Aber auch das wurde bald zu klein, denn die Nachfrage stieg und motivierte sie zu neuen Ideen und neuen Taten. Da kam die Möglichkeit, den Stall im Nachbarhaus von Beda Raimann in der Bodenstrasse zu nutzen, genau richtig.

Symbol für die Freude am Leben
«Das hat gepasst», sagt sie. In ihrem Kopf war der Raum schon eingerichtet, kaum dass sie ihn gesehen hatte. Und weil das Gschänkhüsli so klein ist, benannte sie es nach dem kleinen und schnellen Vogel «Colibri». Kolibris f liegen unermüdlich von Blüte zu Blüte, um den Geschmack des Nektars zu geniessen, weshalb sie auch als ein Symbol für die Freude am Leben stehen. Das wiederum passt haargenau auf die Besitzerin. Sandra Bircher ist eine zierliche Person mit geradezu übersprudelnder Energie. Ihre offene, lebensfrohe Art ist ansteckend, ihre Neugier das Rüstzeug für immer neue kreative Ideen. Und das kreative Schaffen ist für sie Abwechslung vom Alltag mit dem Job im Geschäft ihres Mannes Urs, von der Familie mit Tochter Rebecca und Sohn Luca und von Haus und Garten, die sie jedoch mit genau so grosser Leidenschaft und Kreativität hegt und pflegt. 8 bis 15 Stunden pro Woche investiert sie in ihr Hobby. Das soll auch so bleiben. «Ich mache mir keinen Druck, es soll einfach Spass machen», sagt sie. Und es sei schon gar nicht ihr Ziel, damit reich zu werden. Der Preis muss angemessen und nicht überzogen sein, ist ihre Devise. Dabei setzt sie grosses Vertrauen in ihre Kundschaft. Denn das Gschänkhüsli läuft in Selbstbedienung. Jeder kann hineinschauen, nach Herzenslust stöbern, aussuchen. Und wenn er dann etwas gefunden hat, gilt es auf Vertrauensbasis das Geld einfach in das bereitgestellte Kässchen zu legen oder via Twint mobil zu bezahlen. Enttäuscht wurde Sandra Bircher seit der Eröffnung ihres Gschänklädelis vor einem Jahr nur ein einziges Mal. Da hat einer die Geldkassette mitgehen lassen. Die ist mittlerweile diebstahlsicher verschraubt. Aber viel mehr hätte es sie getroffen, wenn jemand die von ihr mit viel Liebe gebastelten Kunstwerke mitgehen liesse, ohne dafür zu bezahlen. «Das würde mir wirklich weh tun», sagt Sandra Bircher.


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