Kein Schnickschnack

  06.02.2021 Oberhof, Persönlich

Vom Maurer zum Winzer

Der Winzer Tom Litwan produziert in Oberhof Weine – wichtig ist ihm dabei vor allem Nachhaltigkeit. Der gelernte Maurer will mit biodynamischem Rebbau einen Beitrag zur Erhaltung unseres Planeten leisten.

Andrea Marti

Tom Litwan macht kein Drama. Er denkt, bevor er redet, und verliert keine unnötigen Worte. Er macht nicht gross Auf hebens um sich selbst, fast schon wirkt es, als wäre es ihm unangenehm, über sich selber zu sprechen – viel lieber spricht Tom Litwan über seine Weine. Dabei ist es teilweise schwierig, Tom Litwan von Tom Litwans Weinen zu trennen: Es wirkt, als würde er seine Weine so produzieren, wie er auch das Leben angeht: Ein bisschen alternativ, sehr bodenständig, mit klaren Vorstellungen davon, wie er seinen Job machen und sein Leben leben will.

Litwan ist seit 2006 als Winzer selbstständig – ursprünglich pachtete er einige Parzellen im Schenkenbergertal, später kam der Keller und die Reben im Fricktal hinzu. Der Winzer produziert biodynamisch – das klingt fast wie bio, ist aber nicht ganz das Gleiche: «Biodynamisch heisst noch mehr als Bio», erklärt Litwan. «Bio schliesst lediglich synthetische Spritzmittel aus – Biodynamik schliesst mehr ein, es geht dabei um die ganze Umwelt der Pf lanze. Die Grundannahme ist, dass der Wein besser wird, wenn es der Pflanze gut geht.»

Wein und Mond und Sterne
Um dafür zu sorgen, dass es seinen Pflanzen gut geht, passt Tom Litwan beispielsweise die Pf lege seiner Pflanzen an den Mondzyklus an – um dessen Kräfte für die Pflanze zu nützen. «Die Wissenschaft negiert zwar, dass der Mond einen Einfluss auf die Pflanzen hat», gibt Tom Litwan zu, aber trotzdem ist der Winzer überzeugt: «Man kann die Kraft der Planeten auf subtile Weise für die Pflanzen nutzen», ist Tom Litwan überzeugt.

Mit seiner Produktionsweise verfolgt Tom Litwan schliesslich ein Ziel: Nachhaltigkeit. «Ständiges Wachstum, immer noch mehr produzieren, das geht im Rebbau einfach nicht. Eine Hektare ist nächstes Jahr nicht plötzlich grösser, die Reben produzieren nicht plötzlich mehr Trauben – vielleicht ist einem die Natur mal gut gesinnt und es gibt eine gute Ernte, aber immer noch mehr ernten, das funktioniert nicht», ist Tom Litwan überzeugt. «Wenn meine Reben im nächsten Jahr so viel erzeugen wie im Vorangegangenen, dann bin ich zufrieden. Viel wichtiger als Wachstum ist doch, dass wir mit dem, was wir haben, sorgsam umgehen.» Dabei wendet der Winzer seine Wachstums- und wohl auch Kapitalismuskritik keineswegs nur auf die Weinproduktion an: «Es ist doch ganz einfach: Wir haben nur einen Planeten. Der wächst auch nicht jedes Jahr um zwei Prozent. Die ständige Steigerung des Wirtschaftswachstums, die wird uns früher oder später an den Abgrund bringen. Schon jetzt werden wir den Planeten nicht mehr so zurücklassen können, wie wir ihn vorgefunden haben – das Beste, was wir jetzt noch machen können, ist, möglichst viel von dem, was wir noch haben, zu erhalten», so Litwan.

Litwan macht es ein bisschen anders
Seinen Beitrag will Tom Litwan einerseits durch den biodynamischen Rebbau leisten – aber auch sonst hat der Winzer ein anderes Konzept als andere Aargauer Winzerinnen und Winzer. So verkauft er etwa seine Weine primär über Händler, er macht keine Hoffeste, hat keinen Hofladen. «Ich kann mich gut um den Weinbau, ums Wein machen kümmern, und klar mache ich auch Marketing, aber den Wein verkaufe ich vor allem über Händler – Verkäufe ab Hof, das liegt mir nicht, das bin nicht ich. Irgendwie muss man herausfinden, was man will. Und ich bin eben nicht Winzer geworden, um Wein zu verkaufen, sondern um Wein zu machen», so Litwan. Mit dieser Haltung eckt Tom Litwan an, vor allem auch bei anderen Winzern aus der Region. Aber das scheint ihn nicht gross zu stören: «Ich weiss, dass mich viele arrogant finden, weil ich eben nicht immer präsent bin, nicht jedem gleich eine Degustation anbiete, der vorbeikommt. Aber ich bin dann im Rebberg am Arbeiten, ich habe dann einfach die Zeit nicht. Ich verkaufe mein Produkt eben anders», so Litwan.

Anders ist an Tom Litwan aber nicht nur seine Produktionsweise und die Art, wie er seinen Weinbau angeht – anders ist wohl auch sein Werdegang: Er stammt nicht aus einer Winzerfamilie, sondern ist gelernter Maurer. Nach der Bezirksschule, so Litwan, wusste er erstmal nur, dass er nicht ans Gymnasium wollte: «Nur nicht noch einmal vier Jahre Schule! Ich wollte viel lieber etwas mit den Händen machen.» So lernte er nach der Schule Maurer – «die Idee, aus dem Nichts Häuser zu bauen, faszinierte mich», so Litwan. Zur Winzerei kam er schliesslich nach einem dreijährigen Aufenthalt im Burgund. «Ich habe dort quasi auf einem Schloss gearbeitet und habe während dieser Zeit die Winzerei für mich entdeckt», erzählt Litwan. Zurück in der Schweiz machte Tom Litwan eine Ausbildung zum Winzer, arbeitete eine Weile in der Westschweiz und machte sich schliesslich im Aargau selbstständig.

Die Faszination des Weines geht für Litwan von dessen verschiedenen Aspekten aus: «Wein kann so vieles verbinden – ein Brot verbindet man meist nicht mit einer bestimmten Erinnerung, macht sich keine Gedanken dazu. Ein Wein kann ein intellektuelles Erlebnis sein und ganz viel auslösen – er muss nicht, aber er kann».


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