Vom Fernsehen zurück in die Schule

  06.06.2021 Persönlich, Wil, Schule

Der Ostschweizer Thomas Gantenbein unterrichtet in Wil

Seit August vergangenen Jahres unterrichtet Thomas Gantenbein im Schulhaus in Wil die Fünftklässler aus dem Mettauertal.

Dieter Deiss

Aufgewachsen in Sevelen, im oberen Teil des St. Galler Rheintals, wohnt er heute zusammen mit seiner Frau in Turgi. Seine bisherige berufliche Laufbahn ist alles andere als geradlinig verlaufen, sie war geprägt von zahlreichen spannenden Tätigkeiten.

«Was zieht einen St. Galler in den Kanton Aargau und ins Fricktal», wollten wir wissen. Turgi, und damit den Kanton Aargau, haben er und seine Frau aus rein praktikablen Überlegungen gewählt, da diese Gemeinde sehr zentral gelegen sei. Seine Frau, ebenfalls Lehrerin, arbeitet als Heilpädagogin in Dietikon. Dieses ist von Turgi aus problemlos mit dem ÖV erreichbar. In Wil habe er sich letztes Jahr beworben, weil er die Grösse dieser Schule als ideal erachtet und der tägliche Arbeitsweg problemlos zu bewältigen sei. Zudem sei ihm der räumliche Abstand zwischen Schule und Privatleben wichtig. Die Aufnahme der Lehrtätigkeit in Wil habe ihn aber auch gezwungen, sich vertiefter mit dem Kanton Aargau auseinanderzusetzen.

Als Deutschlehrer in der Slowakei
Der aus einer Lehrerfamilie stammende Thomas Gantenbein liess sich am Lehrerseminar in Sargans ausbilden. Hier habe man noch einen praxisbezogenen Unterricht erleben dürfen, meinte er mit Blick auf die heute stark wissenschaftlich geprägte Ausbildung an den Pädagogischen Hochschulen. Während eines Zwischenjahres hatte er an einer Schule in der Slowakei eine Anstellung als Unterstützungslehrer, dies habe er zumindest geglaubt. In Wirklichkeit wurde er dann aber als Deutschlehrer mit 25 Wochenlektionen eingesetzt.

Seine erste richtige Anstellung führte ihn nach Unterterzen. Nach zwei Jahren Unterrichtstätigkeit habe er sich zunehmend die Frage gestellt: «War’s das jetzt?» Die Antwort hatte er schnell. Er nahm an der Uni Freiburg ein Studium in Politologie mit Schwergewicht Ost- und Mitteleuropa und Journalismus auf. Sein Aufenthalt in der Tschechoslowakei habe in ihm das Interesse an diesem Teil Europas geweckt. Hier in Freiburg machte er denn auch als freier Mitarbeiter bei den Freiburger Nachrichten seine ersten Schritte im Journalismus.

Eintauchen in die Welt der Medien
Das breite Feld der Medienlandschaft sollte dann für viele Jahre in vielfältigsten Formen seinen Weg bestimmen. So arbeitete er für das Schweizer Fernsehen als Journalist für die Sendung «Music Star». Berichte über das Umfeld der Sendung, über die Stars und Sternchen, Backstorys, aber auch Klatsch und Tratsch gehörte zu seinen Aufgaben. Eine hektische, aber auch spannende Zeit sei für ihn die Festanstellung als Videojournalist bei TeleBärn gewesen. Jeden Tag eine zwei- bis vierminütige, neue Geschichte von der Recherche bis zum fertigen Filmschnitt alleine zu erarbeiten, sei herausfordernd, aber sehr abwechslungsreich gewesen.

In Einsätzen für das Schulfernsehen mySchool von SRF konnte er seine pädagogischen Fähigkeiten unter Beweis stellen. Abenteuerlich sei eine Reportage über eine Offroad Trophy in Rumänien gewesen, die er als Reporter hautnah begleitet hatte. Seine Arbeit habe primär darin bestanden, die Menschen im Teilnehmerfeld zu beobachten: «Wie funktionieren diese unter den harten Bedingungen, wie gehen sie Konflikte an, wie arbeiten sie zusammen?»

Man könnte noch viel erzählen aus dieser wohl eher unsteten Lebensphase des heute 42-Jährigen. So über seine Aushilfe bei «SRF bi de Lüt» oder die Arbeit für das Magazin «Tacho», seine Tätigkeit für Ringier TV oder gar zuletzt als Produzent und Geschäftsführer in einer kleinen Produktionsfirma.

Das Umfeld wird schwieriger
Das Umfeld im gesamten Medienbereich sei in den vergangenen Jahren zunehmende schwieriger geworden. Sparmassnahmen führten zu Einschränkungen, viele Freiheiten wurden beschnitten. Die Corona-Pandemie trug zu einer zusätzlichen Verschlechterung der Situation bei. «Das Arbeiten dürfen wurde immer mehr zu einem Arbeiten müssen», führt er aus. «Es sei der Punkt gekommen, wo er das Gefühl hatte: «So, jetzt hast du es gesehen.». Er habe sich entschlossen, sein teils doch etwas abenteuerliches Berufsleben abzuschliessen. Er besann sich zurück auf seine Ausbildung als Lehrer. Der allgegenwärtige Lehrermangel habe ihn zusätzlich zum Wiedereinstig motiviert. «Ich konnte mir eine Stelle aussuchen. Ein erstes Anstellungsgespräch in Wil war bereits erfolgreich: «Hier gefiel es mir von Anbeginn.» «In der 5. Klasse sind die Schülerinnen und Schüler in einem dankbaren Alter», führt Gantenbein zu seiner gegenwärtigen Situation aus. «Die Kinder verfügen bereits über eine gewisse Selbständigkeit, sie sind wissbegierig und dankbar für einen spannenden Unterricht.» Medienkompetenz sei in diesem Alter ein grosses Thema. Gerade hier habe er aufgrund seiner bisherigen beruflichen Tätigkeit einiges zu bieten. Ab der 5. Klasse hat an den Schulen von Wil jeder Schüler ein persönliches, von der Schule zur Verfügung gestelltes iPad. Dieses sei vielfältig einsetzbar, vom Deutschunterricht, über Mathematik bis hin zu naturkundlichen Fächern. Die Geräte haben einen Jugendschutzfilter und es können nur zugelassene Apps heruntergeladen werden.

Ein iPad muss Mehrwert schaffen
Es sei wichtig, dass die Kinder den Umgang mit den Medien lernen, betont Thomas Gantenbein. Grundsätzlich würden die iPads die Schülerinnen und Schüler für den Unterricht motivieren. Dessen Einsatz sei aber nur dann sinnvoll, wenn dadurch ein Mehrwert geschaffen werde. Keinesfalls könne das iPad aber das Schreiben, oder auch Zeichnen und Malen mit Stift und Papier ersetzen, betont der Lehrer. «Nur weil etwas mit einem technischen Hilfsmittel umgesetzt wird, bedeutet das beispielsweise keineswegs den Verzicht auf Rechtschreibung oder korrekte Formulierungen.» meint er.

Gegenwärtig arbeitet die Klasse an einem Filmprojekt. Es entsteht eine Räubergeschichte, die im Mettauertal spielt. Dazu wird die Geschichte geschrieben, die Szenen im Storyboard gezeichnet, gefilmt, geschnitten und letztlich noch vertont. All dies biete die Gelegenheit, den Kindern zu zeigen, wie Bilder wirken können, aber auch, wie man mit Hilfe von Bildern manipuliert werden kann. Die Schulen in Mettauertal sind offensichtlich gewillt, sich den technischen Herausforderungen unserer Zeit zu stellen. Man hat jetzt die Chance genutzt und hat Thomas Gantenbein die Verantwortung für den pädagogischen Informatik-Support übertragen. Gleichzeitig ist er auch für den Support im ganzen EDV-Bereich an der Schule zuständig. Gantenbein zeigte aber auch eindrücklich auf, dass die Technik lediglich eines von vielen Hilfsmitteln ist. Letztlich kann sie niemals einen guten Unterricht ersetzen.


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