Sabine Rüede – immer einsatzbereit

  10.04.2021 Persönlich, Sulz

Weshalb sich die «pensionierte Bäuerin» für die Gesellschaft engagiert 

Der Langacher in Sulz ist ein grosses, längliches Stück Land, rings von Wald umgeben und direkt an den Gemarkungen zu Kaisten gelegen. Hier bewirtschaften die Familien Rüede den Langacherhof.

Dieter Deiss

Eingegrenzt ist der Langacher südwestlich durch den Deisigraben und nordöstlich durch die Egghalde. Bestimmt sagen sich da Füchse und Hasen Gute Nacht. Wer die Einsamkeit liebt, ist hier aber goldrichtig. Bei unserer Begrüssung bezeichnet sich Sabine Rüede als «pensionierte Bäuerin». Seit rund vier Jahren bewirtschaftet nämlich Sohn Severin zusammen mit seiner Frau Corinna den Hof. Sabine hat sich zusammen mit ihrem Mann Edwin auf das schön gelegene und geschmackvoll eingerichtete Stöckli zurückgezogen. Sie liebt einerseits die Ruhe und Abgeschiedenheit ihres Wohnortes. Auf der anderen Seite aber hat für sie die Geselligkeit eine grosse Bedeutung. Wie passt dies zusammen?

Als «pensionierte Bäuerin» helfe sie aber, wie übrigens auch ihr Mann, weiterhin auf dem Betrieb mit. So sei gerade die Produktion von Knoblauch, eine Spezialität der jungen Generation Rüede, recht arbeitsintensiv und benötige viele Hände. Nach wie vor betreut Sabine auch den Garten und backt wöchentlich für ihre private Kundschaft Brot. Übrigens sei die Betriebsübergabe an die nächste Generation recht problemlos verlaufen, nicht zuletzt auch deshalb, weil das Paar den Betrieb in relativ jungem Alter übernehmen konnte.

Pflege in gewohnter Umgebung
Seit siebzehn Jahren arbeitet die ausgebildete Krankenpflegerin bei der Spitex Kaisten: «Ich schätze ganz besonders die persönlichen Beziehungen, die ich zu meiner Kundschaft habe. Hier kann ich meine Klientinnen und Klienten in der für sie gewohnten Umgebung betreuen, decke die verschiedensten Bedürfnisse ab und habe in der Regel dafür genügend Zeit. Die betreuten Leute schätzen die Kleinräumigkeit, in der man einander noch kennt und in welcher sich gegenseitige Beziehungen entwickeln.»

Als schwierig für viele ältere, gehbehinderte Menschen bezeichnet die Krankenpflegerin die aktuelle Corona-Situation. Besuche, auch von engsten Angehörigen, bleiben aus Angst vor Ansteckung mit dem Virus aus. «Einsamkeit macht krank», betont sie und gesteht: «Die aktuelle Situation mit Corona fällt auch mir schwer, denn die Herzlichkeit geht verloren.» Sie verweist in diesem Zusammenhang auch auf das Sterben: «Verstorbene werden still und leise begraben. Es gibt keine Abdankungsfeiern mehr. Man kann nicht mehr Abschied nehmen von einem geliebten Menschen.»

Sabine Rüede engagiert sich sehr für die Gemeinschaft. Viele Jahre gehörte sie dem Vorstand der Sulzer Landfrauen an, denen sie während zehn Jahren als Präsidentin vorstand. Ebenfalls zehn Jahre war sie Mitglied im Bezirksvorstand der Landfrauen. «Ich organisiere gerne, bin gerne kreativ und schätze es, gemeinsam in einem Team etwas verwirklichen zu können», meinte sie zu dieser Tätigkeit.

Pilgern ist mehr als nur Wandern
Geprägt hat sie auch die jahrelange Mitarbeit im Pfarreirat, wovon zwei Jahre als Präsidentin. Hier gehörte sie denn auch zu den Initiantinnen und Initianten, welche 2010 den «Sulzer Jakobsweg» ins Leben riefen. Während neun Jahren marschierte jeweils ein Grüppchen von rund zehn Leuten auf dem 2000 Kilometer langen Pfad bis nach Santiago de Compostela. Beeindruckend für sie waren nebst der Kameradschaft in der Gruppe, die zahlreichen neuen Städte, Dörfer und Landschaften, die man kennen lernte. Nicht zuletzt sei es eindrücklich gewesen, welche Distanzen man auf Schusters Rappen zurücklegen könne. Einen grossen Pilgerwunsch hat sie allerdings noch: Während die Sulzer in Spanien die Küstenroute, den sogenannten «Camino de la Costa» wählten, möchte sie bei Gelegenheit noch die Pyrenäenroute, den «Camino Francés» begehen.

Das Pilgern ist für die 59-Jährige aber mehr als nur Wandern. Ebenso wichtig ist für sie die damit verbundene Meditation. Sie geht deshalb auch regelmässig mit Erwachsenenbildner Bernhard Lindner auf eintägige Wanderungen. Hier stehe dann das Meditative im Vordergrund. So verleihe ihr beispielsweise das Nachdenken über das eigene Leben wichtige Impulse.

Fasten befreit den Körper
Bernhard Lindner sei dem Pfarreirat bei verschieden Anlässen zur Seite gestanden, so auch bei der unterdessen zur Tradition gewordenen Fastenwoche zu Beginn der Fastenzeit. Sieben Tage ohne Essen, nur noch mit Trinken, ist dies nicht hart? «Nein, das gehe gut» meint Sabine Rüede dazu. Am schwierigsten sei jeweils der Einstieg. Wenn der Darm einmal leer sei, habe man auch kein Hungergefühl mehr. So mache es ihr nichts aus, während des Fastens für ihre Familie zu kochen. «Das Risiko ist höchstens, dass einmal etwas versalzen ist, weil man die Speisen selbst nicht probieren dürfe!», meint sie dazu. In den regelmässigen Zusammenkünften in der Gruppe während der Fastenwoche werde man gemeinsam getragen und erhalte wertvolle spirituelle Impulse. «Klar lasse während der Fastenwoche die Konzentration hie und da etwas nach oder dann fühlt man sich müde», führt Sabine aus. Handkehrum sei man aber wieder voller Energie. Da sich der Körper zudem nicht mit sich selber, also mit der Verdauung, befassen müsse, fühle man sich viel freier.

Trotz dieses starken Engagements im kirchlichen Umfeld betont Sabine Rüede: «Ich bin keine gute Katholikin. Mit Vielem, was im Moment im Umfeld der katholischen Kirche geschieht, kann ich mich nicht einverstanden erklären.» Mühe bereiten ihr beispielsweise Gottesdienste, die von ausländischen, zumeist aus völlig anderen Kulturen stammenden Priestern gehalten werden, wo die sprachlichen Probleme oftmals so gross sind, dass die am Gottesdienst Teilnehmenden die priesterliche Botschaft, die da verkündet wird, kaum oder überhaupt verstehen. Dies sei gerade in Coronazeiten eine ernste Gefahr für die Kirche. Viele ältere Leute würden heute auf den Kirchgang verzichten und sich stattdessen an einem Fernsehgottesdienst beteiligen. Dabei müssten sie feststellen, dass ihnen ein Gottesdienst am Fernsehen mehr zu bedeuten habe, als dies bei der Kirche vor Ort zumeist der Fall sei. Zudem sei dies noch bequemer, als der oft mühsame Gang hinauf zur Kirche.

Glaube an Gott, nicht an Rom
«Viele gute Priester werden wegen des Zölibats von der Kirche ferngehalten», kritisiert Sabine Rüede das Verhalten der Kirche. Völlig unverständlich ist für sie aber auch die Tatsache, dass der Pfarreiseelsorgerin von Kaisten das Taufen nicht gestattet ist. «Man müsste den Frauen in der katholischen Kirche unbedingt mehr Kompetenzen einräumen», wird sie dazu deutlich. «Der Glaube an Gott, jedoch nicht an Rom, hat mir schon viel geholfen.» Dieser Glaube an Gott stehe für sie im Vordergrund und nicht die Kirche.

Als jüngstes von insgesamt zwölf Kindern ist Sabine Rüede in Schwaderloch aufgewachsen. Die Kindheit und Jugendzeit habe sie sehr geprägt. Stets sei sie mit vielen Leuten zusammen gewesen. Vieles habe man damals gemeinsam gemacht. Dies gehe ihr bis heute nach. So unternehme sie mit ihren Schwestern Städtereisen und einmal im Jahr gibt es gemeinsame Wellness-Ferien. Dass zusammen Weihnachten gefeiert wird, ist schon fast selbstverständlich. Dies prägt aber auch ihr eigenes Familienleben. Als Mutter von vier erwachsenen Kindern und mehrfache Grossmutter ist auch hier stets für Betrieb gesorgt. Der Alltag der «pensionierten Bäuerin» ist zweifellos bestens ausgefüllt. Da hat sie sich denn auch die Jassferienwoche redlich verdient. Diese verbringt sie jährlich mit drei ehemaligen Schulkolleginnen aus der Bäuerinnenschule 1985 von Frick.


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