«Ich möchte den Tod enttabuisieren»

  17.04.2021 Frick, Persönlich

Dies ist das Ziel von Anja Bandi als Leiterin der Friedhöfe Basel

Aufgestellt, positiv und voller Energie ist Anja Bandi. Seit drei Jahren nun leitet die 48-Jährige die Friedhöfe Basel und widmet sich dabei neben dem Tagesgeschäft – und dessen coronabedingten permanenten Anpassungen – besonders gerne der aktiven Weiterentwicklung des Friedhofs als Ort des Lebens.

Birke Luu

Der Friedhof als Ort des Lebens, als angenehmer Ort für die Lebenden? Aber sicher, meint Anja Bandi, Leiterin der Friedhöfe Basel-Stadt. «Friedhöfe wurden bislang nur verwaltet und optisch gepflegt. Nun aber habe ich die Aufgabe, diesen wunderschönen Anlagen auch Leben einzuhauchen.» Dies sei ein Tabubruch: «Die Leute auf den Friedhof zu holen, ohne dass sie dabei ein komisches Gefühl haben». Eine spannende und wichtige Aufgabe.

Geboren und aufgewachsen im Kanton Bern machte Anja Bandi eine Lehre auf einer Gemeindeverwaltung und arbeitete dort in verschiedenen Bereichen. Wegen der Liebe zog sie schliesslich ins Fricktal und wurde vor fünf Jahren in Frick sesshaft. Sie arbeitete in mehreren Gemeinden im Fricktal, zuletzt als Gemeindeschreiberin in Münchwilen, wo sie auch ihre Weiterbildung zur Gemeindeschreiberin an der FHNW absolvierte. Aus Interesse an einer Führungsposition bewarb sie sich anschliessend als Teamleiterin «Recht» bei der Arbeitslosenversicherung und wechselte dann nochmals auf die Position als Leiterin der Friedhöfe Basel.

Bunter Blumenstrauss
Daran reizte sie das vielfältige Gesamtpaket aus Führungsverantwortung sowie aktiver Friedhofsentwicklung bei gleichzeitiger Bewältigung des Tagesgeschäfts. Als «einen bunten Blumenstrauss an Aufgaben» beschreibt Anja Bandi auch nach drei Jahren noch lachend ihren Job. Normale Beerdigungen reibungslos zu organisieren gehöre dabei genauso dazu wie das grösste Krematorium der Nordwest-Schweiz zu führen, Anpf lanzungen und Unterhalt zu überwachen, Kunstausstellungen auf dem Friedhofsgelände zu planen und sich mit einwandernden Rehen und Krähen zu befassen. An dieser Stelle muss einmal darauf hingewiesen werden, dass Anja Bandi nicht einfach irgendeinen Friedhof leitet, sondern die beiden Friedhöfe in Basel, den Wolfsgottesacker und den grössten Zentralfriedhof der Schweiz, den Friedhof am Hörnli in Basel respektive Riehen. Daher ist sie auch für über 30 Mitarbeiter verantwortlich, die zahlreichen Gärtner dabei nicht eingerechnet. «Es fühlt sich an, als würde ich ein KMU leiten», schmunzelt Anja Bandi. Bei all dem dürfe jedoch nie vergessen werden, wie es den Menschen gehe – Mitarbeitern sowie Angehörigen der Verstorbenen. Für solch einen Job brauche es Routine, ohne dabei aber seine Arbeit einfach nur abzuspulen. «Wir müssen jeden Menschen in seiner speziellen Situation ernst nehmen.»

Spiegel gesellschaftlicher Trends
Durch seine Grösse und die Lage in einer Stadt würde die Bedeutung des Friedhofs Hörnli steigen und ganz andere Dimensionen bekommen als sie ein Dorf-Friedhof habe, erklärt Anja Bandi. «In Städten fungieren Friedhöfe nämlich auch als Parks und Naherholungsgebiete und die Anwohner bringen viel häufiger ihre Ideen und Anregungen für dessen Gestaltung ein.» Deshalb halten derzeit auch aktuelle gesellschaftliche Trends auf dem Hörnli Einzug: Wiesengräber und Baumbeisetzungen sowie ökologische Naturwiesen, letzteres auch dank des Grüne-Stadt-Labels von Basel. «Auf ländlichen Friedhöfen hingegen muss es nach alter Sitte noch geschniegelt und gut gemäht sein», erklärt die engagierte Friedhofsleiterin, die dafür brennt, ihre neuen Ideen in die Tat umzusetzen. Bis vor drei Jahren hatte sie noch nicht viel Ahnung von Friedhöfen, heute jedoch ist sie mittendrin in diesem besonderen Thema.

«Über den Tod redet man nicht, das ist ein Tabuthema», beklagt Anja Bandi dabei ganz explizit. Dass sie einen wirklich besonderen Job habe, merke sie vor allem daran, dass sich plötzlich die Menschen getrauen würden, sie auf dieses Thema anzusprechen. Und auch sie selbst gehe nun viel bewusster mit ihrem Leben um, geniesse es mehr.

Tabubruch
Und wie genau möchte sie das Tabu um den Tod brechen? Die Grundidee sei, mehr Menschen auf den Friedhof zu locken, ohne dass sich diese dabei unwohl fühlen würden. «Wir konnten hier schon zwei grosse Kunst-Ausstellungen durchführen. Das Feedback war sehr gut und die Besucher trugen unser Thema in ihren Bekanntenkreis weiter», freut sich Anja Bandi. Gerne würde sie ständig statt nur zeitweise etwas Besonderes auf dem Friedhofsgelände anbieten. «Ich denke an Konzerte, Lesungen und andere Projekte, immer dem besonderen Ort angepasst.» Da der Friedhof gross und vielfältig sei, gebe es da die verschiedensten Möglichkeiten.

Vielleicht denkt sie dabei auch an ihre zwei Lieblingsplätze: einen Bereich mit knorrigknorzigen Fichten, die alpinen Flair verbreiten, oder den Friedhofsbereich ganz zuoberst, von wo aus man eine tolle Aussicht auf Basel habe.

Ganz sicher aber denkt sie daran, wie man Kindern beibringen könne, dass der Tod zum Leben dazugehöre. «Prinzipiell gehen Kinder viel natürlicher und interessierter mit diesem Thema um, daher könnte ich mir vorstellen, Führungen für Kinder anzubieten», überlegt die Friedhofsleiterin und ergänzt: «Es ist einfacher, Kinder statt Erwachsene bei diesem Thema abzuholen und somit für die Zukunft vorzuschaffen.» Als Mutter einer erwachsenen Tochter spricht sie da sicher aus eigener Erfahrung.

Tagesgeschäft und Corona
Zahlreiche Ideen und Pläne hat Anja Bandi, allerdings muss auch das Tagesgeschäft laufen. In Zeiten von Corona und häufig wechselnden Vorgaben keine leichte Sache. Als systemrelevanter Betrieb mussten oft eigene Sicherheitsbedürfnisse über die der trauernden Angehörigen gestellt werden. «Dies den Leuten erklären zu müssen, war und ist noch sehr schwer für uns – und für die Menschen ist es teils eine echte Katastrophe.» Bewegten sich in den ersten Corona-Monaten die Anzahl Verstorbener noch im normalen Rahmen, stieg die Anzahl an Kremationen letzten Dezember dann doch plötzlich auf fast das Doppelte. Mit Überstunden, Schichtdienst und mehr Leuten konnte die Friedhofsleiterin jedoch für einen glatten Betrieb sorgen.

Kreativität und Engagement braucht es auch zu normalen Zeiten immer wieder, schliesslich ist jeder Bestattungsfall individuell. So muss beispielsweise die Frage, ob jemand mit seinem Hund im gleichen Grab beerdigt werden kann, eigentlich mit «nein» beantwortet werden. Anja Bandi jedoch findet zumeist eine Lösung, die die Angehörigen zufriedenstellt – genaueres wird hier nicht verraten. Die Bedürfnisse der Menschen stünden schliesslich im Vordergrund. Daher fände sie es auch schön, wenn sich alle Gemeinden, grosse wie kleine, ihrer Friedhöfe etwas aktiver annehmen würden und mutig auf die Wünsche der Menschen eingingen. So würden immer mehr Friedhöfe zu Orten des Lebens und zu angenehmen Orten für die Lebenden.


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