«Man muss bereit sein, Pläne immer wieder zu ändern»

  14.02.2021 Persönlich, Rheinfelden

Roger Braccini hat zehn Jahre an der Überbauung «Furnierwerk» gearbeitet

Das «Furnierwerk» – das neue Wohn- und Gewerbezentrum gleich neben dem Bahnhof in Rheinfelden – steht kurz vor der Fertigstellung. Roger Braccini, Architekt bei Luca Selva Architekten, hat während Jahren daran gearbeitet. Parallel dazu haben er und sein Lebenspartner die ehemalige Druckerei Herzog in der Rheinfelder Altstadt renoviert und zu ihrem neuen Heim umgebaut.

Edi Strub

«Bauen liegt unserer Familie sozusagen im Blut», sagt Roger Braccini. «Mein Urgrossvater kam aus der Toskana in die Schweiz und mauerte unter anderem das Fundament für das Kraftwerk Ryburg-Schwörstadt. Meine Grosseltern gründeten in Möhlin dann ein Baugeschäft und ich wurde Architekt. Meine Eltern führten in Möhlin ein kleines Architekturbüro und mein Göttibub arbeitet heute als Maurerlehrling auf einer unserer Baustellen, » Zeitweise habe er zwar erwogen, etwas ganz anderes zu werden, zum Beispiel Zahnarzt oder Landschaftsgärtner. Die Weichen seien dann aber gestellt worden, als er auf Anraten seiner Berufswahllehrerin die Aufnahmeprüfung für den Vorkurs an der Kunstgewerbeschule machte und diese bestand. Später habe er bei Suter&Suter eine Bauzeichnerlehre gemacht, was wunderbar gewesen sei. Man habe ihn zwar gewarnt, das Unternehmen könnte in Konkurs gehen, was es schliesslich auch tat. Aber der Betrieb beim damals grössten Architekturbüro in der Schweiz habe ihn fasziniert. Eine neue Welt sei für ihn aufgegangen. Er habe von Anfang an computergestützt mit CAD arbeiten können, während seine Kollegen an der Gewerbeschule in anderen Lehrbetrieben meist noch von Hand zeichnen mussten. Ausserdem sei das Unternehmen grosszügig gewesen; er habe neben seiner Arbeit im Zeichenbüro eine Berufsmatura machen können, was ihm erlaubte, später ein Studium als Architekt zu beginnen. Heute könnte er sich nicht mehr vorstellen, zum Beispiel als Zahnarzt zu arbeiten: «Ich bin sehr glücklich, Architekt geworden zu sein.»

Hunderte Male Änderungen vorgenommen
Roger Braccini ist Partner bei den renommierten Luca Selva Architekten in Basel. Das ist ein mittelgrosses Unternehmen, das in Rheinfelden durch die nun bald fertiggestellte Überbauung «Furnierwerk» bekannt ist, aber schweizweit und zum Teil auch im Ausland tätig ist. Beschäftigt hat sich Roger Braccini in den letzten zehn Jahren vor allem mit der Planung und dem Bau des «Furnierwerks». «Wir haben sehr lange daran gearbeitet und in der Entwurf Phase immer wieder Änderungen vorgenommen, nicht bloss ein paarmal, sondern hunderte Male.» Es gebe im Furnierwerk nicht einfach zwei oder drei Wohnungstypen, die sich durch alle Gebäude durchziehen, sondern 58 verschiedene – bei insgesamt 155 Wohnungen. Eine besondere Herausforderung seien die Lärmemissionen von der Bahn gewesen. Ziel sei es gewesen, die Wohnungen davor zu schützen, anderseits aber die freie, nicht überbaubare Sicht Richtung Süden optimal zu nutzen.

Bauen ist in der Sicht von Roger Braccini Teamwork. Es gelte möglichst alle Gesichtspunkte in die Planung einzubeziehen. Die Stadt zum Beispiel habe den Wunsch nach viel Gewerbefläche angemeldet. Die Bauherrin und die Architekten seien zuerst skeptisch gewesen, doch das gewählte Konzept scheine sich nun zu bewähren. Die Nachfrage nach Gewerberäumen sei gross und die Überbauung lebe, weil sie nicht einfach eine Schlafstadt sei.

Ein Schmuckstück in der Rheinfelder Altstadt
Für Roger Braccini passen grosse Überbauung wie das «Furnierwerk», der Salmenpark /«Rhyvage» gut zu einer Stadt wie Rheinfelden. Rheinfelden biete einen guten Mix von attraktiven Wohnmöglichkeiten. Einerseits in den Neuüberbauungen, anderseits aber auch in und rund um die Altstadt. Die Lage sei perfekt. Nur ein paar hundert Meter seien es vom «Furnierwerk» bis zum Bahnhof. Und von dort fahre man mit vier Zügen pro Stunde direkt ins Zentrum von Basel. Auch er habe vor einiger Zeit beschlossen, sich zusammen mit seinem Partner in Rheinfelden niederzulassen. Sein Partner habe gesehen, dass das Gebäude der ehemaligen Druckerei Herzog zum Verkauf ausgeschrieben sei. Die alte Druckerei mit Wohnung ist im Jahr 1908 entstanden und nun – gediegen renoviert – ein Schmuckstück, das auffällt in der Rheinfelder Altstadt. Nach hinten gegen die Stadtmauer haben die beiden sich ein lauschiges Gärtchen eingerichtet. «Es ist so ruhig hier, dass wir uns zuerst daran gewöhnen mussten. In Basel, wo wir früher wohnten, war viel mehr los. Da war ständig Lärm vom Verkehr, von Helikoptern, die übers Haus flogen, und von immer neuen Baustellen.»

Kein Bilingue
Die Wurzeln der Familie Braccini liegen in Italien. Welche Rolle spielt dieses Land für ihn als Vertreter der dritten Generation nach der Auswanderung seines Urgrossvaters? «Italien ist ein wunderbares Ferienland. Wir waren oft dort. Aber meine Gross- und Urgrosseltern versuchten sich möglichst schnell zu integrieren, obschon die schweizerische Gesetzgebung und Politik das bisweilen schwer machten. Roger Braccinis Grossmutter war eine waschechte Emmentalerin. Das Schweizer Bürgerrecht wurde ihr jedoch aberkannt, als sie einen Italiener heiratete. Doch der Weg war klar. Die Braccinis wollten Schweizer werden. Und so sprach man im Elternhaus von Roger Braccini in Möhlin ausschliesslich Schweizerdeutsch, kein Italienisch. «Mein Italienisch ist leider nur ein Schulitalienisch. Es taugt für die Ferien. Ein Bilingue, der ungehindert zwei Sprachen spricht, bin ich leider nicht.»


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