In einem Land vor unserer Zeit

  23.02.2021 Aargau, Frick

Versteinerte Zeugen des früheren Lebens bei uns

Im Aargau gibt es rund einhundert aktive Materialabbaustellen. Bei den Abbauarbeiten werden Schichten freigelegt, die manchmal besondere Schätze beherbergen – Fossilien, die versteinerte Zeugen der Erdgeschichte sind.

Das Landschaftsbild des Aargaus ist stark durch die Höhenzüge der Juraberge geprägt. Diese mächtigen Kalk- und Tongesteinsablagerungen entstanden vor etwa 200 bis 145 Millionen Jahren. Aus späteren Zeiten stammen die Sandsteine der Molasse und die Moränenzüge mit Schottern aus den Eiszeiten. Gemäss dem kantonalen Dekret gehören wissenschaftlich bedeutsame Funde dem Kanton. Sie werden in Inventare aufgenommen und als Naturobjekte geschützt. Das Geotopinventar des Kantons Aargau ist ein solches Inventar. Fossilienreiche Aufschlüsse – beispielsweise die Ammoniten im Bergwerk Herznach – sind auch Bestandteil des Geotopinventars. Neu hinzu kommen gegenwärtig einige Fossilfundstellen, die teilweise sogar nationale Bedeutung haben. Fossilfunde sind sehr bedeutsam. Sie erlauben den Forschenden Einblicke in längst vergangene Zeiten. Fossilien zeigen paläogeografische und klimatische Veränderungen der Umwelt und geben damit auch Auskunft über die Lebensbedingungen in den verschiedenen erdgeschichtlichen Zeiträumen. Im Folgenden werden auf einer kleinen Reise durch die Zeit drei Fossilgruppen und ihre Paläoumwelt – die Umweltbedingen, die zu ihrer Lebenszeit herrschten – genauer vorgestellt.

Triassic Park
Die Reise beginnt etwa 200 Millionen Jahre vor heute am Ende der Trias-Zeit. Es sind nicht die ältesten Schichten der Erdgeschichte im Kanton, aber vielleicht die spannendsten. Damals herrschte ein heisses Klima und die Landschaft war geprägt von weiten Ebenen am Rande des Meeres, Salzseen und Lagunen, wo es beispielsweise zu Gipsablagerungen kam. Später lagerten sich darüber kontinentale Sedimente ab. In den Schichten der Oberen Bunten Mergel (Gruhalde Member genannt nach der Tongrube Gruhalde in Frick) wurden 1962 erstmals Knochen eines frühen Dinosauriers gefunden, der als Plateosaurus identifiziert wurde. Die Dinosaurier aus dem Erdzeitalter des Jura und der Kreide sind dank den Jurassic-Park-Filmen den meisten bekannt. Doch die Plateosaurier aus der Trias-Zeit sind viele Millionen Jahre älter und mindestens so spektakulär. Inzwischen werden in der Tongrube Gruhalde regelmässig Grabungen durchgeführt. Plateosaurier sind fünf bis zehn Meter lang, haben einen kleinen Kopf sowie einen langen Schwanz und Hals. Es wird angenommen, dass sie sich auf ihren Hinterbeinen fortbewegt haben und ihre Hände zum Greifen von Pflanzenmaterial nutzten. Die Tongrube Gruhalde ist eine der reichsten Fossilfundstellen für frühe Dinosaurier in Europa: Fünf zusammenhängende Skelette, weitere zehn zum Grossteil erhaltene Skelette sowie Skelettteile von vermutlich mehr als einhundert weiteren Tieren wurden bis heute gefunden – und laufend kommen neue Funde hinzu.

Weitere Entdeckungen in der Tongrube Gruhalde waren eine neue Art Raubsaurier, Haifischzähne und Überreste von Schildkröten, krokodilähnlichen Reptilien sowie Knochen- und Lungenfischen. All diese Funde illustrieren die damals herrschenden Lebensbedingungen zusätzlich. Ein Rätsel aber ist der Grund für diese hohe Anzahl von Skeletten – vermutlich sind die Tiere schlicht und einfach im Schlamm stecken geblieben und verendet.

Eine Sturmflut als Auslöser?
Bereits in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden in einem kleinen Steinbruch bei Schinznach-Dorf ausserordentlich gut erhaltene marine Fossilien von Stachelhäutern, sogenannte Echinodermen, entdeckt. Diese stammen aus der mittleren Jura-Zeit vor 165 Millionen Jahren. Zu den Stachelhäutern gehören Seesterne, Seeigel, Seegurken, Schlangensterne und Seelilien. Sogar äusserst seltene Seegurkenabdrücke sind sichtbar, obwohl diese Lebewesen kaum Hartteile besitzen. All dies deutet auf ein plötzliches, turbulentes Ereignis hin, das die Lebewesen womöglich über eine gewisse Distanz transportiert hatte, bis sie liegenblieben und rasch von Sedimenten bedeckt wurden. Es wird eine Sturmf lut als Auslöser vermutet.

Niederweningen – knapp ausserhalb des Aargaus gelegen – ist weithin bekannt als bedeutende Mammutfundstelle. Doch auch im Aargau gibt es eine grosse Anzahl mehr oder weniger grosser Funde von Mammutüberresten. Die vielleicht bedeutendsten sind die Funde von 2010 im Steinbruch Unteregg bei Veltheim, als nach Sprengarbeiten Fragmente von Mammutstosszähnen und -knochen entdeckt wurden. Es handelt sich um mindestens zwei ausgewachsene Tiere, die zudem aus relativ alten Schichten (63 000 Jahre vor heute) stammen.

Im Kantonsgebiet gibt es zahlreiche weitere entdeckte Fossilien: Fischsaurier, Krokodile und Ammoniten aus ganz alten Zeiten, aber auch Säugetiere, die in jüngeren Zeiten lebten. Es gibt viele Geotope im Kanton Aargau. Allerdings sind sich viele Menschen der Existenz, der Bedeutung und der Einzigartigkeit dieser erdgeschichtlichen Zeugen nicht bewusst. Museen wie das Naturama in Aarau, das Sauriermuseum in Frick, das Mammutmuseum in Niederweningen oder die Paläontologischen Museen und Sammlungen in Bern, Basel und Zürich liefern spannende Informationen, wer unsere Gegend vor Tausenden von Jahren bevölkert hat. (nfz)


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