«Ich helfe gerne»

  30.06.2021 Persönlich, Rheinfelden

Seit 48 Jahren Feuerwehrmann

Walter Bräutigam ist ein Urgestein in der Rheinfelder Feuerwehr. Seit bald 50 Jahren leistet er Dienst. Jetzt zeichnet sich ein Ende ab – doch für die Allgemeinheit will er sich auch nach seiner Pensionierung engagieren. Seine Absicht: Er möchte pflegende Angehörige entlasten.

Valentin Zumsteg

Wo trifft man Walter Bräutigam? Natürlich im Rheinfelder Feuerwehrmagazin. Hier arbeitet er und hier verbringt er einen grossen Teil seiner Freizeit. Er ist bei der Stadt nicht nur als Materialwart für die Feuerwehr angestellt, er leistet seit 1974 als Mitglied der Feuerwehr seinen Dienst an der Allgemeinheit. «Die Feuerwehr ist mein Leben, zumindest ein grosser Teil davon», sagt Bräutigam, der im November seinen 65. Geburtstag feiern kann..

«Immer einen Sinn in der Arbeit gesehen»
Wird die Feuerwehr zu einem Einsatz aufgeboten, dann ist Bräutigam in der Regel der Erste, der da ist, und der Letzte, der geht. Denn als Materialwart muss er nach dem Einsatz wieder alles auf Vordermann bringen. «Ich bin hier mein eigener Chef, das gefällt mir. Ich spüre aber eine grosse Verantwortung. Ich bin dafür verantwortlich, dass alles Material und die Fahrzeuge jederzeit einsatzbereit sind.» Bei ihm gibt es keine halben Sachen, denn im Einsatz kann es um Leben oder Tod gehen. Da müssen sich alle auf das Material verlassen können. Auf der anderen Seite ist er ein Gemütsmensch, der es gerne lustig und gesellig mag. Er ist nie um einen träfen Spruch verlegen und steht zu seiner Meinung. In Feuer weh rk reisen ken nt u nd schätzt man ihn in der ganzen Region.

Bräutigam ist ein Feuerwehrmann mit Leib und Seele. Im Februar 1974, noch keine 18 Jahre alt, trat er dem Korps bei. Heute gehört er dem Kommando an und ist Mitglied der Feuerwehrkommission. Er hat unzählige Kurse besucht und selber als Klassenlehrer im Bezirk gearbeitet. «Ich habe immer einen Sinn in meiner Arbeit gesehen.» So gehörte er zu den Gründungsmitgliedern der Rheinfelder Jugendfeuerwehr. «Unsere Absicht war es, den Jugendlichen eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung im Dienst der Öffentlichkeit zu ermöglichen. Viele heutige Feuerwehr- Führungskräfte haben dort angefangen», freut sich der Vater von zwei erwachsenen Kindern.

In den bald fünf Jahrzehnten bei der Feuerwehr, in denen er sieben Feuerwehrkommandanten und eine Kommandantin erlebte, hat sich vieles verändert. «Der Zusammenhalt und die Kameradschaft waren früher grösser. Aber die Jungen, die wir heute in der Feuerwehr haben, sind auch motiviert. Die wollen ihren Dienst leisten.»

Der gelernte Kaminfeger, der seine Lehre beim legendären Walter Oeschger absolvierte, arbeitet seit 1993 bei der Stadt Rheinfelden. Zuerst als Allrounder beim Werkhof und als Bestatter. Seine ruhige und einfühlsame Art wurde von den Hinterbliebenen geschätzt. «Es ist nicht leicht, wenn man beispielsweise bei einer Familie ein totes Kind mitnehmen muss. Ich habe als Feuerwehrmann und als Bestatter viele unschöne Dinge gesehen. Ich kann aber damit umgehen.» Dass ihn viele Leute kennen, habe die Arbeit erleichtert. Später ist das Bestattungswesen in Rheinfelden privatisiert worden – ein Schritt, den Bräutigam bedauert. Seit 2007 arbeitet er nun mit einem Pensum von 80 Prozent als Materialwart für die Feuerwehr und 20 Prozent für den Werkhof – dort ist er unter anderem für die Entsorgung des Elektroschrotts zuständig. Insgesamt erledigt er eine Vielzahl von Aufgaben, von der Kontrolle der Rettungskästen entlang des Rheins bis zum Montieren der städtischen Weihnachtsbeleuchtung mit der Autodrehleiter der Feuerwehr. Über die Jahre ist immer mehr dazugekommen.

Pflegende Angehörige entlasten
Aber langsam neigt sich seine Zeit sowohl bei der Stadt als auch bei der Feuerwehr dem Ende entgegen. Ende September geht er in Pension, voraussichtlich einen Monat später hört er als Feuerwehrmann auf. Damit endet für ihn ein Lebensabschnitt, doch sein Engagement für die Allgemeinheit will er weiterführen. «Es gibt in meinem Bekanntenkreis einige Leute, die sich um kranke Angehörige kümmern und deswegen kaum je weg können. Ich möchte sie entlasten und ihnen mal eine kurze Auszeit ermöglichen. Ich gehe aber auch mit Leuten spazieren, die einsam sind. Davon gibt es mehr, als man meint. Ich will mich auf jeden Fall weiterhin engagieren», sagt Bräutigam.

Seine soziale Ader hat ihren Ursprung vielleicht in seiner Jugend. Er wuchs in schwierigen Familienverhältnissen auf. Er kennt also die Schattenseiten – und sorgt selber für viel Sonnenschein: «Ich bin gesund und fit. Ich helfe gerne.»

Die Feuerwehr werde er sicher vermissen, meint er abschliessend, doch er freue sich auf mehr Zeit für sich und seine Liebsten.


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