«Wir haben es hier schon schön»

  10.02.2021 Gansingen, Persönlich

Waltraut Steinacher zwischen Freiheiten und Politik

Seit 20 Jahren wohnt die 52-jährige Waltraut Steinacher in Gansingen. Ihre Stimme bringt sie seit vier Monaten auch im Gemeinderat ein.

Bernadette Zaniolo

Es war ein besonderer Moment im Leben von Waltraut Steinacher-Basler: Am 27. September 2020 wurde sie mit 344 Stimmen (bei einem absoluten Mehr von 191 Stimmen) in den Gemeinderat von Gansingen gewählt. Sichtbares Zeichen und ganz nach Tradition wurde auf dem Sinzematthof, wo Waltraut Steinacher seit 20 Jahren zuhause ist, eine Tanne gestellt. «Das hat mich unheimlich gefreut. Und gefeiert haben wir bis spät in die Nacht», heisst es im Dorfblatt «Gansingen informiert».

Man bekomme als Gemeinderätin einen anderen Blickwinkel, sagt die Vorsteherin des Ressorts Gesundheit und Soziales (sie hat im 2018 den Pflegehelferinnenkurs des SRK absolviert). Sie betont, dass vieles vom Kanton vorgegeben sei, so etwa auch im Bereich der Landwirtschaft, mit welchem sie schon in der Kindheit in Berührung kam. Die 52-jährige Waltraut Steinacher ist in einer Pflegefamilie (Bauernfamilie mit zehn Kindern) in der Region Zofingen aufgewachsen. Ihr Vater verstarb noch vor ihrer Geburt. «Ich hatte es dort schön», sagt Waltraut Steinacher zur Pf legefamilie. Der Kontakt zu dieser sowie zu ihren noch lebenden drei leiblichen Geschwistern (ein Bruder ist gestorben) sei immer noch gut.

«Etwas anderes wäre nicht in Frage gekommen», so Steinacher, angesprochen darauf, ob sie, wenn sie die Wahl gehabt hätte, lieber ein anderes Ressort genommen hätte. «Das Bauwesen wäre nicht meins gewesen», erklärt sie. «Vielleicht noch die Landwirtschaft», schmunzelt die ausgebildete Bäuerin und Pferdepflegerin.

Dass sie die Handelsschule absolviert habe und später beim Kanton als Sachbearbeiterin Steuern gearbeitet habe, komme ihr heute bei den herausfordernden administrativen Arbeiten in der Landwirtschaft zugute. Vieles laufe auch dort digital. «Ich frage mich manchmal, wie das ältere Landwirte noch bewältigen können.»

Dass ihre zwei Kinder (eine Tochter und ein Sohn) schon älter seien und ihre Unterstützung deshalb immer weniger brauchen sowie die Umstellung auf dem Hof (2015) von Milch- auf Mutterkühe hätten ihr den Entscheid für den Gemeinderat erleichtert. Nebst ihrer Familie leben auf dem Hof 39 Kühe sowie 40 Kälber, ein Muni, zirka 200 Mastschweine, ein Hund, zwei Katzen und drei Pferde. «Beim Reiten kann ich gut abschalten», sagt Steinacher. Sie freut sich, dass sie auf den Ausflügen mit den Freiberger-Pferden (Familienpferde) von zwei guten Freundinnen oder ihrer Tochter begleitet wird.

Über den «Pferde-Sport» hat Waltraut Steinacher auch ihren Mann Roland kennengelernt, welcher als Jäger ebenfalls sehr naturverbunden ist. «Wir haben es hier schon schön. Was willst Du mehr?» Sie betont, dass Reiter, Velofahrer und Wanderer hier in der Region noch aufeinander Rücksicht nehmen.

Apropos Wandern: Auch dies gehört zu Steinachers «Lust». Jeden zweiten Sonntag ist sie mit einer losen Wanderfreundegruppe aus Wislikofen unterwegs. Es ist für die Bäuerin aus Gansingen «ein Ausbrechen aus dem Alltag.» In ihrer Freizeit widmet sie sich Hörbüchern, dem Schwimmen, Skifahren und dem Jassen. «Mindestens einmal im Jahr gehe ich mit drei anderen Erwachsenen in den Europark. Das ist jeweils sehr lustig», so Steinacher. Bei der Aussage merkt man: sie schwelgt in Erinnerungen. Mit ihrem Lachen zaubert sie an diesem wettermässig trüben Nachmittag «Sonne» in die Herzen.

Spass wichtiger als die Mofa-Marke
Ein «unbeschreiblich schönes Gefühl» sei es jeweils, so Waltraut Steinacher, wenn sie mit dem «Töffli-Sextett», (sechs Freundinnen) auf einer zwei- oder dreitägigen Tour unterwegs ist. Während bei den Männern meist die Marke Puch oder Sachs hoch im Kurs steht, so ist es den sechs Frauen – darunter auch eine ihrer Schwestern – «Wurst», welche Marke gefahren wird. Sie fahre ein «Tomos», sagt Steinacher augenzwinkernd. Das Mofa habe sie ihrer Tochter abgekauft.

Der Spass und das Gesellschaftliche stehen bei den Ausflügen im Vordergrund. «Es war sauglatt», sagt Waltraut Steinacher als sie von den Töff li-Touren an den Sempachersee oder nach Luzern erzählt und Jugenderinnerungen aufkommen. «Die Idee für die Töffli-Touren entstand aus einem blöden Spruch heraus», sagt Steinacher. Entstanden ist das Ganze vor drei oder vier Jahren. Die Mehrheit der teilnehmenden Frauen hat zusammen die auswärtige Oberstufe besucht. Natürlich mit dem Töff li. Schon seit vielen Jahren treffen sich die Frauen jeweils einmal im Jahr zum Essen. Seit dem Ausflug an den Sempachersee hat das Frauen-Sextett auch das Bowling-Fieber gepackt und einmal im Monat trifft man sich zum Bowlen.

Das Gemeinderatsamt scheint da ganz und gar nicht drein zu passen? «Es gefällt mir immer noch gut», betont Steinacher. Die Zusammenarbeit mit den Kollegen sei «sehr angenehm». Dass eine Frau im Gemeinderat sei, werde von ihren Kollegen geschätzt, auch wenn man mal nicht gleicher Meinung sei. Der Blick hinter die Kulissen hat sie auch «reif» gemacht, um Stammtisch-Plaudereien zu kontern. Jenen, die immer wieder lauthals gegen den Gemeinderat «wettern», sagt sie, dass sie sich bei den nächsten Wahlen ja zur Verfügung stellen könnten.

«Zum Glück musste ich das bis jetzt nicht gross erleben», sagt Steinacher angesprochen über mögliche Härtefälle im Bereich Soziales. Gansingen habe nur wenige Fälle. Sie schätzt hier die gute fachliche Unterstützung durch Marco Schwab, den Leiter des Regionalen Sozialdienstes Laufenburg, welchem Gansingen angehört.

Mit ihrem Engagement im Gemeinderat möchte Steinacher auch mehr mit der Bevölkerung in Kontakt kommen. Sie ist in keinem Verein, betont jedoch: «Gansingen interessiert mich. Ich bin gerne hier.» Sie liebt das kulturelle Leben im Dorf. «Bis jetzt habe ich schon das Gefühl, dass ich im Gemeinderat ernst genommen werde», sagt sie auf die entsprechende Frage. Das Einbringen der Sichtweise der Frauen sei wichtig, nicht nur in der Politik.


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