Mikado und die Mode sind ihr Lebenselixier

  20.03.2021 Obermumpf, Persönlich, Stein

Rosmarie Heid stieg vor 44 Jahren in die Modebranche ein

Wer heutzutage als Einzelgeschäft in der Modebranche zwischen mächtigen Discountketten, Internet und Grenznähe überleben will, braucht viel Kreativität, kundenorientierte Begabungen und einen grossen Bekanntheitsgrad. Rosmarie Heid verfügt über all dies und führt seit 44 Jahren die Modeboutique Mikado in Stein.

Paul Roppel

Die schlanke, gross gewachsene und sehr vitale Gesprächspartnerin ist zum Termin modisch und sportlich-leger gekleidet. Sie kennt sich in der Modewelt bestens aus und steht zu ihren Ansprüchen. «Weil ich als junge Frau in den Läden nicht das gefunden hatte, was ich mir wünschte, nähte ich mir meine Kostüme nach meinen Vorstellungen», zeigt sie ihre Ambitionen auf. «Vielleicht hätte ich auch Handarbeitsschullehrerin werden sollen», schmunzelt sie. Sie weiss, was in der Modebranche im Trend ist und was zeitgemässe, gute Bekleidung aus dem Erscheinungsbild eines Menschen macht. «Neben meinem handwerklichen Geschick, habe ich auch ein sehr gutes Vorstellungsvermögen und ein subtiles ‹Gschpüri›, was einem steht», legt die Gesprächspartnerin einen Teil ihres Profils offen. Diese Eigenschaften seien sicher sehr hilfreich bei ihrer täglichen Beratung von Kunden. Denn das Metier von Rosmarie Heid ist die Mode und das damit einhergehende Lebenselixier – ihre Bekleidungsboutique.

Enorme Veränderungen erlebt
Während ihrer jahrzehntelangen Geschäftstätigkeit hat sie enorme Veränderungen in ihrem Bereich des Bekleidungseinzelhandels miterlebt und durchgestanden. «Trends sind gekommen und mit der Zeit immer schneller wieder gegangen», sagt sie und fügt an, dass sich parallel dazu auch das Verhalten der Kunden verändert habe. Viele Modegeschäfte wurden eröffnet und existieren inzwischen nicht mehr. Die Boutique «Mikado» in Stein mit Rosmarie Heid und ihren treuen Mitarbeiterinnen hat sich während 44 Jahren den Entwicklungen gestellt und mit kreativem Geschick einen guten Ruf erarbeitet. «Unsere Ladentüre steht stets offen, wenn es das Wetter einigermassen erlaubt, so dass die Kundin oder der Kunde ungehindert den Laden betreten kann», gibt Rosmarie Heid ihre Geschäftsmaxime gegen die Schwellenangst preis. Denn im Gegensatz zu früher sei es schwieriger neue Kundschaft in einen kleinen Laden zu bringen. Trotz des kurzen Wegs von der nahen Holzbrücke, entlang der Rheinbrückstrasse zum Ladenlokal, ist die deutsche Kundschaft aus Bad Säckingen seit zehn Jahren fast komplett ausgeblieben, zeigt Heid eine Zäsur auf. Diese war jahrelang Bezüger insbesondere der Wäsche von Calida.

Schnelllebige Trends
«Die Interessierten sollen sich auch ungestört umschauen können und sich unbeobachtet fühlen», was förderlich gegen die Angst des Kaufzwangs wirke, fügt sie an. «Auch ich bin einer der Menschen, der den Stoff eines Kleidungsstückes zwischen den Fingern fühlen muss und der spricht mich dann an oder eben nicht», bekennt sie. Sie könne sich deshalb mit gewissen Trends von Lieferanten nicht anfreunden, welche ihre Kollektionen nur noch per Bildschirm zum Kauf anpreisen. «Anfänglich waren die Trends nicht so schnelllebig wie heute und wir konnten uns bei der Beschaffung auf zwei Kollektionen im Jahr konzentrieren. Heute haben Lieferanten sechs bis zwölf Kollektionen im Angebot», erzählt Heid. Das Bestellen für die Kleingeschäfte sei in den letzten 15 Jahren hektischer und auch schwieriger geworden, fügt sie an. Zudem erschwere die Anzahl der abzunehmenden Kleinstmengen die Bewirtschaftung und stehe ihrer Bestrebung entgegen, welche ein möglichst breites Auswahlangebot an interessanten Kleidungsstücken und einem vielfältigen Markenangebot beinhalte.

Gute und schwierige Zeiten
Gerade die Corona-Pandemie, wo der Laden im letzten Jahr im Frühling und zum zweitenmal vom Dezember bis Ende Februar geschlossen war, mache das Bestellen und die Bewirtschaftung der Bestände extrem schwierig, erzählt Heid aus ihren jüngsten Erfahrungen. Besonders das Schliessen vier Tage vor Weihnachten sei extrem hart gewesen. «Wenn mir das in den ersten fünf Jahren passiert wäre, hätte ich das finanziell nicht überlebt», beteuert sie. Begonnen hatte sie finanziell sehr vorsichtig und mit klar definierten finanziellen Grenzen und mit der Prämisse: «Man muss auch den Mut haben zu stoppen, falls es nicht rund läuft». Eigentlich hatten ihr zwei Banken vom Unterfangen abgeraten und nur eine fand, das Geschäft decke eine Marktlücke vor Ort ab und bewilligte den Startkredit. Zudem löste ihre Kündigung bei vielen Leuten grosse Verwunderung aus. Zu jener Zeit leitete sie seit drei Jahren das Coop-Center in Rheinfelden. «Ich habe bei Coop ein g rossartiges Förderprog ram m durchlaufen, vorgängig zwei Jahre als stellvertretende Leiterin, dann zwei Jahre als Leiterin des Coop-Centers in Möhlin», erinnert sich Heid an eine «sehr glückliche und interessante Zeit».

Einmalige Chance genutzt
«Das Schild ‹Laden zu vermieten› war für mich eine einmalige Chance, denn ich wollte eigentlich von Kindsbein an einen eigenen Laden», erzählt Rosmarie Heid – bestens bekannt als «Rosi» – aufgewachsen in Obermumpf mit vier Brüdern und in der Familie von Rosa und Gustav Dietwiler, dem «Sattler Gusti», der eine Sattlerei und Tapeziererei führte. Dank intensiver Unterstützung aus Familie und Freundeskreis wurde der heruntergekommene Raum umgebaut und innert wenigen Wochen ein kleines Ladenlokal auf bescheidenen 40 Quadratmetern eingerichtet. Der gefällige, einprägsame und simple Name «Mikado» war schnell geboren, sagt Rosi.

Das im Mai 1977 eröffnete Geschäft f lorierte insbesondere wegen des breiten Angebots an Hosen. Geschäftstüchtig und unternehmungslustig warteten Rosi und ihre Mitarbeiterinnen immer wieder mit neuen Ideen auf, darunter Modeschauen, «die unterhaltsam und ein gesellschaftliches Erlebnis sein müssen». Freundinnen aus Turnerkreisen und schliesslich sogar ihre drei Söhne liefen als Modelle für die neuesten Kollektionen an der Hela und der Steiner Mäss. Als Vorstandsmitglied des Kreisturnverbandes, der Damenriege, der Korbballszene und als Jugileiterin, sowie Vorstandsmitglied des Gewerbevereins Stein war Rosi Heid bestens vernetzt. Bewegung brauche sie auch heute noch mit fast täglichen Walkingtouren und regelmässiger Gymnastik, was ihr das Stehen im Laden erleichtere, sagt sie. 1997 konnte die Liegenschaft erworben, renoviert und der Laden auf 100 Quadratmeter erweitert werden. Von 1984 bis 2018 gab es eine Filiale in Möhlin. Eigentlich könnte die vife 72-jährige Geschäftsfrau das Pensioniertendasein geniessen. «Dank der Wertschätzung der Kunden, dem guten Einvernehmen mit den langjährigen Mitarbeiterinnen und deren Zuverlässigkeit, sowie der jahrelangen grossen Unterstützung meines Mannes funktioniert der Laden so gut . Ich gehe noch gerne jeden Tag mit Freude ins Geschäft», sagt Rosi Heid und freut sich auf das nächste Jahr, wo der 45. Geburtstag von Mikado gefeiert werden soll.


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