Ladeninhaber sind sauer auf den Kanton

  22.12.2020 Aargau, Fricktal

Im Kanton Aargau gelten seit gestern strengere Corona-Schutzmassnahmen als auf Bundesebene. Die Geschäftsleute sind überrascht und verärgert.

Valentin Zumsteg

Die Ladenbesitzer im Fricktal erlebten am Freitag ein Wechselbad der Gefühle. Am Nachmittag verkündete der Bundesrat zwar strengere Massnahmen und eine Schliessung der Restaurants und Freizeitbetriebe ab heute Dienstag, aber keine Ladenschliessungen. Doch die Freude und Erleichterung darüber hielt bei den meisten Detaillisten nicht lange an. Denn noch am gleichen Abend gab die Aargauer Regierung weitergehende Schritte bekannt: «Der Regierungsrat hat aufgrund der kantonalen Coronavirus-Lage im Aargau beschlossen, auch die Einkaufsläden ab Sonntag, 20. Dezember 2020, 24 Uhr, zu schliessen. Ausgenommen sind Lebensmittelläden und sonstige Läden (zum Beispiel Kioske, Tankstellenshops), die Lebensmittel oder andere Güter des dringenden und täglichen Bedarfs verkaufen», hiess es in einer Medienmitteilung. Ausnahmen gelten ebenfalls für Apotheken, Drogerien und Läden für medizinische Hilfsmittel (zum Beispiel Brillen und Hörgeräte), Verkaufsstellen von Telekommunikationsanbietern, Reparatur- und Heimwerkergeschäfte, Blumenläden sowie Dienstleistungsanbieter wie Coiffeure, Physiotherapie-Praxen und so weiter. Für alle anderen Geschäfte bedeutete dies, dass sie somit am Samstagabend für die kommenden Wochen schliessen mussten. Die Massnahmen gelten vorerst bis 22. Januar.

Die verordnete Schliessung trifft die Geschäftsleute hart. «Damit habe ich nach der Pressekonferenz des Bundesrates nicht gerechnet. Ich bin sauer. Ich kann nicht verstehen, dass die Geschäfte nur wenige Tage vor Weihnachten schliessen müssen», sagt Doris Weber, die in Rheinfelden die Modeboutique «Tragbar» führt. «Jetzt gehen die Leute halt nach Basel zum Einkaufen», vermutet sie. In den vergangenen Wochen habe es viele Leute im Städtchen gehabt und die Stimmung sei gut gewesen. «Die Schliessung kann einem die Freude nehmen», sagt Weber. Wobei der Kanton gerade bei den Kleidergeschäften für Verwirrung sorgte. Denn laut Erläuterung zum Vollzug dürfen «Textilien, wie insbesondere Bekleidung, soweit sie nach Art und Preis Verbrauchsgütercharakter haben», verkauft werden.

Verärgert äussert sich Claudio Meier vom Geschenkladen Cameleon in der Rheinfelder Marktgasse: «Ich bin wütend. Lange hat der Kanton Aargau kaum etwas gemacht und jetzt prescht er vor. Ich könnte weinen.» Auch Thomas Isenegger, der in Möhlin eine Papeterie führt, kritisiert das Vorgehen und die Kommunikation des Kantons. Er darf sein Geschäft zwar öffnen, da Papier und Schreibwaren zum täglichen Bedarf gezählt werden, aber für das kantonale Vorgehen hat er kein Verständnis. «Ich bin froh, dass ich meinen Laden offenhalten darf. Ich verstehe aber nicht, wieso andere Geschäfte im Aargau schliessen müssen. Das tut mir sehr leid für die Betroffenen», sagt Isenegger.

Marco Veronesi, Präsident der Rheinfelder Detaillisten-Vereinigung Pro Altstadt, äussert hingegen ein gewisses Verständnis: «Ich kann die Massnahme auf der einen Seite verstehen. Die Entwicklung ist ja nicht so, dass wir da sorglos weiter machen können. Was ich aber nicht verstehen kann, ist der Alleingang des Aargaus und das schwache Handeln des Bundesrates.»

Für viele Geschäfte und auch die Gastronomie ist dies ein trauriger Abschluss eines sehr schwierigen Jahres. Einige wissen nicht, wie und ob es im nächsten Jahr weitergehen kann.


Einschneidende Massnahmen im Kanton

Die weiterhin ansteigenden Infektionszahlen und die drohende Überlastung des Gesundheitswesens er forder n sofor t iges Handeln. Der Kanton Aargau hat deshalb die am Freitag vom Bundesrat beschlossenen Regeln und Verbote zur Bekämpfung der Coronavirus- Pandemie mit kantonalen Massnahmen deutlich verschärft. Wie die Regierung mitteilt, sind diese aufgrund der Coronavirus-Lage im Kanton Aargau zum Gesundheitsschutz der Bevölkerung notwendig. So werden im Aargau zusätzlich unter anderem Einkaufsläden, Märkte und Erotikbetriebe geschlossen und Treffen im öffentlichen Raum auf fünf Personen beschränkt. Für den Kanton Aargau gelten die vom Bundesrat und vom Regierungsrat neu beschlossenen Coronavirus-Schutzmassnahmen bereits seit Sonntag, 20. Dezember um 24 Uhr, und sind bis am 22. Januar 2021 befristet. Zudem starten Mittelschulen und Berufsfachschulen nach den Weihnachtsferien mit einer Woche im Fernunterricht. Restaurations-, Bar- und Clubbetriebe werden gemäss Bundesratsentscheid geschlossen. Ausgenommen sind Lieferdienste für Mahlzeiten, Betriebskantinen, Kantinen von Spitälern und Pflegeheimen (in beiden keine Gäste zugelassen) und Takeaway-Betriebe sowie Restaurationsbetriebe in Hotels, die ausschliesslich Hotelgästen zur Verfügung stehen. Ebenfalls ausgenommen sind Mensen oder Tagesstrukturangebote der obligatorischen Schulen, die ausschliesslich zur Nutzung von Schülerinnen und Schülern, Lehrpersonen sowie Angestellten der Schule zur Verfügung stehen. Weiter hat der Bundesrat entschieden, dass Kultur-, Unterhaltungs-, Freizeit-, Sport- und Wellnessbetriebe geschlossen werden. Unter Kultur-, Unterhaltungs- und Freizeitbetriebe fallen namentlich und nicht abschliessend Einrichtungen wie Kinos, Museen und Ausstellungshallen, Lesesäle von Bibliotheken und Archiven, Casinos und Spielhallen, Konzertsäle, Theater sowie geschlossene Bereiche von botanischen Gärten und Zoos. Unter Sportu nd Wel l nessbet r iebe fa l len namentlich und nicht abschliessend Sport- und Fitnesszentren, Kunsteisbahnen und Schwimmbäder (ausgenommen Hotels mit ausschliesslichem Hotelgäste-Zugang).

Auch Einkaufsläden geschlossen
Der Regierungsrat hat aufgrund der kantonalen Coronavirus-Lage im Kanton Aargau beschlossen, auch die Einkaufsläden zu schliessen. Ausgenommen sind Lebensmittelläden und sonstige Läden (zum Beispiel Kioske, Tankstellenshops), die Lebensmittel oder andere Güter des dringenden und täglichen Bedarfs verkaufen. Ausgenommen sind Lebensmittelmärkte im Freien oder in nicht geschlossenen Räumen (Weihnachtsbau m-Verkäu fe kön nen durchgeführt werden; klassische Weihnachtsmärkte können nicht durchgeführt werden).

Ausgenommen sind auch Apotheken, Drogerien und Läden für medizinische Hilfsmittel (z.B. Brillen und Hörgeräte), Verkaufsstellen von Telekommunikationsanbietern, Reparatur- und Heimwerkergeschäfte, Blu men läden sowie Dienstleistungsanbieter wie Coiffeure, Physiotherapie-Praxen und so weiter. Zulässig bleibt die Abholung bestellter Waren vor Ort. Im Aargau sind spontane Versammlungen im öffentlichen Raum mit mehr als 5 Personen verboten. Bordell- und Erotikbetriebe, Cabarets, Etablissements, Sex-, Strip- und Saunaclubs wurden geschlossen. Die Bestimmungen werden vom Kanton Aargau auf der Webseite www.ag.ch /coronavirus kontinuierlich nachgeführt und aktualisiert. (nfz)


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