Die Schliessung der letzten N3-Lücke

  20.10.2021 Aargau, Fricktal

Vor 25 Jahren wurde das Autobahnteilstück Frick-Birrfeld eingeweiht

Am 17. Oktober 1996 wurde das N3- (heute A3-) Teilstück Frick-Birrfeld eröffnet. Die Schliessung der Autobahnlücke war ein Kraftakt.

Hans-Peter Widmer*

Der Eröffnung des letzten Autobahnteilstücks zwischen Zürich und Basel gingen eine 25 Jahre lange Kontroverse um die Linienführung und eine achtjährige Bauzeit voraus. Leidenschaftlich wurde darüber gestritten, ob die N3 über oder durch den Bözberg führen solle. Expertisen noch und noch versuchten Klärung zu schaffen. Aktionskomitees kämpften für ihre Standpunkte – es war vom «Autobahnkrieg» die Rede. Schliesslich siegte die Durchstichvariante.

Der «Autobahnkrieg»
In der langen Auseinandersetzung wurden acht Versionen geprüft. Erste Skizzen Ende der 1950er Jahre sahen eine Autobahnführung über den Bözberg mit einer tief liegenden Querung des Aaretals bei Villnachern und einem kurzen Scheiteltunnel bei Linn vor. Diese Idee wurde rasch durch Pläne mit einer Hochbrücke vom Galgenhübel zum Bözbergsüdhang, südwestlich von Umiken, und einem Geländeeinschnitt bei der Linner Linde abgelöst. Aber sofort entbrannte ein heftiger Streit, ob das 1500 Meter lange und 60 Meter hohe Viadukt landschaftsverträglich sei oder nicht. Die tangierten Gemeinden Hausen, Umiken, Unterbözberg und Linn unterstützten einen neuen Vorschlag des Badener Ingenieurs Dr. Josef Killer, die N3 nicht über, sondern durch den Bözberg zu führen. Die Öffentlichkeit stand Tunnelbauten wegen den Kosten eher skeptisch aber gegenüber. Auch die Strassenbauer von Kanton und Bund empfahlen die Bergvariante. Doch die Aargauer Regierung und der Bundesrat entschieden sich1969 für die Tunnellösung. Dagegen wehrten sich die neu betroffenen Gemeinden Lupfig, Scherz, Schinznach-Bad und Schinznach-Dorf. Bei der Projektoptimierung schwenkten die Planer von der Südauf die Nordumfahrung von Bad Schinznach um und zogen einem Geländeeinschnitt zwischen Scherz und Schinznach-Bad den Habsburgtunnel vor. Aber die Bad Schinznach AG befürchtete die Gefährdung der Thermalquelle und legte eine «Verständigungsvariante» mit einer Verschiebung des Bözbergtunnels nach Norden vor. Dadurch wäre jedoch der hochgeheime Kommandoposten der Grenzbrigade 5 durchstossen worden, was man nicht öffentlich bekanntmachen durfte. Es blieb bei der geplanten Tunnelachse.

Beschwerden bis vor Bundesgericht
Die Auflage des Bauprojekts stiess 1982 auf unterschiedlichen Widerstand. Auf der Fricktaler Seite gab es wenige Einwände gegen das Teilstück Frick-Effingen. Hingegen «hagelte» es über 200 Einsprachen gegen das Bözbergtunnel-Projekt und den Abschnitt Aaretal-Birrfeld mit dem Habsburgtunnel. Der Regierungsrat machte weitere Zugeständnisse in Bezug auf den Lärmschutz und die Schonung der Landschaft; an der Linienführung hielt er fest. 35 Einspracheentscheide wurden an das Bundesgericht weitergezogen. Dieses trat grösstenteils nicht auf die Beschwerden ein und lehnte es ab, die aufgeworfenen Fragen materiell zu beantworten. Damit waren die Rechtsverfahren 1985 abgeschlossen. Neue planerische und ökologische Erkenntnisse sowie einige Wiedererwägungsgesuche und Verbesserungsanträge bewogen jedoch die Aargauer Regierung zu einer nochmaligen Beurteilung zentraler Fragen. Das führte zu zwei wichtigen Korrekturen: Zur Achsverschiebung und Verlängerung des Bözbergtunnels um 600 Meter, wodurch das Sagimülitäli von der Autobahnführung verschont blieb; und zu einer 500 Meter langen Überdeckung der N3 im Schinznacherfeld zur Schonung der Kulturlandflächen. Diese Änderungen waren nachhaltig – aber hochriskant. Denn der Bund verlangte nochmals eine begrenzte Projektauflage, was den Baubeginn erneut hätte verzögern können. Vier neue Einsprachen wurden nach Verhandlungen zurückgezogen. So stand im Oktober 1987 dem Baubeginn nichts mehr im Weg.

Herausfordernde Grossbaustellen
Die Bauzeit der 19 Kilometer langen Strecke Frick-Birrfeld dauerte acht Jahre. Grösste Objekte waren der 3,7 Kilometer lange Bözbergtunnel, der 1,5 Kilometer lange Habsburgtunnel, der 450 Meter lange Schinznacherfeld Tunnel, die 1230 Meter lange Brücke über den Schinznacher Schachen und die Aare sowie das Anschlussbauwerk Lupfig. Zudem wurden rund 6 Kilometer Bäche verlegt, 10,5 Kilometer Verkehrswege neu trassiert, 28 Überführungen, Unterführungen und Bachdurchlässe sowie 23 kleinere Bauwerke erstellt. Neueste Methoden der Tunnel- und Brückenbau-Technik kamen zur Anwendung. Die Bauleute wurden auch mit Überraschungen konfrontiert. So war die Geologie des Wülpelsberges für den Habsburgtunnel viel heikler, als die Sondierbohrungen voraussagten. Dagegen störte der Vortrieb des Bözbergtunnels die Therme von Bad Schinznach nicht, doch das von einem Polier zufällig entdeckte Einsickern von aggressivem Tiefengrundwasser zwang zur nicht vorgesehenen Abdichtung der Innenschalung. Am 5. September 1991 durchstiessen die Tunnelbohrmaschinen den Bözberg und zwei Wochen später den Wülpelsberg. Nach diesen sichtbaren Zeichen des Baufortschritts nahmen weniger spektakuläre Bauarbeiten weitere fünf Jahre in Anspruch, bis die N3 am 17. Oktober 1996 eröffnet werden konnte.

Die bessere aller Varianten
Die Schliessung der Autobahnlücke Frick-Birrfeld entlastete die Region Brugg von viel Transitverkehr. Aber das Ringen um die Autobahnführung offenbarte den Konflikt zwischen den Mobilitätsansprüchen der Gesellschaft und der Schutzbedürftigkeit der Natur. Das erlebten fünf Aargauer Baudirektoren, unter ihnen besonders Regierungsrat Ulrich Siegrist, der nachhaltige letzte Projektverbesserungen erwirkte. Dazu gehörte der Verzicht auf den N3-Halbanschluss Schinznacherfeld, was einen Verkehrs- und Zersiedelungsschub links der Aare verhinderte. Zu den bedeutendsten landschaftsschonenden Massnahmen zählten die Rettung des Sagimülitälis und die Erstellung des Viadukts statt eines Damms im Schinznacher Schachen, mit einem neu angelegten aquatischen Lebensraum unter der Brücke.

Im Rückblick auf den «Autobahnkrieg» sagt der heutige Aargauer Baudirektor Stephan Attiger: «Mensch und Natur sind froh, dass die Pläne der N3 nicht so umgesetzt wurden, wie ursprünglich vorgesehen». Die Rettung des Sagimülitälis sei ein Musterbeispiel für eine Nachhaltigkeitspolitik, die alle Aspekte berücksichtige: Wirtschaft, Umwelt, Gesellschaft: «Heute ist das eine Selbstverständlichkeit, damals war es eine Pionierleistung».

* Hans-Peter Widmer hat die Geschichte der N 3 als ehemaliger Redaktor und Aargau-Chef von Aargauer Tagblatt und Aargauer Zeitung sowie als Grossrat und Vizeammann von Hausen mitverfolgt.


Image Title

1/10

Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Haben Sie noch kein Konto? Registrieren Sie sich hier

Ja. Ich benötige ein Abo.

Abo Angebote